Spieltrieb

Singer/Songwriter-Duo aus Oldenburg

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 8. Juni 2012

Erzählt doch bitte etwas über Euch selbst.

Philipp: Ich wurde am 18.04.1981 in Braunschweig geboren, bin ab dem 12. Lebensjahr einige Male innerhalb Niedersachsens umgezogen und lebe seit 2002 in Oldenburg. Dort habe ich mein Studium begonnen, das ich Anfang 2009 abgeschlossen habe. Da ich mich in der Stadt immer sehr wohl gefühlt habe, wohne ich dort immer noch. Bislang nur in Wohngemeinschaften, mal größer, mal kleiner, momentan zu zweit.

Lennart: Ich bin 1979 geboren und anschließend in Wolfsburg aufgewachsen. 2001 hat es mich zum Studium nach Oldenburg verschlagen. Das war offensichtlich eine gute Wahl, denn dort habe ich Philipp kennengelernt und „Spieltrieb“ ist entstanden. Derzeit wohne ich in einer Wohnung auf einem Resthof im Hamburger Umland. Vor meinem Haus steht eine Haltestelle des Hamburger Verkehrsverbunds an der ich noch nie einen Bus habe halten sehen. „Mitbewohner“ sind meine Vermieter, die Freunde aus Jugendtagen sind, Ziegen, Schafe, Pferde und Katzen. Im Sommer ziehe ich ins Bremer Umland, weil ich dort eine neue Stelle bekommen habe.

Musik zu machen ergibt sich, so wie man beginnt, Pizza zu mögen oder Fußball zu spielen.

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, Musik zu machen?

Philipp: Na ja, man kommt ja nicht einfach so auf die Idee. Das ergibt sich, so wie man beginnt, Pizza zu mögen oder Fußball zu spielen. Ich habe einfach Lust auf Gitarre gehabt, es mir im Wesentlichen selbst beigebracht und begonnen, Lieder nachzuspielen und irgendwann dann auch selbst welche zu schreiben. Da hat man dann Vorbilder, Inspiratoren, etc. wie in meinem Fall z.B. Reinhard Mey, Rio Reiser, „Joint Venture“ oder die „Monsters of Liedermaching“. Man findet halt etwas gut und will es dann auch machen, zumindest so ähnlich, auf seine eigene Art.

Lennart: Ich habe mit etwa 10 Jahren angefangen, selbst Musik zu schreiben. In meinem Elternhaus gab es ein Klavier, ein Keyboard, eine Gitarre und mit diesen Instrumenten habe ich rumexperimentiert. Bei der Gitarre bin ich dann gelandet. Und ja, das ergibt sich wirklich einfach so.

Was macht Eure Arbeit aus – gibt es einen typischen Alltag?

Lennart: Da ich derzeit Lehramtsreferendar bin, gibt es keinen typischen Alltag. Meine Tage bestehen aus zersplitterten Terminen im Studienseminar und in der Schule und davor, dazwischen und danach Zeit, die ich am Schreibtisch verbringe.

Philipp: Ich bin seit Anfang 2011 in einer Musikschule tätig und versuche, jungen Menschen das Gitarrespielen beizubringen. Da bin ich drei Nachmittage in der der Woche und bereite den Unterricht zu Hause am Schreibtisch vor. Man sollte meinen, da bleibt noch viel Freizeit, aber ich staune selbst, was es immer zu tun gibt. Seit einem Jahr spiele ich in einer Reggae-Backing-Band. Eine Backing-Band zeichnet sich dadurch aus, dass sie keinen eigenen Sänger hat, sondern für verschiedene Artists oder auf Festivals die Live-Band darstellt. Das bedeutet, dass man im Prinzip für jeden Auftritt ein neues Programm vorbereiten und proben muss. Das ist sehr zeitintensiv. Mein typischer Alltag beginnt also am Schreibtisch und endet entweder in der Musikschule, im Proberaum oder im Backstagebereich und Hotelzimmern.

Wie schwierig war es, als neue Band Fuß zu fassen?

Lennart: Haben wir das? Was heißt es überhaupt, Fuß zu fassen? Wir haben unser Ding gemacht, unabhängig vom Markt. Und es gibt Menschen, die unsere Musik mögen und zu unseren Konzerten kommen. Das ist toll. Und dafür, dass uns ein paar Leute kennen, sind wir zwei Jahre lang durch Deutschland gefahren. Da wir nur wenig mediale Unterstützung haben, ist es nach wie vor schwierig als Band Fuß zu fassen.

