Von toten Kindern, verseuchter Milch und einem Mongo

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 29. Dezember 2011

Maaskantje in den Niederlanden war bis vor fünf Jahren ein verschlafenes 1600-Seelen-Dorf in dem nie etwas geschah. Die Leute tankten an der Total-Tankstelle, die an der Straße liegt, die dem Ort seinen Namen gab, gingen ein paar Meter weiter im Jumbo-Supermarkt einkaufen, oder fuhren mit dem Bus ins übergangslos angrenzende Dorf Den Dungen. Aber 2007 waren fünf Jungs, die sich selbst „New Kids“ nannten, über's Internet so bekannt geworden, dass Comedy Central anfing, ihre auf youtube eingestellten Videos als Serie auszustrahlen. Am Osterwochenende 2011 sorgte der erste Spielfilm „New Kids Turbo“ für eine kleine Sensation an den deutschen Kinokassen. 200.000 Fans sicherten den niederländischen Prolo-Trotteln Richard, Gerrie, Rikkert, Robbie und Barrie Platz 1 der Kinocharts. Der Film, mit schmalem Budget von 1,5 Millionen Euro gedreht, wurde ein Riesenerfolg. Seit 5. Januar 2012 läuft die Fortsetzung in den Kinos. Und es steht außer Frage, dass er noch erfolgreicher sein wird, als „New Kids Turbo“.

Ein grün leuchtender Meteorit schlägt auf einer Weise in Friesland im Norden der Niederlande ein. Die Kühe lecken daran, produzieren riesige Mengen Milch und der Bauer verschenkt sie an die Friesländer. Kurz darauf sind alle Friesländer Zombies. Zeitgleich etwa 200 Kilometer südlich in Maaskantje: Alle New Kids sind arbeitslos und hängen die meiste Zeit im „Garten“ vor dem Wohnwagen von Richards Mutter herum. Zwischen Schultenbräu, Techno und illegalen Autorennen bleibt reichlich Zeit um die neue Freundin des Erzfeindes Dave aus dem Nachbarort Schijndel anzumachen. Die Regierung wird der sich immer weiter ausbreitenden Zombieplage in Friesland nicht Herr und so wendet man sich umgehend an die New Kids, die ja schon im ersten Teil die Niederlande retteten. Richard überredet inzwischen seine Mutter zur Flucht, weil es in Maaskantje zunehmend brenzlig wird. Die flieht umgehend nach, wer hätte es gedacht, Friesland. Und selbst, wenn die Regierung den Kids nicht Straffreiheit angeboten hätte, wenn sie die Seuche in Friesland eindämmen, so müssten sie ja doch dort hin, um Richards Mutter vor den wandelnden Untoten zu retten. Schwer bewaffnet mit Dosenbier, Gewehren und Testosteron ziehen sie in den Krieg gegen Friesland. Und natürlich gibt es wieder Probleme mit dem grünen Manta, mit Dave und den lieben Frauen – denn wie sich herausstellt, ist Rikkert noch Jungfrau und seine neue Freundin (Manuela ist tot) lässt ihn nicht ran.

Man sieht der Fortsetzung an, dass sie ein größeres Budget hatte, ein besseres Drehbuch und mehr Ideen. Steffen Haars und Flip Van der Kuil, die im Film Robbie und Barrie spielen, haben viel mehr von dem in das Drehbuch geschrieben, was die New Kids ausmacht – Gewalt, vor allem gegen Unschuldige, Witze über Behinderte, Sex und ausgefeilte Dämlichkeit. Noch viel mehr als „New Kids Turbo“, feiert „New Kids Nitro“ das asoziale Proletentum mit Vokuhila, Adiletten, Techno und Schultenbräu aus der Dose. Alles was schlecht war an den 90ern, wird in diesem Film persifliert. Dass es eine Persiflage und keine Hommage ist, wird klar, als die Darsteller den Film auf der Deutschlandpremiere am 4. Januar in Alsdorf präsentieren: es sind keine Spinner, die komisch reden, sondern ganz normale junge Männer um die 30, die eine tolle Idee hatten – führe den Assi vom Dorf vor, wie er lebt, liebt und leidet. Es hat funktioniert. Allerdings macht die Premiere auch klar, dass die Fangemeinde hauptsächlich aus jungen Leuten besteht, die den New Kids auch ohne Verkleidung nicht unähnlich sind. Wer verklemmt, anständig, oder einfach „normal“ ist, wird über den bodenlos derben Humor kaum lachen können - oder zumindest behaupten, er fände es nicht lustig. „New Kids Nitro“ ist eine Mischung aus „Hot Fuzz“, „Voll normaaal“, den Flodders, „South Park“ und den „Happy Tree Friends“ mit einem Schuss „Machete“ - das findet einfach nicht jeder komisch.

„New Kids Nitro“ hat dieselben Schwachstellen wie sein Vorgänger – es fehlt an einem roten Faden. Was man als Haupthandlung bezeichnen könnte, ist ein schwach konstruiertes Gerüst, das einzelne Filmclips zusammenhält. Trotzdem wird es „New Kids Nitro“ zweifellos schaffen, die Fans der Serie und des ersten Films die 98 Minuten immer wieder zum Lachen zu bringen. Die Stimmung bei der Deutschlandpremiere in Alsdorf glich einem Volksfest in einer Wohnwagensiedlung. Aber daran störte sich niemand. Wer mit dem Humor nichts anfangen kann, wird sich den Film ohnehin nicht ansehen. Es ist also durchaus zu erwarten, dass „New Kids Nitro“ ein noch größerer Erfolg sein wird, als „New Kids Turbo“. Hochschwangere Alkoholikerinnen, dahinscheidende Passanten, barbusige Prostituierte und das bluttriefende Finale sind genau das, was die Fans sehen wollen. Dass der Film eine Freigabe ab 16 Jahren erhielt, ist angesichts des Kettensägenmassakers im Zombie-verseuchten Friesland direkt überraschend, waren doch die Splattereffekte nicht grade knapp bemessen.

Es ist wie immer bei den „New Kids“ - die Geister scheiden sich. Wer schon den ersten Film mochte, wird den zweiten lieben, wer bei der Serie schon abgeschalten hat, sollte das Kino auf jeden Fall meiden. Ein dritter Film ist noch nicht geplant, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass er kommen wird und das vielleicht schon bald – mit Sicherheit viel früher, als es den Nicht-Fans lieb ist.

"New Kids Nitro" läuft ab 5. Januar in den deutschen Kinos.

Die New Kids sind zurück - mit Nitro