Peggy Sugarhill

Rockabilly-Sängerin

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 7. Juli 2012

Erzähl doch bitte etwas über Dich selbst.

Ich wurde in Köln geboren und lebe hier im Agnesviertel, zusammen mit meinem Freund, der ebenfalls Musiker ist, und unserer kleinen Tochter, die 2010 geboren wurde. Durch meine tschechisch-litauischen Eltern war ich oft im Ausland und kann mir auch gut vorstellen, einmal  ganz woanders zu leben. Aber bisher gab es noch keinen Grund, das zu tun und ich bin meinem geliebten Köln treu geblieben. Ich mache seit meinem zwölften Lebensjahr aktiv Musik, habe eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin gemacht, aber die Musik blieb seit meiner Kindheit ein Zentrum meines Lebens.

Was gefällt Dir an Köln am besten?

Die köl'sche Lebensart, der Dom und der Rhein.

...wenn man sich berufen fühlt, dann muss man diesen Weg auch weitergehen, sonst wird man nicht glücklich.

Wie bist Du zu Deiner Berufung gekommen?

Das kam durch meinen musikalischen Werdegang als Teenager: Mit zwölf war ich begeistert vom mehrstimmigen Sound der 50er-Jahre-Girlgroups, wer kennt nicht „The Chordettes“, oder auch „The Andrew Sisters“, geil! Sowas habe ich mit meinen ebenfalls gesangswütigen Freundinnen nachgesungen. Elvis, Chuck Berry und Little Richard sind noch immer meine Idole. Mit knapp 15 Jahren bin ich in eine Schulband eingestiegen. Dort kam das Songwriting und Arrangieren dazu, vor allem das ganze in einer Band zu lernen und auch Songs gemeinsam zu schreiben, das war wirklich großartig. Nach der Schulzeit arbeitete ich auch für andere Bands, sang auf Festivals und in Studios.

Ich hatte Angst, den Spaß an der Musik zu verlieren, wenn ich mich verpflichten würde, ausschließlich damit mein Geld verdienen zu müssen und so verdiente ich meinen Lebensunterhalt als Angestellte im Büro. Dass ein Beruf aber auch was mit Berufung zu tun hat, das ist mir vor allem dieses Jahr klar geworden. Und wenn man sich berufen fühlt, dann muss man diesen Weg auch weitergehen, sonst wird man nicht glücklich. Deshalb setze ich jetzt alles auf eine Karte und arbeite nur noch für mich und meine Musik.

Rockabilly wurde in den 70ern von Synthesizern und der späteren Punk-Bewegung verdrängt. Jetzt, da auch Techno vorbei ist, wird Rockabilly ganz langsam wiederentdeckt. Am bekanntesten sind in Deutschland „The Baseballs“ und „Dick Brave & The Backbeats“. Was glaubst Du, warum Rockabilly wieder modern wird?

Musik geht immer in die Seele, die dafür empfänglich ist und weckt das, was darin schlummert. Rockabilly hat eine Energie, die sehr direkt und positiv ist, sie geht einfach gnadenlos ins Herz, als nächstes sofort in die Beine. Mode, Formen und Farben der Ursprungszeit des Rockabilly, den 50er Jahren und dem, was die 80er daraus machten, faszinieren immer noch viele Menschen. Der Groove und der Sound im Rockabilly versprühen ein gutes Gefühl und erinnert die Leute an den Charme einer aufregenden, reizvollen und aufblühenden Zeit. Das hat einen besonderen Zauber wie in einem Märchen und man geht auf eine kleine Zeitreise damit. Manche machen das nur auf Konzerten und die anderen integrieren das komplett in ihr Leben mit allem drum und dran. 

Der Groove und der Sound im Rockabilly versprühen ein gutes Gefühl und erinnert die Leute an den Charme einer aufregenden, reizvollen und aufblühenden Zeit.

Fiese Stimmen behaupten nach wie vor, Rockabilly wäre tot. Dein Kommentar?

Bullshit.

Was reizt Dich so an dieser Musikrichtung, die ihren Höhepunkt lange vor Deiner Geburt hatte?

Das hat wohl etwas mit meiner Berufung zu tun. Es  gibt zwar viel gute Musik, die mich berührt und die ich toll finde. Beim Rockabilly spüre ich aber vor allem mich selbst. Damit lasse ich alles raus, was in mir drin ist. Das spiegelt mein Inneres. Diese Musik liegt mir am meisten, egal ob ich sie mache oder höre, das versetzt mich in Euphorie und in ein Glücksgefühl, dass ich manchmal sogar heulen könnte.

Peggy Sugarhill

Wie sieht Dein Alltag als Musikerin aus?

