Tim Boltz a.k.a Zeno Diegelmann

Comedy- und Krimi-Autor

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 8. April 2013

Erzähl doch bitte etwas über Dich selbst.

Geboren und aufgewachsen bin ich im osthessischen Fulda nahe der damaligen deutsch-deutschen Grenze. Grenzerfahrungen waren also schon immer eine wichtige Sache für mich (lacht). Nach einer grundsoliden Ausbildung zum Kaufmann und einem Sportstudium lebte ich einige Zeit in den USA und in München. Dann bin ich zurück nach Hessen, genauer gesagt nach Frankfurt, gezogen. Dort lebe ich auch heute noch und fühle mich sauwohl. Frankfurt verbindet viel Widersprüchliches auf engstem Raum: Die Hochfinanz und das Theater liegen direkt neben dem Drogenmileu und dem Rotlichtviertel. Arm und Reich fallen sich hier zwangsweise in die Arme. Oder den Rücken. Je nachdem. Zum Schreiben sind diese Reibungspunkte jedenfalls ideal. Ich bin mittlerweile ein echter Frankfurter mit Eintracht-Schal und übersäuerter Äppelwein-Leber.

Wikipedia kennt Dich unter Zeno Diegelmann mit dem Pseudonym Tim Boltz, Dein Verlag kennt Dich unter Tim Boltz mit dem Pseudonym Zeno Diegelmann – wie lautet denn nun Dein eigentlicher Name?

Da bin ich mir mittlerweile selbst nicht mehr so ganz sicher. Zeno Diegelmann, Tim Boltz, Robert Süßemilch...ich bin inzwischen schizophren genug um auf alles zu reagieren. Du kannst mich also rufen wie du willst, ich dreh mich wie ein gut dressierter Hund nach allem um, was phonetisch einigermaßen ähnlich klingt.

Apropos Robert Süßemilch: In „Weichei“ und „Nasenduscher“ sind wir jenem Antihelden begegnet, der mit seinen infantilen Anwandlungen so manches Chaos verursacht und dabei trotzdem liebenswert ist. Wie autobiografisch ist die Figur des Robert Süßemilch?

(lacht) Warum werde ich das eigentlich immer wieder gefragt? Nun ja, natürlich fließt immer viel Persönliches mit in die einzelnen Charaktere ein. Aber wenn ich all das selbst erlebt hätte, was Robert Süßemilch durchmacht, hätte ich mich wahrscheinlich schon vor Scham im Stadtwald vergraben. Allerding sind tatsächlich einige Situationen in die Robert schliddert, so oder so ähnlich mir oder Freunden passiert. Eigentlich kennt sie sogar fast jeder, nur lässt uns der gesunde Menschenverstand immer rechtzeitig die Reißleine in solchen Situationen ziehen. Robert macht das nicht, er geht immer den einen Schritt weiter, den wir niemals gehen würden. Das macht das Ganze gleichfalls authentisch wie skurril.

Der dritte Roman um Robert, „Linksträger“, steht schon in den Startlöchern und erscheint im Juni. Dieses Mal will Robert eine Hochzeit verhindern, indem er nachweist, dass der Bräutigam schwul ist. Wird Robert denn nie erwachsen?

Wir lechzen doch alle danach, öfter mal ein wenig auszubrechen und verrückt sein zu dürfen.

Ist das denn so erstrebenswert? Wir lechzen doch alle danach, öfter mal ein wenig auszubrechen und verrückt sein zu dürfen. Die erfolgreichsten Bücher und Filme der letzten Jahre hatten fast ausnahmslos mit Fluchten in Traum- oder Scheinwelten zu tun: „Avatar“, „Der Herr der Ringe“, Harry Potter, „Shades Of Grey“. Ein wenig mehr kindliches Gemüt und Neugier würde uns allen ganz gut tun. Und die Frage aus „Linksträger“, ob Männer ihre primären Geschlechtsorgane links oder rechts tragen und was das bedeuten könnte, ist doch eine spannende Frage, der man...sagen wir mal...auf den Grund gehen muss. Die Leser können sich also auf so spannende Trage-Positionen wie das Chamäleon, den Führer oder den Graf von Monte Christo freuen. Ich war selbst erstaunt wie unterschiedlich unsere besten Stücke teilweise verpackt werden.

Wird es weitere Romane mit Robert geben?