Philipp: Ich denke, es ist für jeden Künstler oder Musiker erst mal schwierig, da es, egal in welchem Genre, immer viele andere gibt, die es auch versuchen und mindestens genau so gut sind. Da gehört dann vor allem Ausdauer und natürlich auch eine Portion Glück dazu, bis man sich durchsetzt. Zur rechten Zeit am rechten Ort mit den richtigen Ideen.

Im Moment pausiert ihr mehr oder weniger. Was ist Euer nächstes Projekt?

Philipp: Ich für meinen Teil habe ja in der Pause ziemlich viel gespielt. Entweder solo oder zusammen mit einem anderen Oldenburger Liedermacher namens Onkel Hanke. Außerdem bin ich wie bereits erwähnt seit einem Jahr Gitarrist der Reggae-Backing-Band „Boomrush Backup“, die mir ermöglicht hat, mit einigen namhaften Sängern der deutschen und internationalen Reggaeszene zu spielen. Das war und ist sehr spannend für mich und wird mich auch diesen Sommer noch gut auf Trab halten. Was mit Spieltrieb passieren wird, das wissen wir derzeit selbst nicht so genau. Fest steht, dass es uns weiterhin geben wird und, dass wir live auftreten werden. So wie es halt passt, denn fest steht wohl auch, dass wir „normalen“ Jobs nachgehen und Musik eher nebenbei machen werden, was ja nicht heißt, dass man nicht mal wieder ne kleine Tour oder ein neues Album macht. Unsere kleine Pause ist nun vorbei und wir werden uns in drei Wochen bei Lennart auf dem Lande möglichst unverkrampft zusammensetzen und uns wieder aufeinander eingrooven, also mal wieder alte Lieder spielen, neue schreiben, bzw. arrangieren oder uns vielleicht einfach nur betrinken und einfach ein nettes Wochenende zusammen haben. Wir haben uns in der letzten Zeit ja wirklich kaum gesehen und müssen wieder zueinander finden. Ich bin mir aber sicher, dass das recht schnell gehen wird.

Was mit Spieltrieb passieren wird, das wissen wir derzeit selbst nicht so genau. Fest steht, dass es uns weiterhin geben wird und, dass wir live auftreten werden.

Lennart: Mein nächstes Projekt ist mein zweites Staatsexamen Mitte Juni. Dann das Einleben in die Herausforderungen die eine volle Stelle als Lehrer mit sich bringt.

Ihr seid zwei Jahre mit einem alten Wohnmobil durch Deutschland getourt. Erzählt uns davon.

Lennart: Es war laut, es war lahm, es war eng. Und es war eine verdammt schöne Zeit. Unterhalb des Existenzminimums zwei Jahre durch Deutschland zu tingeln ist spannend, aufregend, bildend. Man lernt etwas über sich, über den Mitmusiker, über die Menschen in diesem Land und über Landschaften, Gegenden, Mentalitäten. Es ist eigentlich unfassbar viel, was man während eines solchen Roadtrips mitnehmen kann, dass es einiger Zeit bedarf, das alles zu verarbeiten.

Philipp: Ich bin froh darüber und ehrlich gesagt auch etwas stolz darauf, dass wir den Mut hatten, so etwas unkonventionelles zu tun. Diese Erfahrung kann uns niemand mehr nehmen. Klar, wie Lennart schon sagt, es war sehr eng im Wohnmobil und es war finanziell immer sehr ungewiss. Wir wussten nie, ob wir genug Geld zum Leben für den nächsten Monat verdienen würden. Ich habe mich aber in gewissen Momenten immer wieder unglaublich frei und unabhängig gefühlt und war in diesen Momenten sehr glücklich. Er erinnere mich an zahlreiche verkaterte Spaziergänge in fremden Städten, die ich sehr genossen habe. Wir haben viele nette Leute kennen gelernt und das nicht immer nur flüchtig. Es gibt z.B. eine WG in Leipzig, bei der wir regelmäßig eingekehrt sind und die uns immer offenherzig empfangen hat. Zu dieser WG gehört übrigens auch Sven, der unsere Pressefotos gemacht hat.  

Ich habe mich aber in gewissen Momenten immer wieder unglaublich frei und unabhängig gefühlt und war in diesen Momenten sehr glücklich.

Wie würdet Ihr Eure Musik und Eure Auftritte beschreiben?

Lennart: Unsere Musik ist handgemachte Musik, im Wesentlichen serviert mit zwei Stimmen und zwei Gitarren. Wir spielen gern mit Genreklischees, ohne ausschließlich am Klischee zu kleben. Alles in allem machen wir eine bunte musikalische Mischung. Live bestechen wir durch Echtheit und Nähe. Keine Pyro- oder Lichtshow, sondern wir zwei, auf Barhockern mit den Gitarren. Das ist das Programm. Wir ziehen uns auch nichts besonderes an oder so. Die Magie des Konzerts entsteht aus seiner Einfachheit. Wir kommen auf die Bühne und jeder kann sich damit identifizieren. Da kommen zwei ganz normale Typen – genau wie sie auch im Publikum sitzen. 

