Laura Jansen

Musikerin

von Portrait von Marlon Kumar Marlon Kumar
Veröffentlicht am 16. September 2013

Hey Laura, danke für deine Zeit. Kannst du uns etwas über dich selbst erzählen? Vielleicht wie Musik deine Leidenschaft wurde?

Hallo! Ach, überhaupt kein Problem. Ich bin mir nicht wirklich sicher, wie Musik meine Leidenschaft geworden ist. Ich denke diejenigen von uns, die Musik machen, hatten nicht wirklich eine andere Wahl. Soweit ich mich erinnere, habe ich schon immer Instrumente gespielt. Zu meinen frühesten Erinnerungen gehört, dass ich wirklich sehr hoch nach oben greifen musste, um die Pianotasten im Nachbarhaus überhaupt berühren zu können. Ich denke, es ist einfach Teil meiner DNA. Mein ganzes Leben lang habe ich klassisches Piano gespielt, aber auch Flöte in Orchestern und in Chors gesungen. Es war nicht etwas, bei dem ich dachte, ich könnte das als Job machen, weil ich mir das nicht vorstellen konnte. Niemand gibt dir ein Handbuch und sagt "so funktioniert das". Mein Leben nahm viele Umwege und obwohl ich viele meiner anderen Interessen verfolgte, landete ich wieder da, wo ich anfing und das ist hinter meinem Klavier. Ich habe nur versucht, mich durch Emotionen und Erfahrungen zu arbeiten - und Songs kamen dabei raus. Je mehr ich schrieb, desto mehr glaubte ich in sie. Langsam angefangen mit kleinen Gigs und Jahre später schon ein Interview mit stadtmagazin.com in Deutschland über mein zweites Album. Es ist eine lustige und sehr lange Reise, aber es ist, wo ich die ganze Zeit sein sollte. Ich freue mich jeden Tag darüber.

Worum geht es in deinem neuen Album "Elba"? Was können Leute erwarten, wenn sie das Album kaufen?

"Für mich ist "Elba" ein Symbol des Exils. Ich möchte nicht traurig über das Exil sein, ich möchte es geltend machen, friedlich damit sein und mich stark in all den Veränderungen fühlen."

Ich bin eine Autorin, die ihre eigenen Erfahrungen erforschen muss, um vom Herzen aus zu schreiben. Die beste Lektion, die ich je bekam, war "schreib, was du weißt". Die Reise, auf die ich mit "Bells" gegangen bin, brachte mir viele wunderbare Abenteuer und Erfahrungen, aber es bedeutete auch, dass sich buchstäblich alles in meinem Leben veränderte. Dazu gehörte eine ernsthafte Beziehung, die die Veränderungen nicht überlebte. Ich kam von der Straße ab und nach zwei Jahren musste ich ein neues Album anfangen und plötzlich fühlte sich keiner von den älteren Songs mehr ehrlich an. Ich musste über die Erfahrung schreiben, die ich gerade erst durchgemacht hatte. Es war eine Phase des immensen Wachstums und der Vertrauensbildung. Es war allerdings auch eine sehr angsteinflößende Zeit, weil ich mich so weit weg von meinem alten Leben und den Dingen, die mir das Gefühl gaben, sicher und geborgen zu sein, fühlte. Für mich ist "Elba" ein Symbol des Exils. Ich möchte nicht traurig über das Exil sein, ich möchte es geltend machen, friedlich damit sein und mich stark in all den Veränderungen fühlen. Somit ist das das größte Thema des Albums. Der Sound ist recht vielfältig und mit elektronischen Einflüssen. Es ist ein bisschen alternativ, aber immer noch im großen Umfang eine Pop-Platte.

Du bist durch Deutschland getourt. Welche Stadt gefällt dir am besten und warum?

Es ist immer ein Vergnügen durch Deutschland zu touren. Das Publikum ist unglaublich freundlich und respektvoll und nimmt sich beim Zuhören wirklich Zeit, den Sinn hinter den Songs zu verstehen. Ich habe mich in Deutschland immer sehr wohl aufgenommen und geliebt gefühlt, also freue ich mich schon darauf, so schnell wie möglich zurückzukehren. Mein Herz setzt immer einen Schlag aus, wenn ich in Berlin bin, weil es so ein kreatives Zentrum der Energie ist. Dennoch liebe ich die verschiedenen Charaktere aller Städte, in denen ich gespielt habe. Jede ist so verschieden und hat ihre eigene Art von Persönlichkeiten. Das ist der beste Teil der Tour, immer all diese feinen Unterschiede zu erleben.

Würdest du vielleicht eine herausragende oder erstaunliche Erfahrung von einer deiner Konzerte mit uns teilen?

