Die moralische Frage zu ProSiebens "Catch the Millionaire", RTLs "Wild Girls" und Co.

von Portrait von Marlon Kumar Marlon Kumar
Veröffentlicht am 1. August 2013

Trash-Sendungen wie "Dschungelcamp", "Wild Girls" oder "Catch the millionaire"  sorgen für gewöhnlich bereits bei der Ausstrahlung der ersten Folge für ausschweifende Furore, kreieren pseudointellektuelle Artikel (wie diesen hier), regen Dispute selbsternannter Professoren an und legen den Finger in die Wunden der Gesellschaft. Warum interessiert sich dennoch ein Großteil unseres Volkes für diesen Schund und verfällt dem Sensations-Wahn, wenn Busenwunder X sich plötzlich als Pornoqueen herausstellt, Vollidiot Y ein schwerreicher Verbrecher und Millionär Z gar kein Millionär ist?

Ich hab das Gefühl, zwielichtige Produzenten wollen uns eins auswischen. Am Set wird sicherlich bunter Schabernack betrieben, während die Kommerzialisierung der nationalen Volksverdummung genutzt wird, um sich ein goldenes Näschen zu verdienen. Es gibt eben nichts, was es nicht gibt. Warum werden bewusst kontroverse, soziokulturell fragwürdige Handlungen, die negativen Einfluss auf Zuschauer oder unmittelbare Umgebung haben, in einer düsteren Gesellschaftskarikatur gezeichnet? Sei es auch nur, Krankheit in Form von Dummheit in die Wüste Namibias zu schicken und einem indigenen Stamm, ein groteskes Weltbild des Westens zu injizieren, sodass er sich mit unseren Fehlentwicklungen infiziert.

Oder sei es ein fragwürdiges Experiment der Soziologie ("Catch the Millionaire"), bei welchem das menschliche Balzverhalten erforscht wird. Auch wenn das Experiment nicht repräsentativ ist, da wieder einmal nur Protagonisten mit Gefrierpunkt-IQ ausgewählt wurden, ist es Indikator einer Generation menschlicher Weibchen, denen Geld, Status und Reputation vor Charakter geht. Es ist eine "Sex and the City"- und Internetgeneration voller verwaschener Hollywood-Einflüsse, die mit erfundenen, aber auch existierenden Werten aus aller Welt zugeschüttet wurde und aus der Mentalität "Ich bin der/die Größte und mir steht alles zu (bitch)", eine Persönlichkeit geformt hat.

Als nämlich dann die Bombe gezündet wurde, dass nur einer der drei Männer tatsächlich Millionär ist, waren die Damen vollends desillusioniert und wendeten sich von ihrem Favoriten ab, obwohl manche zuvor beteuerten, niemals hinter dem Geld her zu sein. Ich weiß nicht, woher die hohe Auffassung von einem selbst kommt. Dazu ist der eigentliche Millionär ein vorbestrafter Gesetzesbrecher und der andere ein ehemaliger Akteur der Pornoindustrie. Können wir damit rechnen, dass demnächst weitaus schlimmere Dinge verharmlost werden? Was soll das mir und den heimischen Rezipienten zeigen?

Ganz einfach: Diese Formate zeigen Menschen, deren Einstellungen, Perspektiven und Motive ich abgrundtief verachte. Die mich persönlich angreifen und in meinem Stolz, ein vornehmlich nachdenkliches Wesen zu sein, dass der Oberflächlichkeit den Rücken gekehrt hat, verletzen. Für mich bewegen wir uns Tag für Tag näher an jegliche Dystopien, welche pessimistische Autoren in der Vergangenheit in ihren Romanen prophezeiten.

Die Sinnlosigkeit dieser Soaps, die damit verbundene Zeitverschwendung - während ich mich genau in diesem Moment damit befasse - und die reizüberflutende Vielfalt von Wortverstümmellung und Tatsachenverdrehung, gleicht einem sich immer weiter drehenden und niemals still stehenden Karussell. Das ist doch keine Unterhaltung mehr! Die Sender sind der Initiator ja, aber die mediale Berichterstattung sind der Verteiler und der Grund, warum kommerzieller und Gehirnaneurysma verursachender Trash überhaupt existiert. Irgendwas passiert hier. Wir richten Schaden an.