Philipp: Besser hätte ich es nicht beschreiben können. 

Wo hattet Ihr Euren merkwürdigsten Auftritt?

Lennart: Auf dem Weihnachtsmarkt in Wolfsburg. Wir wussten vorher, dass wir ignoriert werden würden, aber die Gage stimmte und wir brauchten das Geld. Also haben wir zugesagt. Nach der Hälfte des Sets bat der Festzeltbetreiber den Veranstalter, uns zu sagen, dass wir bitte aufhören sollten, wir vertrieben die Gäste. Immerhin gab es dennoch die volle Gage.

Philipp: Und immerhin waren wir dann früher zu Hause. Wir haben im Haus von Lennarts Mutter übernachtet und dort begann ich dann noch ein Lied zu schreiben, das es dann später sogar auf ein Album geschafft hat.

Ihr habt von Balladen wie „Alter Mann“ über Kneipenlyrik wie „Marlborough Hair“ bis zu Gesellschaftskritik wie „Student 2010“ alles geschrieben. Was ist Euer bevorzugtes „Genre“?

Lennart: Mir persönlich ist es am liebsten, wenn es mir gelingt, ein ernstes Thema sozusagen in einen Wattebausch zu hüllen. Erst setzt sich das Lied in des Hörers Kopf fest und dann der dahinter stehende Gedanke. Aber es wäre langweilig jedes Lied so zu schreiben.

Philipp: Ich denke, dass gerade die Vielfalt und Abwechslung spannend ist. Musikalisch wie textlich. Ich möchte, dass die Konzertbesucher eine gute Zeit haben. Da kann auch das von Dendemann so schön formulierte Rezept „Stumpf ist Trumpf“ mal gelten. Wir wollen aber auch, dass die Zuhörer was mitnehmen. Einen Gedanken, ein Gefühl, was auch immer. Toll ist es, wenn sich die Menschen in unseren Liedern wiedererkennen. Wir überraschen dann auch mal gerne mit Balladen wie „Alter Mann“ kurz bevor wir dann wieder Quatsch machen. Wechselbad der Gefühle, so wie im echten Leben.

Spieltrieb

Wie schreibt Ihr Eure Songs? Klimpert Ihr ein bisschen auf der Laute und wartet auf die Inspiration?

Lennart: Im Grunde genommen ist es genau so.

Philipp: Wenn ich wüsste, wie das geht und den Prozess genau beschreiben könnte, würde ich viel mehr Lieder schreiben (und das Rezept sicher nicht verraten). Es fängt eigentlich mit einer kleinen Melodie oder Textzeile an, die den Anstoß gibt. Man kommt eher zufällig darauf. Dann versucht man, den Faden weiter zu spinnen und entweder gelingt es oder nicht. Bei mir ist es jedenfalls so. Etwas Handwerk gehört sicher auch dazu. Man weiß ja, wie Songs funktionieren und kann dann einschätzen, wann beispielsweise eine Bridge angebracht ist oder wann die Pointe kommen sollte. 

Ihr habt bisher etwa alle zwei Jahre ein neues Album herausgebracht. Bisher sind es fünf. Wird es ein sechstes geben? Und wenn ja: wann?

Philipp: Keine Ahnung, mal schauen...

Lennart: Ich bin fest davon überzeugt, dass es ein sechstes Album geben wird. Wie das aber klingt und was drauf ist, welche Art von Musik wir da machen und wann es erscheinen wird, das steht noch in den Sternen.

Wenn Ihr einen anderen Beruf hättet wählen müssen, welcher wäre das?

Lennart: Ich habe einen anderen Beruf. Und mit dem bin ich ziemlich zufrieden, auch wenn ich da noch reinwachsen muss wie jeder Berufsanfänger.

Philipp: Zum Glück ergibt sich im Leben ja auch vieles von selbst. Den Job in der Musikschule habe ich angeboten bekommen und angenommen. Genau so war es mit der Reggaeband. Ebenso kann sich auch wieder was neues ergeben. Wenn ich aber ehrlich bin, hatte ich noch nie das echte Bedürfnis, einen bestimmten Beruf auszuüben. Ich beneide Menschen, die wissen, was sie wollen und in ihrem Beruf glücklich sind.

Gibt es noch etwas, das Ihr unbedingt mitteilen möchtet?

Lennart: Nein.

Philipp: Nö.