Alfred Riepertinger

Autor und Leichenpräparator

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 29. Januar 2013

Erzählen Sie doch bitte etwas über sich selbst - wo wurden Sie geboren nd wo leben Sie heute?

Geboren wurde ich am 15. Januar 1955 in München. Ich lebe zusammen mit meiner Frau in Germering bei München.

Wahrscheinlich haben Sie, als Sie in der Grundschule gefragt wurden, was Sie später mal werden wollen, nicht gesagt „medizinischer Präparator". Wie entwickelt sich ein solcher Berufswunsch?

Ich hatte tatsächlich schon als Kind ein gewisses Interesse an dem Thema. Mit 16 Jahren bin ich dann durch glückliche Zufälle bei einem Bestattungsunternehmen gelandet. Von da an entwickelte sich das Ganze von selbst.

Was bedeutet „ein gewisses Interesse am Thema“? Warum haben Sie sich schon als Kind für Leichen interessiert?

Ich bin, als ich Kind war, an vielen Sonntagen mit meinem Vater nach dem Mittagessen zum Münchner Ostfriedhof spaziert, wo wir auch den Toten im Leichenhaus einen Besuch abstatteten. Der Ostfriedhof, die Särge und Leichenwagen – das alles hat eine unerklärliche Faszination auf mich ausgeübt.

In all den Jahren haben Sie über 25.000 Leichen präpariert. Erinnern Sie sich noch an die allererste?

Nein, ich habe keine detaillierte Erinnerung mehr, wer die oder der Verstorbene war. Ich hatte damals nur die Aufgabe, die Verstorbenen nach der Obduktion sauber und ordentlich zuzunähen. Auf alle Fälle war es kein Prominenter, ich hatte ja noch keinen „Namen“ in der Branche.

Bedrückt einen die Geschichte mancher Verstorbener?

Bei der Arbeit halte ich immer einen professionellen Abstand meiner Gefühle ein - sonst könnte ich die Arbeit nicht machen ohne dabei pietätlos zu sein. Der Mensch ist immer im Mittelpunkt. Trotzdem geht einem manches Schicksal durchaus nahe.

Verändert sich das Verhältnis zum eigenen Leben, wenn man permanent vom kalten Beweis des immer drohenden Todes umgeben ist?

Auf alle Fälle geht man bewusster mit seinem Leben und der Gesundheit um - den Tod dabei stets akzeptierend.

Bei der Arbeit halte ich immer einen professionellen Abstand meiner Gefühle ein. Trotzdem geht einem manches Schicksal durchaus nahe.

Wenn Sie im privaten Kreis gebeten werden, eine morbide Geschichte aus Ihrem Berufsalltag zu erzählen - welche erzählen Sie?

Wahrscheinlich gar keine - ich erzähle aus meinem Berufsalltag nur, wenn die Persönlichkeitsrechte der Verstorbenen und deren Familien nicht verletzt werden.

Haben Sie einen schwarzen Humor?

Ja, auf jeden Fall!

Im Oktober ist Ihr Buch "Mein Leben mit den Toten" erschienen. Darin erzählen Sie von den Präparationen von Rudolph Moshammer, Franz-Josef Strauß und einigen anderen Prominenten. Zu welchem Zweck haben Sie das Buch geschrieben?

Das Buch soll für all die Leute sein, die gerne einmal hinter die Kulissen eines Instituts für Pathologie schauen wollen - mit den tatsächlichen Gegebenheiten im Berufsalltag eines medizinischen Präparators.

Sie arbeiten inzwischen schon seit 40 Jahren in diesem Beruf. Hat sich da etwas verändert? Wird heute anders gestorben als früher?

Da sich die Menschen heutzutage nicht mehr mit dem Thema Tod befassen, ist das Sterben in medizinische Einrichtungen abgeschoben geworden.

Ich arbeite seit fast 36 Jahren als medizinischer Präparator, seit über 40 Jahren habe ich aber mit Verstorbenen zu tun. Da sich die Menschen heutzutage nicht mehr mit dem Thema Tod befassen, ist das Sterben in medizinische Einrichtungen abgeschoben geworden - im Kreise der Familie stirbt heute kaum noch jemand. Die Instrumente sind mit den historischen fast identisch. Allerdings sind die Materialien moderner. Früher haben wir zum Beispiel kein Silikon verwendet.

War „Mein Leben mit den Toten“ ein einmaliger Ausflug, oder planen Sie weitere literarische Werke zu veröffentlichen?

Das kommt auf das Interesse der Leser und des Verlages an.

Die Inselfrage: Welche fünf Bücher würden Sie mitnehmen?

„Kalte Chirurgie“ von Professor Wolfgang Spann, „Der Pathologe weiß alles...aber zu spät“ von Dr. Hans Bankl, „Knochenjagd“ von Kathy Reichs, „Der Grenzgänger. Begegnungen mit Gunther von Hagens“ und die gesammelten Werke von Karl Valentin.

Was lesen Sie grade privat?

„Unheil“ von Josef Wilfling.

Gibt es noch etwas, das Sie unbedingt mitteilen möchten?

Ich hätte nie gedacht, dass die Menschen so viel Interessen an der Arbeit eines medizinischen Präparators haben und dennoch viele einen ganz natürlichen Umgang mit dem Thema Tod pflegen.