Mathias Haas

Unternehmer

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 27. August 2012

Erzähl doch bitte etwas über Dich selbst.

„Der Trendbeobachter“ steht auf einer soliden Basis: Bei mir als Stuttgarter mit Leib und Seele standen am Anfang ganz klassisch Bank & BWL. Danach - vor meiner Arbeit als Redner und Moderator - habe ich etwa hundert Markteinführungen begleitet. Mein Ziel ist es, Menschen zu „aktivieren“. Aber eben nicht als Ego-Trip.

Du bist „Trendbeobachter“. Wie wird man das und was macht man dabei?

Ich sage den Unternehmen also, wo sie in ein paar Jahren stehen könnten und welche aktuellen Trends sie nutzen können oder vielleicht sogar müssen, wenn sie nicht hinter der Konkurrenz zurückbleiben wollen.

Anlass war meine Weltreise – einmal außen rum, ohne Flugzeug. Dabei wurde mir bewusst,  dass „Veränderung“ ziemlich stressen kann: Im Kleinen, also im Privaten, aber auch (und ganz besonders) im großen Rahmen, also im Unternehmen. Klar ist, dass es nicht an Informationen über die Welt, über Dinge und Veränderungen mangelt, sondern daran, wie wir diese Veränderungen und Trends ins alltägliche Leben übertragen. Und wenn man etwas nicht ins alltägliche Leben übertragen kann, weiß man auch nicht, wie man es in die Wirtschaft überträgt und sich zu Nutze macht, ergo steht man dann als Führungsperson dumm da, wenn auf einmal alle mit facebook arbeiten und man selbst noch auf der Schreibmaschine tippen lässt. Als Redner und Moderator arbeite ich die Relevanz und die möglichen Reaktionen auf neue Trends heraus. Ich sage den Unternehmen also, wo sie in ein paar Jahren stehen könnten und welche aktuellen Trends sie nutzen können oder vielleicht sogar müssen, wenn sie nicht hinter der Konkurrenz zurückbleiben wollen. „Zukunftsfitness“ nenne ich das - und genau diese fordere ich von Führungskräften. Denn es ist eine explizite Führungsaufgabe, eine Organisation für die Zukunft bereit zu machen und damit attraktiv zu bleiben!

Du versuchst laut Deiner Webseite, eine „veränderungsfreundliche Unternehmenskultur“ zu schaffen? Das klingt nach dem, was ein so genannter „Coach“ auch macht. Wo ist der Unterschied zu Deinem Job?

Ich bin weder Coach noch Berater. Organisationen kennen ihre Themen selbst am besten, aber als Sprecher aktiviere ich, ich fordere heraus, gebe sozusagen den „Anstoß zur Selbstheilung“. Das passiert beispielsweise mit Neuinterpretationen von Geschäftsmodellen oder mit branchenübergreifenden Vergleichen und Erfahrungen. Im Anschluss daran muss „die Kraft auf die Straße“. Dafür moderiere ich Workshops in denen alle Mitarbeiter gemeinsam versuchen ein Problem mit den neuen Methoden anzugehen, zum Beispiel auf scheinbar ganz banalen Wegen wie mit Lego-Bausteinen, „Lego Serious Play“ nennt sich das. Hier ist elementar, dass eine neue Strategie erarbeitet wird. Oft streben die Unternehmen selbst eine veränderungsfreundliche Kultur an, denn Geschwindigkeit und Flexibilität sind heute überlebensnotwendig. Folgerichtig müssen Ideen getestet und eventuell korrigiert werden – immer wieder. „Made in Germany“ mit 1000%igen Prozessen und null Fehlertoleranz funktioniert nicht mehr. Ein Team muss heiß darauf sein, dass jeder Tag anders abläuft. Das ist Einstellungssache und hoffentlich bald System.

„Made in Germany“ mit 1000%igen Prozessen und null Fehlertoleranz funktioniert nicht mehr.

Du forderst die Mitarbeiter auf, mit Legosteinen zu spielen? Was soll das bringen?

