„Perfect Sense“ erzählt eine Liebesgeschichte vor der Kulisse einer Pandemie

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 7. Dezember 2011

Ewan McGregor hatte Glück – obwohl Sohn zweier Lehrer, durfte er mit dem Segen seiner Eltern die Schule abbrechen, um sich der Schauspielerei zu widmen. Nach ein paar Jahren kam dann auch der erste Erfolg: „Lippenstift am Kragen“ war eine sechsteilige Miniserie, in der McGregor einen tagträumenden Übersetzer spielt, der gern mit seiner Kollegin anbandeln würde. Die Serie war wenig erfolgreich, was allerdings nicht daran lag, dass McGregor schon damals, 1993, sein Gesangstalent unter Beweis stellte - neun Jahre später sollte ihm das nämlich eine Golden Globe-Nominierung für „Moulin Rouge!“ einbringen. International bekannt wurde er durch die Hauptrolle in Danny Boyles „Trainspotting – Neue Helden“ für die er 15 Kilo abnahm und eine Nominierung für den MTV Movie Award erhielt. In seinem aktuellen Kinofilm „Perfect Sense“ jedoch, schlägt Ewan McGregor ruhigere Töne an und konzentriert sich auf eine ungewöhnliche Lovestory mit Bond-Girl Eva Green.

Es steht schlecht um die Menschheit: Eine mysteriöse Krankheit lässt die Sinne verschwinden. Zuerst verlieren die Menschen den Geruchssinn und kurz darauf den Geschmackssinn. Küchenchef Michael (Ewan McGregor) verguckt sich inzwischen in die Forscherin Susan (Eva Green). Doch die lebt eher für sich und glaubt nicht mehr so recht an die Liebe. Angesichts der Katastrophe muss Susan sich dann aber doch öffnen und geht auf Michaels Avancen ein. Natürlich macht die Krankheit auch nicht vor den beiden halt. Und da vor jedem Sinnesverlust eine starke Emotion ausbricht, bekommt Michael, kurz bevor er taub wird, einen Wutanfall, der Susan aus der Wohnung treibt. Versöhnen die beiden sich, bevor sie auch noch die Fähigkeit verlieren, zu sehen?

Pandemien, Epidemien und Seuchen sind in Hollywood an der Tagesordnung. Mindestens jedoch das Ende der Menschheit. Keine große Geschichte scheint mehr ohne Bedrohung der ganzen Welt auszukommen. Doch die Seuche ist in „Perfect Sense“ nur eine kleine Nebenrolle. Während auf der ganzen Welt Verzweiflung herrscht, legte Regisseur David Mackenzie Wert auf die kleinen Momente – besonders zwischen Susan und Michael. „Perfect Sense“ ist eine Liebesgeschichte, kein Katastrophenthriller mit Massenfluchten und Geballer. Wozu dann die Seuche als Hintergrund, mag man sich fragen. Für Drehbuchautor Kim Fupz Aakeson war es eine Notwendigkeit: „Es ist schwer, zeitgenössische Liebesgeschichten zu erzählen, denn wir sind der ganzen Klischees müde“, sagte er in einem Interview. „Das ist wie bei Popsongs – wer will noch einen zum Thema >Liebe< hören? Die Aufgabe besteht also darin, aus dieser Liebe etwas Besonderes zu machen. Inwiefern ist sie anders als alle anderen Liebesgeschichten? Heutzutage sind wir so zynisch, dass wir einen Schock brauchen, um Liebe aus einem neuen Blickwinkel zu sehen.“ Und so huldigt „Perfect Sense“ dem Leben und der Liebe. Mit ungewöhnlicher Kamera verfolgen wir Aufstieg und Fall jener zweier Liebender.

Entscheidendes Manko des Films ist es, dass die Hauptfiguren zwar gut gemeint sind, es ihnen aber letztlich an etwas Entscheidendem fehlt. Warum soll man sich von all den Menschen auf der Welt grade diese beiden ansehen? Erfüllen diese beiden Figuren die wichtigste Anforderung an Helden: etwas zu schaffen, das der Zuschauer wahrscheinlich nicht hinbekäme? Nein. Die Helden von „Perfect Sense“  sind keine Helden, sondern Passanten, deren Leben so nah an der Realität stattfindet, dass es die Grenze zur Langeweile streift. Das macht die Liebesgeschichte zwischen den beiden zwar nicht schlecht, aber ein fader Nachgeschmack bleibt dennoch. Abgesehen von den wenig einladenden Hauptcharakteren muss „Perfect Sense“ jedoch kaum Abstriche machen. Es ist eine schöne und vor allem authentische Geschichte um Menschen und ihr Verhältnis zueinander. Sei es der alberne Koch-Kollege Ewen Bremner (McGregors Co-Star in „Trainspotting – Neue Helden“), oder die Schwester mit einem offenen Ohr (Connie Nielson, bekannt aus „Gladiator“ und „One Hour Photo“) – sie alle sind lebensechte Figuren, die mit dem nahenden Unheil anders umgehen.

Anders als viele andere Endzeit-Filme, glaubt „Perfect Sense“ an das Gute im Menschen. Wo „Krieg der Welten“ und „The Road“ Mord und Totschlag prophezeiten, wo „Waterworld“ und „Mad Max“ atavistische Töne anschlugen, bleibt „Perfect Sense“ voll von Hoffnung und Optimismus. Wer will sich schon anmaßen, zu beurteilen, wie sich die Menschen im Angesicht der Vernichtung verhalten? Prügeln sie sich oder nehmen sie sich in den Arm? Wer weiß das schon? „Perfect Sense“ jedenfalls vermittelt seine Botschaft klar und deutlich und verzichtet dadurch auch auf nervende Gesellschaftskritik.

Kinostart von „Perfect Sense“ ist am 8. Dezember 2011.

Die Liebe in den Zeiten der schwindenden Sinne