Ich glaube, ich bin immer dann erstaunt, wenn ich nach einer Show jemanden treffe, der mutig genug ist, eine persönliche Geschichte, die er auf einen Song bezieht, mit mir zu teilen. Überall geschieht eine so universelle menschliche Erfahrung, aber wir können das leicht vergessen, wenn wir die Sprache oder Kultur nicht verstehen. Eigentlich sind wir alle ziemlich gleich. Das extremste Beispiel für mich, war durch China zu touren. Wirklich keine Gemeinsamkeiten in Sachen Sprache und Kultur zu haben und doch in der Lage zu sein, diese unglaublich menschliche und persönliche Interaktion mit meinen Fans haben zu können - das war meine Lieblings-Erfahrung. Eine echte Erinnerung daran, dass die Welt ein sehr sehr kleiner Ort ist und je näher du zum Kern der Sache kommst, desto mehr findet man zueinander.

Was bedeutet Musik (und Musikmachen) im Allgemeinen für dich?

Für mich persönlich ist Musik eine freie Form der Therapie und die Art und Weise, wie ich mich am schnellsten mit Fremden verbinden kann.

Warum ist das Album "Elba" nach der Insel, auf der Napoleon sein Exil verbrachte, benannt? In meiner Kritik habe ich vermutet, dass du dich selbst von deiner Vergangenheit trennen wolltest. Liege ich richtig?

Ich will meine Vergangenheit umarmen, aber sie definitiv dort lassen, wo sie hingehört. Wir tragen sie mit uns, aber ich möchte nicht von ihr angeführt werden. Nachdem Napoleon ins Exil geschickt wurde, krönte er sich selbst zum König von Elba und ich liebte die Vorstellung und das Symbol davon. Ich habe mich selbst zur Königin meiner eigenen Insel gekrönt und nun erkunde ich das Inland und dunklere Orte, so dass ich weiß, wer ich bin und mich wirklich kenne.

"Ich habe mich selbst zur Königin meiner eigenen Insel gekrönt und nun erkunde ich das Inland und dunklere Orte, so dass ich weiß, wer ich bin und mich wirklich kenne."

"Elba" ist sehr romantisch, poetisch und melancholisch - wie ein trauriges Märchen. Woher nimmst du die Inspiration und Ideen für die Geschichten in deinen Songs? Sind sie autobiografisch?

Dankeschön! Ich liebe diese Worte. Ich denke, es ist ein bisschen wie ein Märchen. Meine Inspiration kommt aus der Kombination von dem, was ich gerade durchmache und dem Versuch, herauszufinden, wie es ins größere Bild passt. Ich ringe immer mit spirituellen Fragen, aber ich glaube auch an Magie und Einhörner und Schicksal und Träume und ähnliche mädchenhafte Dinge. Ich mag das Mysteriöse und ich möchte das Mysterium behalten, während ich gleichzeitig ziemlich offen über mich selbst bin. Jeder einzelne Song ist vollkommen biografisch. Sie sind meine Tagebücher. Außerdem bin ich ein totaler Nerd. Ich gucke Wissenschafts-Dokumentationen, lese Bücher über das Universum und spirituelle Texte und liebe es, meine Gedanken jeden Tag etwas zu verbiegen. All das taucht auf, wenn ich einen Song schreibe und das ist die Kombination, die ich am meisten mag.

Laura Jansen

Politik ist/ war deine Leidenschaft, du hast bei der U.N. in Genf gearbeitet und Politikwissenschaften studiert. Du hast diese Aktivitäten gestoppt, nachdem ein Menschrechtsaktivist, der auch ein enger Freund von dir war, in Afrika getötet wurde. Darf ich fragen, was passiert ist?

