Album-Erweiterung "Unter die Haut": Warum nicht einmal etwas Neues, Tim Bendzko?

von Portrait von Lina Wemhöner Lina Wemhöner
Veröffentlicht am 6. Dezember 2013

Bereits wenige Monate nach seinem Nummer-1-Album „Am Seidenen Faden“ präsentiert uns Tim Bendzko eine neue Version der Platte. Um 12 Songs wurde die CD erweitert und bietet neben brandneuen Titeln auch zahlreiche Unterstützung befreundeter Künstler. „Am Seidenen Faden – Unter die Haut Version“ (VÖ: 06.12.2013) nennt sich das Werk und verspricht vieles – nur leider nichts Überraschendes. In gewohnter „Ich muss nur noch kurz die Welt retten“-Manier säuselt Tim etwas von Liebe, Zuversicht und Herz-Schmerz. Vielleicht hätte er mit diesem Nikolaus-Präsent noch ein wenig warten sollen.

„Die Wochen nach der Fertigstellung und vor der Veröffentlichung eines Albums sind die allerschlimmsten. Deshalb hab ich beschlossen mich in dieser Zeit einfach wieder in die Arbeit zu stürzen und Songs zu schreiben.“

Hätte sich Tim noch ein wenig mehr Zeit gelassen, wäre vielleicht etwas Innovatives und wirklich Neues dabei herausgekommen. Aber so müssen wir uns mit Songs wie „Zum Greifen Nah“, „Bei Dir Sein“ oder auch „Vergiss Es“ auseinandersetzen. Allerdings zum Teil mit (halb-)prominenter Begleitung. Der letztgenannte Song soll uns dazu animieren, unsere Vergangenheit hinter uns zu lassen und alles zu vergessen. Kein Problem mit diesem Titel?

„Heute ist ein neuer Tag / Heut ist wie ein neues Leben / Alles was bisher geschah / Vergiss es, vergiss es“

Positiv wie eh und je hat Bendzko diesen Song mit Brothers Keepers-Mitglied Chima aufgenommen. Im Hintergrund laufen chillige Beats, sodass der Blick in die Zukunft doch nur freudestrahlend sein kann. Es sei denn Sie sind mit dem falschen Fuß aufgestanden und im Radio am Frühstückstisch trällert Bendzko, während draußen mieser Schneeregen wütet, dass es Zeit ist dem Tag ein Lächeln zu schenken und die Vergangenheit zu vergessen. Wieso nicht mal etwas anderes, Tim?

Vielleicht hat er sich das bei dem nächsten Song, den er gemeinsam mit Rea Garvey aufgenommen hat, auch gedacht. Mit trippelnden Beats beweist sich Bendzko erstmals mit englischen Textzeilen in „Give A Little“. Doch leider sind auch hier die Erwartungen höher als der der Gewinn. Kraftspendende Phrasen werden von „Vergiss es“ bloß in „Geh deinen Weg“ umgeändert und alles andere bleibt beim Alten.

Auch der Versuch, seine reine, spiegelglatte Oberfläche zu durchbrechen, gelingt ihm mit dem nächsten Titel nur geringfügig. Zusammen mit Newcomerin Lary präsentiert er eine Ode an die Liebe (was auch sonst?). „Bei Dir Sein“ versucht mit zarten R'n'B-Klängen die Macht der pochenden Liebe zu zeigen und das in einem harmonischen Duett:

„Ich will so was von, so was von, immer wieder bei dir sein“

Auch weitere Songs wie „Nach Gold Graben“ und „Noch Nie“ können uns keine fremden und noch unbekannten Seiten von Tim Bendzko darbieten, sodass es insgesamt leider wenig authentisch klingt.

Album-Erweiterung "Unter die Haut": Warum nicht einmal etwas Neues, Tim Bendzko?

Als einziger Lichtblick erscheint dann nur noch Cassandra Steen. Die Glashaus-Frontsängerin sorgt  mit etwas Schwung für Leben auf dem Album. Angeblich sei der Titelsong „Unter die Haut“ bei Kaffee und chinesischem Essen in Bendzkos Wohnung entstanden. Vielleicht tat ihm dieses lockere Ambiente gut, seine immer gleichen Textzeilen aus dem Kopf zu verbannen. Wir können nur hoffen, dass viele weitere Meetings in entspannter Atmosphäre folgen.

Geht man mit nicht zu vielen Erwartungen an das Album heran, wird man auch nicht enttäuscht. Aber es macht einen auch nicht glücklich. Wir erleben Tim Bendzko in seiner altbekannten Manier, in der uns positive Textzeilen vorsäuselt und die ausschließlich positive Zukunft herbeisingt. Leider fehlt die Authentizität und die Echtheit in seinem Gesang. Vielleicht hätte er sich ein wenig mehr Zeit für die Erweiterung des Albums nehmen sollen und tief in seinem Inneren nach den richtigen Worten suchen sollen. Wir müssen also weiter auf die „Unter Die Haut“-Momente warten.