Das große Geschäft mit den Heimkindern
Veröffentlicht am 1. Oktober 2024
Das Geschäft mit den Heimkindern in Deutschland boomt. Die steigende Zahl der Inobhutnahmen in Deutschland hat das System der Kinder- und Jugendhilfe zu einem milliardenschweren Sektor gemacht, in dem zahlreiche Akteure wirtschaftliche Interessen verfolgen. Während das System eigentlich darauf ausgelegt sein sollte, das Wohl der Kinder zu schützen, zeigen kritische Stimmen, dass die Bedürfnisse der Kinder häufig hinter wirtschaftlichen Interessen zurückstehen. Staatliche Kontrollen sind mangelhaft und unzureichend.
Die Anzahl der Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zeigt seit 2005 eine stetig wachsende Tendenz. Während im Jahr 2005 rund 31.000 Kinder und Jugendliche durch das Jugendamt in Obhut genommen wurden, waren es 2019 bereits über 49.000. Und der Trend hielt an. Nachdem die Anzahl der Inobhutnahmen während der Corona-Jahre 2020 und 2021 zurückging, verzeichnete das Statistische Bundesamt 2022 einen erneuten Anstieg um 40 % gegenüber dem Vorjahr, was rund 66.000 Fällen entspricht. Was ursprünglich als Hilfe in akuten Notfällen wie Vernachlässigung und Missbrauch gedacht war, wird nun auch in weniger gravierenden Fällen teils willkürlich umgesetzt, so Kritiker des Systems.
Die Kosten für die Unterbringung von Kindern in Obhut belaufen sich auf Milliarden Euro jährlich. Allein im Jahr 2020 beliefen sich die Ausgaben der öffentlichen Hand für die Kinder- und Jugendhilfe auf etwa 46 Milliarden Euro. Ein erheblicher Teil dieser Summe fließt in die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Heimen, Pflegefamilien und betreuten Wohnformen. Ein Heimplatz kann pro Kind bis zu 5.000 Euro im Monat kosten, je nach spezifischen Anforderungen und Betreuungsschlüsseln.
Profiteure des Systems - Freie Träger, Kinderpsychologen, Pflegefamilien - entscheiden selsbt über die Mittelvergabe. Ein wesentlicher Teil der Gelder fließt an freie Träger der Jugendhilfe, die oftmals als Vermittler zwischen Jugendämtern und den Einrichtungen fungieren. Diese Träger übernehmen die Betreuung, Vermittlung und Überwachung der betroffenen Kinder, was teilweise lukrative Einnahmen generiert. Zudem profitieren Kinderpsychologen und Therapeuten, die in vielen Fällen für diagnostische Verfahren und regelmäßige psychologische Betreuung herangezogen werden. Es sind Fälle bekannt, in denen „Psychologen“ nicht über die erforderliche Ausbildung verfügen und in ihren Entscheidungen den Vorschlägen der Jugendämtern folgen. Auch Pflegefamilien erhalten finanzielle Unterstützung: je nach Pflegeform und -umfang zwischen 900 und 1.500 Euro pro Monat pro Kind.
Kritiker warnen vor den negativen Auswirkungen des Systems auf das Wohl der Kinder. Häufig wird bemängelt, dass das Wohl der Kinder gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Träger und Einrichtungen in den Hintergrund tritt. Kinder, die mehrfach innerhalb kurzer Zeit die Unterbringung wechseln, erleben oft emotionale Instabilität und Vertrauensprobleme. Besonders problematisch ist die häufig mangelhafte psychologische Betreuung, die eine erfolgreiche Rückführung in die Familie oder Integration in eine dauerhafte Pflegefamilie erschwert. Viele Kinder und Jugendliche bleiben über Jahre hinweg in Einrichtungen, was ihre soziale und emotionale Entwicklung nachhaltig beeinträchtigen kann.
Die staatliche Kontrolle über die Vorgänge in Heimen und Pflegefamilien erfolgt durch die Jugendämter und Landesjugendämter. Diese sind gesetzlich verpflichtet, die Qualität der Betreuung regelmäßig zu überprüfen. Jedoch stehen die Behörden oft unter personellen und zeitlichen Engpässen, was zu einer unzureichenden Aufsicht führt. Oft wird auch bemängelt, dass die Kriterien für eine Inobhutnahme nicht klar genug definiert sind und Entscheidungen zu stark im Ermessensspielraum der Behörden liegen. Zudem wird kritisiert, dass eine umfassende Qualitätskontrolle der beteiligten Institutionen, insbesondere der freien Träger, fehlt. Eine unabhängige Überprüfung der Maßnahmen findet nur selten statt.
Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass Deutschland bei der Anzahl von Inobhutnahmen im oberen Bereich liegt. Länder wie Schweden und die Niederlande haben ebenfalls hohe Inobhutnahmequoten, allerdings weisen sie strengere Regulierungen und intensivere Betreuungskonzepte auf. In Ländern wie Frankreich, Italien oder Spanien sind Inobhutnahmen seltener, was jedoch auf weniger strenge Meldepflichten und andere Schutzkonzepte zurückzuführen ist. Hier werden zudem präventive Maßnahmen und die Stärkung der familiären Strukturen als Hauptziel verfolgt.