Michael Sell

Sänger bei Chaos Mon Amour

von Portrait von Karoline Sielski Karoline Sielski
Veröffentlicht am 13. Mai 2013

Chaos Mon Amour, Ihr werdet mit Joy Divison verglichen. Was sagt Ihr dazu?

Grundsätzlich finden wir es anstrengend, dass man Kunst immer mit anderer Kunst vergleichen muss anstatt ein Werk einfach mal für sich selbst sprechen zu lassen und zu betrachten. Unsere Musik vermittelt bestimmt hier und da eine ähnliche Stimmung wie es Joy Divison tut, allerdings ist unser Arrangement komplexer und unser musikalisches Spektrum viel größer. Man muss uns schon mit vielen Bands vergleichen damit ein Leser sich ein ungefähres Bild machen kann.

Wie würdet Ihr selbst Euren musikalischen Stil beschreiben?

In unserer Musik verschmelzen Wave, Independent Pop und Rock mit klassischen Arrangements und elektronischen Elementen. Die Musik ist intensiv; sie kratzt weder musikalisch noch textlich bloß an der Oberfläche. Sie ist voller Gegensätze - mal geschrien, mal geflüstert, mal balladenartig, mal befreit oder auch gewaltig. Trotzdem ist es uns gelungen sie nicht sperrig werden zu lassen.

"Unsere Musik vermittelt bestimmt hier und da eine ähnliche Stimmung wie es Joy Divison tut, allerdings ist unser Arrangement komplexer und unser musikalisches Spektrum viel größer."

Hört Ihr heute ganz andere Musik als in Eurer Jugend?

Natürlich lässt man das eine oder andere hinter sich. Und ja, unser Musikgeschmack hat sich über die Zeit verändert. Trotzdem sind uns einige Alben von damals nach wie vor sehr lieb; in musikalischer, wie auch in emotionaler Hinsicht.

„Breathe Out The Past“ ist Euer neues Album. Gibt es ein Konzept, das sich darauf durchzieht - oder was war Euch besonders wichtig bei der Entstehung der Platte?

Das Konzept des Albums, wenn man das so nennen mag, ist der Sound. Darüber und wie wir unsere Instrumente spielen, haben wir uns viele Gedanken gemacht. Wir haben keine Vintage-Effekte benutzt, sondern nur mit neuen Geräten gearbeitet, da wir für uns beschlossen haben, dass wir da weg wollen. Das spielt schon jeder seit Jahrzehnten und das ist auch der Grund dafür, dass wir typische Gitarrenmusik meistens langweilig finden. Jeder von uns hat sich an seinem Instrument hinterfragt, hat Grenzen überschritten, ist neue Wege gegangen. Dadurch haben wir ein neues Spielgefühl gewonnen, das sich deutlich von unserer bisherigen Spielweise unterscheidet.

Ein weiteres Merkmal ist mit Sicherheit, dass wir den Bassbereich sehr gefeatured haben. Im Gegensatz zu anderen Produktionen klirren bei uns nicht die Höhen und es ist nicht bis an die Grenzen laut gemacht. Wir wollten auf jeden Fall die Dynamik die wir live haben mit auf die Platte nehmen. Weiterhin haben wir gleich bei der Aufnahme klangliche Entscheidungen getroffen. So haben wir bei einem Song zum Beispiel nur ein Mikro für das Schlagzeug genommen und uns daher bewusst kaum Möglichkeiten beim Mixing offen gelassen. Dadurch sind dann acht individuelle Stücke entstanden, die aber durch ihren Sound zu einer Einheit verschmelzen.

Habt Ihr eine Lebensphilosophie, die sich so auch in einem ganz bestimmten Song auf "Breathe Out The Past" wiederspiegelt?

Es gibt zwei Arten von Schreibern. Die Einen schauen sich die Welt an und schreiben darüber. Die Anderen schreiben und dadurch ändert sich ihre Sicht auf die Welt. Ich gehöre sicherlich zu den als zweites Genannten. Meine Sicht auf die Welt unterliegt einem andauernden Wandel. Lebensphilosophien finde ich mindestens genau so furchtbar wie Zitate.

Michael Sell - 3 Videos

Die Musikvideos zu "Psychosomnia" und "A Little Death To Dance" sind creepy, was interessant ist. Ihr habt sie von Freunden und Filmhochstudenten umsetzen lassen - habt Ihr erwartet, dass die Videos diese Richtung einschlagen?

Wer „Psychosomnia“ als creepy bezeichnet hat das Video im Zusammenhang mit dem Song nicht verstanden. Nur weil das Bild dunkel und unscharf ist wirkt es vielleicht auf den ersten Blick verstörend. Beschäftigt man sich allerdings gründlicher mit Lied und Text merkt man, dass hier eine Katharsis beschrieben wird. Wir finden das Video friedlich, beruhigend und reinigend.
„A Little Death To Dance“ ist textlich das morbideste Stück auf der Platte und hätte, wenn es nach uns ginge, noch heftiger verfilmt werden können. Unsere jüngste Auskopplung „Bohemia“ geht - vor allem visuell - in eine ganz andere Richtung.

Wir haben die filmische Umsetzung der Songs vollkommen aus der Hand gegeben und nehmen an dem Entstehungsprozess der Videos nicht Teil. Die Videokünstler bekommen Song und Text und können dann loslegen. Somit wird den Stücken noch eine von uns völlig unbeeinflusste Ebene hinzugefügt, was einerseits interessant ist, andererseits auch Gefahren birgt, da es auch passieren kann dass ein Stück völlig fehlinterpretiert wird und wir somit nicht angemessen repräsentiert werden. Ob sich dieses Experiment bewährt wird sich also noch zeigen.

Welche Horror-Filme haben Euch persönlich beeindruckt? Was wären Eure Top 3?

Es gab bis jetzt noch keine Horrorfilme die uns "beeindrucken" konnten.

Habt Ihr eigentlich auch eine soziale Ader?

Das ist doch eher was für Bono.

Wie würdet Ihr einen perfekten Abend mit Freunden verbringen - wo würdet Ihr dann hingehen?

"Ein perfekter Abend wäre wahrscheinlich so langweilig wie eine perfekte Frau."

Ein perfekter Abend wäre wahrscheinlich so langweilig wie eine perfekte Frau.

Was war das lustigste, was Euch mal live passiert ist?

Bei einem Straßenkonzert in Düsseldorf hat ein schwarzer Rikschafahrer mit der tiefsten Soulstimme seit Barry White unsere Songs mitgesungen.

Mit wem würdet Ihr gerne mal live auftreten, wenn Ihr die Gelegenheit dazu hättet?

Das ist uns völlig egal.

Was möchtet Ihr uns noch mitteilen? Wann können wir Euch demnächst sehen?

Es gibt vieles mitzuteilen! Aktuell kann man unsere dritte Auskopplung "Bohemia" kostenlos auf unserer Soundcloud-Seite herunterladen. Die nächste Single "Hunting" erscheint am 10. Mai und eine Woche später - am 17. - kommt dann das Album digital auf den Markt, welches wir am Tag zuvor mit einer Release-Show/Party im Kölner Club ROXY feiern werden.