„Spielen“ ist vielleicht das falsche Wort. Die Methode heißt „Lego Serious Play“ und kommt von LEGO selbst. Wir arbeiten sehr gerne damit. LSP reduziert Komplexität, und davon gibt es ja meist genug. Folgendes läuft hier ab: Der Einstieg ist z.B. ein Problem, ein Ziel – letzteres gibt es hoffentlich immer. Jetzt werden alle Teilnehmer - bis zu 150 Personen hatten wir schon - auf die jeweiligen Fragen antworten, in dem sie bauen und jeden Stein mit einer Metapher besetzen. Wichtige Elemente werden erst einzeln erarbeitet (jeder baut, jeder erklärt) und dann gemeinsam. Sprich, es werden beispielsweise Strategien erarbeitet und dann aber auch mitgetragen, denn jeder Teilnehmer hat ja wirklich einen Teil dazu beigetragen bzw. mitgebaut. Dabei hilft, dass durch das „Begreifen“ (also das Anfassen) 70 bis 80% der Gehirnzellen aktiviert werden. Und der Spaß dabei schadet natürlich auch nicht.

Eine Deiner Thesen lautet: „Heute Facebook, vor hundert Jahren das Automobil und Elektrizität: Das bisschen Internet stresst nur die Menschen, die eh nicht mithalten können.“ Während das Auto und Elektrizität und Zeit ersparen, raubt Facebook uns doch Zeit. Wieso kann man es trotzdem vergleichen?

Ich höre ständig von allen Leuten, dass wir überfordert sind im Informationszeitalter. Aber es gab schon viel stressigere Zeiten! Die Innovationsgeschwindigkeit war zum Beispiel bei der Erfindung des Autos und der Elektrizität deutlich höher. Außerdem bin ich der Meinung, dass jede Generation vor gewissen Themen Angst hat. Eine aktuelle Studie besagt zum Beispiel, dass nur jeder zehnte Deutsche glaubt, dass es seine Kinder besser haben werden als er selbst. Diese negative Sichtweise ist meines Erachtens unverantwortlich und auch unbegründet. Alleine durch den demografischen Wandel werden junge Menschen so „selten“, dass sie richtig zickig sein dürfen.

Alleine durch den demografischen Wandel werden junge Menschen so „selten“, dass sie richtig zickig sein dürfen.

Eine andere Deiner anderen Thesen lautet: „Besitz mach unfrei und belastet“. Das klingt ein wenig nach Marxismus. Insgesamt sind Deine Thesen unangepasst und kritisieren die Gesellschaft. Bist Du ein Systemkritiker, Weltenverbesserer, Querdenker, Meinungsmacher, Lobbyist für freies Denken - oder ein bisschen was von allem?

Ich bin Pragmatiker und vielleicht auch etwas „Gegendenker“, denn es macht Spaß, Dinge nicht nur zu fordern, sondern selbst auch auszuprobieren.

Zum Beispiel?

Aktuell machen wir den mobilen Tabubruch: Auf mein Auto schreiben Menschen mit Edding, wie sie sich zukünftig bewegen wollen. Ein anderes Beispiel war die Konferenz der MissErfolge, die wir vor zwei Jahren absagen mussten und diesen Sommer umgesetzt haben. Es sind nicht nur die neuen Ideen, sondern auch folgerichtige Weiterentwicklungen, die spannend sind. Und seien es nur Meetings im Stuttgarter Fernsehturm. Ja, ich möchte, dass Menschen etwas verändern und nicht selbst verändert werden. Denn ein altes Deutschland wird tendenziell risikoärmer agieren und mit weniger aktuellem Wissen ausgestattet sein. Beides ist nicht gut für dieses Land.

Du bist, wie Du selbst sagst, Deutschlands einziger Trendbeobachter. Braucht Deutschland mehr als einen?

Ja, auf jeden Fall.

Wie lautet Dein „Lebensmotto“?

Ich möchte, dass Menschen etwas verändern und nicht selbst verändert werden

Ich habe kein eigenes. Nimm Dir eines der gängigen – gerne aus China. Stimmen tun sie alle.

Wenn Du einen anderen Beruf hättest wählen müssen, welcher wäre das?

Kapitän der deutschen Segway-Nationalmanschaft.

Mit was kommst Du gar nicht zurecht – sei es beruflich oder privat?

Wenn jemand nicht akzeptieren kann, dass Fehler eben manchmal passieren - besonders, wenn es Führungskräfte sind.

Gibt es noch etwas, das Du unbedingt mitteilen möchtest?

Kommentiert dieses Interview – mit Leib und Seele!

Mathias Haas