„Linda McCartney“ im Kunsthaus Wien: Ein Leben in Bildern

von Portrait von Nina Loose Nina Loose
Veröffentlicht am 3. Juli 2013

Nach der Straßenfotografie Saul Leiters halten nun die Bilder von Linda McCartney Einzug in die schiefen Räume des von Hundertwasser entworfenen Kunsthauses Wien. Paul McCartney eröffnete im Beisein eines geladenen VIP-Publikums persönlich die Retrospektive auf die 1998 verstorbene Linda McCartney. 30 Jahre lang stand sie dem Sänger und Bassisten der Beatles zur Seite, als dessen Begleiterin, Kollegin und Ehefrau.

„My photography is me.” (Linda McCartney)

Allerdings – und das gilt es zu betonen – macht sich Linda McCartney, geborene Eastman, bereits vor ihrer Begegnung mit Paul einen Namen als freie Fotografin in der Musikszene. Dem Zufall (oder dem Schicksal) sei Dank gelangt sie Mitte der Sechziger auf einen Pressetermin der Rolling Stones, mit dabei ihre Kamera, die das ausgelassene Treiben der jungen, heute legendären Band sogleich in ikonische Bilder bannt. Ähnlich verhält es sich wenig später mit Eric Clapton, dessen Porträt von 1969 eine ihrer eindringlichsten Arbeiten darstellt. Doch eine reine Autodidaktin ist Linda McCartney nur im engen Sinne: Sie studiert Kunstgeschichte, besucht – ebenfalls mehr zufällig als planvoll – einen Fotokurs, und wächst im künstlerischen Umfeld ihres Vaters, eines bei Künstlern gefragten Anwalts, auf.

So entsteht der erste und vielleicht der bekannteste ihrer Werkblöcke: die Chronik der Swinging Sixties mitsamt deren Ikonen, wie Jimi Hendrix, Mick Jagger, Frank Zappa, Simon and Garfunkel, Aretha Franklin und anderen, samt deren Wahrzeichen, so zum Beispiel Gitarren, Bärte, Brillen, Zigaretten und Friedenssymbole. Dazwischen scheinen stimmungsvolle Tierbilder, etwa ein Pferd, eine Katze oder ein Hund, auf. Sie sind Vorboten eines eigenständigen Themenkreises, den die passionierte Tierschützerin und Vegetarierin später in extenso realisieren wird. Ihre Bekanntheit als Bandmitglied der Wings und als Gefährtin Paul McCartneys veranlassen Linda McCartney notgedrungen dazu ein Subgenre, nämlich die historische Street Photography, zu erproben. Von Blicken abgeschirmt knipst sie dabei aus dem Auto heraus, fängt Straßenszenen oder weibliche Groupies ein, die ihre Fotoapparate wiederum auf sie, die Fotografin, richten („Fans“, London, 1979). Wer hier tatsächlich das Subjekt und wer das Objekt ist? Das bleibt im Unklaren.

„I'm taking my camera into the world I really love.” (Linda McCartney)

Vom Alltag der McCartneys erzählen auch die zahllosen Familienporträts, die entstehen, nachdem das Paar vom großstädtischen London ins ländliche East Sussex gezogen ist. Ein extremer Lebenswandel weg vom Glamour und hin zum Familienglück. Dies hält Linda McCartney dem Betrachter ungeniert entgegen, etwa wenn der junge Vater die Kleinen badet, im Arm hält, auf den Schultern trägt. Oder wenn dieselben Töchter, knapp 20 Jahre später, als erwachsene sowie schöne Modelle in Erscheinung treten. Wären sie nicht so gut, könnte man diese Porträts unschwer für Schnappschüsse halten und wäre angesichts ihrer Privatheit peinlich berührt. Doch Linda McCartney verleiht all ihren Motiven etwas Erhabenes, manchmal etwas Surreales. Die damit einhergehende Ästhetik verhindert schließlich, dass solche Aufnahmen im Museum deplatziert wirken könnten.

Von den siebziger bis in die neunziger Jahre wird die Zivilisation gegen die freie Natur eingetauscht, statt durch das Autofenster fotografiert Linda McCartney vom Rücken eines Pferdes („Lange Beine“, Sussex, 1995). Nur bleibt sie persönlich stets unerkannt, sogar wenn sie ihr Spiegelbild aufnimmt, wie in dem frühen „Selbstporträt mit Paul und Mary“ von 1969 oder in „Selbstporträt in Francis Bacons Studio“ von 1997. In diesem, ihrem letzten Selbstbildnis taucht sie noch einmal als Ganzfigur, jedoch mit diffusen Gesichtszügen auf, bevor sie 1998 dem Krebs erliegt.

„Linda McCartney“ ist vom 6. Juni bis 6. Oktober 2013 im Kunsthaus Wien zu sehen.