Nervenkitzel am Sonntagabend: Zwei Tatort-Folgen zwischen seichtem Krimi und düsterem Psychothriller

von Portrait von Lina Wemhöner Lina Wemhöner
Veröffentlicht am 6. Januar 2014

Erstmals wurde eine 41-jährige Traditionsgeschichte umgeschrieben: Der gestrige Sonntagabend wurde für den ARD-Zuschauer zum puren Nervenkitzel, indem gleich zwei spannende Tatort-Episoden ausgestrahlt wurden. Insbesondere der zweite Tatort „Franziska“ forderte den Zuschauer psychisch heraus – nicht umsonst machte das Jugendschutzgesetz der klassischen Uhrzeit einen Strich durch die Rechnung und ließ den düstersten Tatort aller Zeiten erst um 22 Uhr ausstrahlen. Aber auch der 20.15-Uhr-Tatort „Der Eskimo“ kitzelte den einen oder anderen Nerv und war mit einem gebrochenen Kommissaren, der selbst Zeuge eines brutalen Mordes wird, ein gelungener Start in einen Krimi-reichen Sonntagabend.

Der Eskimo

Ein alkoholabhängiger, frustrierter und einsamer Kommissar – Steier (Joachim Król) ist ein seelisches Wrack. Nicht nur einmal fragte man sich während des gestrigen Tatorts, wie der arme Mann noch als Ermittler tätig sein kann. Doch wer zechen kann, kann auch arbeiten: Nach einer Wodka-reichen Nacht, erwacht Kommissar Steier auf einer Parkbank und wird prompt Augenzeuge eines brutalen Mordes an einem Jogger. Damit aber noch nicht genug: Denn ein zweiter Mann wird tot aufgefunden, ebenfalls erstochen.

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Schnell stellt sich heraus, dass der ermordete Jogger ein Lehrer-Kollege von Steiers Ex-Frau war und beide Fälle miteinander verwoben sein müssen. Doch bereits das Wiedersehen mit seiner Ex-Frau wird für den Kommissaren zu einer harten Probe und schmerzhafter als gedacht. Dies ufert in der Tatsache, dass sie ihm erzählt, einen neuen Partner zu haben, der weitaus jünger ist als sie selbst. Eifersüchtig beschattet Steier den jüngeren Geliebten und macht relevante Entdeckungen.

Neben seinem Doppelleben, das der neue Partner führt, werden die Tatort-Zuschauer noch in Verhältnisse der US-Army eingeführt, verdrängte Homosexualität wird beleuchtet und ein spannendes Finale führt die einzelnen Komponenten zu einem Ganzen. Zum Teil wurde der Zuschauer zu höchster Konzentration aufgefordert, um die Sinnesstränge verfolgen zu können. Dennoch war es ein spannender Tatort-Auftakt, der durch den aufgeflammten Nervenkitzel Spannung auf die nächste Episode am gestrigen Abend machte.

Franziska

Der zweite Tatort am Sonntag ließ dem Zuschauer 90 Minuten lang keine Atempause – Hochspannung bis zum wirklich dramatischen Ende. Diese Tatort-Folge sollte der Abschied von Franziska Lüttgenjohann (Tessa Mittelstaedt), der langjährigen Assistentin der Kölner Kommissare Ballauf (Klaus J. Behrendt)  und Schenk (Dietmar Bär), sein – es wurde ein düsterer und brutaler Abschied. Doch auch eine schauspielerische Glanzleistung der Protagonisten.

Ballauf und Schenk spielten gestern nur eine Nebenrolle. Dafür standen Tessa Mittelstaedt und Hinnerk Schönemann, der den Peiniger, Vergewaltiger und Frauenmörder Daniel Kehl spielte, ganz weit im Vordergrund. Franziska engagiert sich in ihrem letzten Tatort als ehrenamtliche Bewährungshelferin und wird bei einem Besuch im Gefängnis von Kehl als Geisel genommen. Dieser will mit der Geiselnahme seine Freiheit erkämpfen, weil er mitbekommen hat, dass man ihm kurz vor seiner Entlassung zwei weitere Frauenmorde nachweisen kann.

Stundenlang quält er sein Opfer und man fragt sich immer wieder: „Tötet er oder tötet er nicht?“. Bis zum Ende läuft dieses belastende Katz- und Maus-Spiel. Es entstehen in den Momenten leise Hoffnungsschimmer, in denen Franziska versucht, die Psyche des Frauenmörders zu durchbrechen. Doch Kehl bleibt undurchschaubar und foltert Franziska mit einem Kabelbinder um ihren Hals und einem Messer.

Doch dann das Ende, mit dem vermutlich niemand gerechnet hätte: Kehl erwürgt Franziska mit dem Kabelbinder. Es wurde zu einem düsteren Abschied, der diesen Tatort von anderen unterscheiden lässt – schließlich kommen die Ermittler und Assistenten immer irgendwie mit ihrem Leben davon...

Wer sich diesen spannenden Sonntagabend noch einmal ansehen möchte, kann den Tatort „Franziska“ eine Woche lang täglich ab 22 Uhr und den Tatort „Der Eskimo“ bereits ab 20 Uhr in der ARD-Mediathek aufrufen.