In meinem Alltag manage ich mich selbst. Ich mache alles - von der Erstellung und Aktualisierung der Homepage über Bürokram fürs Booking und Gigabwicklung, Marketing bis hin zum Songwriting und der kompletten Organisation und Zeitplanung mit der Band. Mit einem knapp zwei Jahre alten Kind sind all diese Dinge schwer zu schaffen, wenn man zudem noch halbtags im Büro arbeitet. Ich war da natürlich sehr froh, dass BEAR FAMILY RECORDS 2011 mein erstes Album „Rockabilly Music Is Bad Bad Bad“ herausgebracht hat und mir als weltweit führendes Label für Rock ’n’ Roll damit eine Art Ritterschlag verpasst hat. Allerdings habe ich mich nach der Geburt meiner Tochter mit dem Musikalltag zu sehr unter Druck gesetzt und hatte dann vor einem Jahr auch noch einen Schlaganfall. Das zog mir alles unter den Füßen weg, es geschah auf der Bühne mitten in der Zeit meiner ersten Tour zur CD-Veröffentlichung. Heute bin ich dankbar, dass das passiert ist, aus vielerlei Gründen. Ich hatte großes Glück und habe mich ganz gut erholt. Jetzt will ich meine Energie nur für das einsetzen, was mir wichtig ist. Ich habe eine neue Band um mich geschart, eine komplett weibliche Rockabilly-Band und nach unseren ersten Gigs sind wir alle heiß auf viel mehr. Aber ich schiele schon nach Partnern, damit ich mich hauptsächlich nur um die Musik kümmern kann. Da bin ich noch auf der Suche.

Jetzt will ich meine Energie nur für das einsetzen, was mir wichtig ist.

Woher kommt Deine Inspiration? Klimperst Du ein bisschen auf der Gitarre und dann kommt irgendwann die Eingebung?

Die Eingebung kommt vor allem, wenn ich in Bewegung bin. Vor allem auf dem Fahrrad, auch öfter im Auto. Da kommen mir Melodien für Gesang, Bass oder Gitarre und Grooves in den Kopf. Ich singe oder spreche die Ideen auf mein Handy und benutze das dann, um Songs daraus zu machen.

Wie schwierig war es, als neue Musikerin Fuß zu fassen? Musstest Du anfangs in kleinen Kaschemmen auftreten, wo bestenfalls Freigetränke für Dich raussprangen?

Ich hatte das Glück, mit einem Großteil der „Backbeats“ meinen Start in 2008 machen zu können. Die Jungs waren als „Backbeat Trio“ in der Dick-freien Zeit unterwegs und da ich einige von ihnen kannte, fragte ich in einem beherzten Moment, ob sie nicht mal mit mir spielen wollen, damit ich meine Ideen ausprobieren kann. Nach einer ersten Probe waren wir alle angefixt und spielten bis Ende 2010 auf verschiedenen Bühnen, mal mit kaum, mal mit mehr Gage. Dazu gehörten Kaschemmen und Clubs genauso wie Stadtfeste und Festivals. Ich finde so eine Mischung gut und wichtig und solange man vor allem das liebt, was man da macht und fest daran glaubt, dass mehr draus wird, dann ist das schon viel wert.

Was ist Dein nächstes Projekt?

Einfach weitermachen mit meiner neuen Band, „The Eldorado Tigerettes“.

Hast Du ein Bandmotto?

Ich habe nicht das Gefühl, dass ein Leben woanders und zu einer anderen Zeit besser wäre. Jedes Leben hat ja seine spezielle Herausforderung.

Ein Motto wird sich noch herauskristallisieren. Wir spielen ja erst seit Anfang des Jahres in dieser Besetzung zusammen. Wir haben aber jede Menge Spaß und vor allem noch viele verrückte Ideen für die Zukunft. Da wird sich schon ein Motto finden.

Wie würdest Du Deine Musik und Deine Auftritte beschreiben?

„New Rockabilly“ nennen wir unsere Musik. Das steht für die typischen Rockabilly-Elemente mit den einschlägigen Grooves und Sounds an der Gitarre, am Kontrabass und Schlagzeug. Dazu kommt modernes Songwriting, auch mit abwechslungsreicheren Sounds vom Keyboard, die zwischendurch einfliegen, wir benutzen Elektrosamples, Geigen und andere Instrumente, die uns gefallen und haben viele dreistimmige Arrangements. Diesen Style habe ich auch schon auf meiner Debüt-CD eingeläutet, mit dem Song „Eldorado Lost“. Da wir insgesamt mit fünf ausgesprochenen Individualisten auf der Bühne stehen, sind unsere Auftritte optisch und akkustisch sehr abwechslungsreich. Das macht nicht nur uns, sondern auch dem Publikum viel Spaß.

Wenn Du einen anderen Beruf hättest wählen müssen, welcher wäre das?

Lehrerin. Das wollte ich schon als Kind sein; mein Opa war das große Vorbild.

Mit was kommst Du gar nicht zurecht – sei es beruflich oder privat?

Selbstgefällige Fehleinschätzungen.

Wenn Du Dir aussuchen könntest, wann und wo Du geboren worden wärst, wann und wo wäre das?

Das wäre dann doch wohl dieses aktuelle Leben. Ich habe nicht das Gefühl, dass ein Leben woanders und zu einer anderen Zeit besser wäre. Jedes Leben hat ja seine spezielle Herausforderung. Vielleicht wäre ich gerne mit mehr Natur groß geworden, einer Farm in Neuseeland, Irland, Kanada – ach, ich könnte mich nie entscheiden, glaube ich. Ich fände eine Zeitreise viel spannender und da würden mich natürlich die 50er /60er Jahre besonders reizen oder auch die 30er und paar Epochen davor.

Gibt es noch etwas, das Du unbedingt mitteilen möchtest?

Ich suche mit meiner Familie dringend eine Dreizimmer Altbauwohnung in Köln. Wir werden wahnsinnig bei diesem Immobilienmarkt und unserer kleinen Zweizimmer Wohnung. Oder gibt es irgendwo eine Rockabilly-WG mit Familienoption?