Ich bin überrascht, dass du darüber Bescheid weißt. Eigentlich rede ich nicht viel über diese Zeit in meinem Leben. Ich würde sagen, dass meine größte Leidenschaft menschliche Wesen sind - und wie diese arbeiten. Das hat sich dann für mich darin manifestiert, zuerst Politikwissenschaften zu studieren. Meine Mutter erzog mich, ein Beobachter der Welt zu sein. Ignoranz war ein schlechtes Wort in unserem Haus. Selbst wenn man nur Zeuge oder Beobachter ist, man lernt und man fühlt mit den Erfahrungen eines anderen Menschen mit. Ich war also schon sehr früh in Angelegenheiten involviert, die weitaus größer waren als ich selbst. In einem sehr jungen Alter hatte ich bereits das Glück, ein paar unglaubliche Leute kennenzulernen, die mich lehrten, dass sich die Welt nicht um mich dreht und ich mich bilden muss. Ken Saro-Wiwa war einer von diesen Leuten. Er nahm sich die Zeit, mein Freund zu sein und mich über diese Welt zu unterrichten. Er war ein Aktivist für die Menschen der Ogoni in Nigeria (Anm. der Redaktion: die Ogoni sind ein indigenes Volk im Nigerdelta). Unglücklicherweise wurde er in Nigeria hingerichtet und das hatte große Auswirkungen auf meine Persönlichkeit. Plötzlich lebte ich irgendwie auf einer menschlichen Ebene, die an meiner Universität auf einem rein intellektuellen und wissenschaftlichen Niveau unterrichtet wurde. Ich erkannte sehr schnell, dass mein Herz nicht auf diese Art und Weise funktionierte und dass ich aus so einer Distanz  heraus nicht weiterstudieren konnte, nachdem ich so unmittelbar emotional betroffen gewesen bin. Ich habe auch meinen Glauben daran verloren, dass überhaupt irgendeine Veränderung stattfinden könnte. Langsam, durch Musik, Reisen und der Interaktion mit Menschen habe ich gelernt, dass der größte Einfluss, den ich haben kann, in meinem eigenen Umfeld zu arbeiten, gebildet und involviert zu bleiben ist und, dass ich mit Musik Menschen auf eine Art und Weise erreichen kann, wie ich es nicht konnte, als ich noch Politik studierte. Ich arbeite mit vielen verschiedenen Wohltätigkeitsorganisationen und hoffe diese Funktion im nächsten Jahr noch weiter auszudehnen.

Welche Einflüsse, Erfahrungen und Persönlichkeiten haben deinen Charakter geformt und dich zu dem Wesen gemacht, das du in diesem Moment bist?

"Wir alle machen Fehler, fallen, rutschen aus, tun dumme Dinge, lügen und doch sind wir alle wundervolle Geschöpfe mit riesigen Herzen und hoffen auf bessere Zeiten."

WOW! Das ist wie der Beginn eines Buches, das ich schreiben will. Um ehrlich zu sein, jede einzelne Erfahrung, die ich gemacht habe, hat mich exakt hierhin geführt. Manche davon waren fantastisch und glücklich und manche dunkel und schmerzhaft: Kindheitstraumas, jugendliche Unsicherheiten, Mobbing, der Kampf, mich selbst zu finden und einem Traum zu folgen, der unmöglich erscheint, Beziehungen, die wachsen und gedeihen oder auseinander fallen, Gespräche mit Familie und Freunden, Verlust und Neuanfang, einfach alles davon. Ich bin jetzt an einem Punkt in meinem Leben angelangt, wo ich meine Vergangenheit nicht länger als Entschuldigung für mein Verhalten oder meine Handlungen verwenden möchte. Ich möchte nicht nur die schönen Dinge zeigen und ich schere mich weniger und weniger um Menschen, die mich nicht mögen. Jetzt geht es darum, mich selbst vollständig zu verstehen und zu versuchen, dankbar für all diese Dinge zu sein, die mich hierhin gebracht haben. Ich glaube, dass die Erfahrungen, die mich am meisten verletzten, mich auch zu einer sanfteren Person gemacht haben. Ich denke nicht mehr starr im schwarz-weißen Raster, weil es nichts Unvollkommeneres gibt, als ein menschliches Wesen. Wir alle machen Fehler, fallen, rutschen aus, tun dumme Dinge, lügen und doch sind wir alle wundervolle Geschöpfe mit riesigen Herzen und hoffen auf bessere Zeiten. All diese Erfahrungen haben mich im Hier und Heute zu einer geduldigeren Person gemacht und ich hoffe, dass ich Menschen so akzeptiere, wie ich mir wünsche, das sie mich akzeptieren.

Was bedeutet das Streben nach Glück für dich?

Das ändert sich wirklich von Tag zu Tag. Ich bin mir nicht mal mehr sicher, ob es nur noch um Glück geht. Ich glaube, es geht um Akzeptanz und Friedlichkeit. Ich habe gelernt - und erinnere mich immer wieder selbst daran -, dass ich keine Ahnung habe, was die Zukunft bringen wird. Würde die Zukunft in meiner Hand liegen, hätte ich das alles nicht schaffen können, also gehe ich ihr heutzutage gern aus dem Weg. Ich versuche vorbereitet zu sein und ich versuche offen und optimistisch zu bleiben. Was auch immer kommt, fühlt sich dann wirklich gut an! Wenn ich das Gegenteil tue, fühlt sich alles starr und schwer an. Also offen für Veränderung, flexibel und gewillt zu sein, scheint mich glücklicher zu machen, als irgendetwas anderes.

Hast du zum Abschluss noch ein paar weise Worte für uns auf Lager?

Nope, keine Weisheit hier! Ich sitze im selben Boot wie ihr alle. Ich versuche nur, alles herauszufinden und auf dem Weg mein Bestes zu geben. (lächelt)