„Linksträger“ ist der letzte Teil der Robert-Süßemilch-Trilogie. Er wird Vater und heiratet. Beides ein Parkett auf dem ich bislang nicht getanzt habe und somit keine Erfahrungen habe. Was soll ich da schreiben? Wobei mir der Kerl in den letzten Jahren schon ans Herz gewachsen ist. Immerhin haben wir viel Zeit miteinander verbracht und intensive Stunden miteinander verlebt. Das hatte schon etwas Beziehungsähnliches: Manchmal konnte man den anderen nicht mehr ertragen, raufte sich dann aber doch immer wieder zusammen und hat so viele gemeinsamen Nächte miteinander verbracht.

Angefangen hast Du als Krimi-Autor, inzwischen bist Du aber zu humoristischen Romanen übergegangen. Liegt Dir Komödie mehr als Tragödie?

Nein, so würde ich das nicht ausdrücken. Ich bin eben neugierig und probiere mich gerne aus. Ende diesen Jahres erscheint noch der erste Teil einer neuen Krimi-Trilogie, sowie ein Weihnachts-Ratgeber. Aber in der Tat bin ich erst durch die Comedyromane einem breiteren Publikum bekannt geworden. Dennoch werde ich auch weiterhin die verschiedenen Genres beackern. Es ist wahnsinnig spannend nach einem Krimi mit Mord und Blut wieder einen lustigen Plot zu stricken. Das hat fast therapeutische Züge.

Der Inspiration zu „Linksträger“ liegen keine autobiografischen Züge seitens des Autors zugrunde. Wobei...Moment, ich schau mal schnell nach...

Ist man nach so vielen Veröffentlichungen überhaupt noch aufgeregt, bevor ein Roman erscheint?

Auf jeden Fall. Es wird sogar eher noch schlimmer. Beim ersten Buch erwartet ja noch niemand etwas von dir. Nach „Weichei“ und „Nasenduscher“, die beide sehr erfolgreich waren, sind die Ansprüche der Leser und auch meine eigenen nun natürlich größer. Das schlimmste ist aber immer der Erscheinungstermin. Ab da gibt es kein Zurück mehr. Ab da bist du nämlich absolut machtlos und sitzt stumm vor'm Rechner und gibst dich weidwund den Kritiken preis. Auch wenn ich da bislang immer Glück hatte - es ist ein Scheiß-Gefühl. Es macht sich wohl kaum einer Gedanken darüber, wie sehr sich ein Autor mit seinem Werk identifiziert und wieviel Arbeit und Herzblut darin steckt. Selbst wenn es einem als Leser oder Kritiker nicht gefällt, sollte man das nicht vergessen und zumindest die monatelange Arbeit respektieren.

Wer sind Deine literarischen Vorbilder?

Vorbilder habe ich eigentlich keine und ich will auch gar nicht jemandem nacheifern. Natürlich gibt es immer wieder grandiose Plots, Cliffhanger oder Charaktere die mich in Büchern beeindrucken. Aber Vorbilder? Nein, da versuche ich mein eigenes Ding zu machen. Allerdings hätte ich gerne die Auflagenstärke eines Dan Brown oder einer J.K. Rowling (lacht).

Die Inselfrage: Welche fünf Bücher würdest Du mitnehmen?

Ein Telefonbuch um all meine Freunde anzurufen, damit ich nicht mehr ganz so allein bin und mir abends eine Pizza bestellen kann. Ach ja, und natürlich meine eigenen Bücher, dann käme ich endlich mal dazu sie zu lesen - das ist kein Witz. Nachdem sie gedruckt und ausgeliefert waren, habe ich sie einmal angefasst und danach ins Regal gestellt. Ich bin bis heute einfach noch nicht dazu gekommen. Ich habe aber gehört, dass sie gar nicht so schlecht sein sollen.

Was liest Du gerade privat?

Bei Krimis lese ich gerne John Katzenbach. Er kreiert tolle Charaktere und Beschreibungen, ohne damit den Leser detailverliebt über Seiten zu quälen oder zu langweilen. Als letztes habe ich aber „Er ist wieder da“ von Timur Vermes gelesen. Sprachlich toll, gut recherchiert, witzig und mit sehr feiner Feder geschrieben. Er schafft es den Leser immer wieder zu einem Lachen zu verführen. An machen Stellen sogar so sehr, dass einem das Lachen fast im Hals stecken bleibt. Ich finde es war Zeit für dieses Buch und den Beitrag den es leistet, dass unsere Generation sich endlich frei vom letzten Rest vererbter Schuld macht.

Gibt es noch etwas, das Du unbedingt mitteilen möchtest?

Ja, bevor die Frage im nächsten Interview gestellt wird und ich bin mir sicher, sie wird kommen: Der Inspiration zu „Linksträger“ liegen keine autobiografischen Züge seitens des Autors zugrunde. Wobei...Moment, ich schau mal schnell nach...