Shitstorm um Anna Loos: Ist der Facebook-Tumult nur eine PR-Masche?

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 5. März 2013

Es gibt Leute, die haben nicht viel zu tun. Manche von ihnen neigen dann zuweilen dazu, ohne besonderen Anlass unprofessionelle Kommentare bei Facebook zu posten - oft auch bei Leuten, die ihnen gesellschaftlich, sozial und unter Umständen auch intellektuell überlegen sind. Diese Leute nennt man in Cyber-Neusprech „Trolle“. Auf der anderen Seite stehen dann Leute, die Opfer einer nicht-organisierten Hetz-Kampagne werden, die man „Shitstorm“ nennt - da posten dann ganz viele Leute unter falschem Namen rüde Bemerkungen bei sozialen Netzwerken. Manchmal haben die Opfer einer solchen Kampagne aber nicht viel mehr zu tun, als die „Trolle“ und mucken dann ihrerseits herum. Schauspielerin und Sängerin Anna Loos hat das gestern sehr beispielhaft gemacht: Statt die Meinungen irgendwelcher gelangweilten Minderheiten an sich abperlen zu lassen, stiftete die 42-Jährige ihre Fans dazu an, eine Straftat zu begehen, die mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet wird. Aber da ist noch etwas, das den Shitstorm um Anna Loos von anderen unterschiedet: Er kommt zu einem sehr günstigen Zeitpunkt.

§ 202 des Strafgesetzbuches erklärt eindeutig, dass niemand sich durch Hacken Daten verschaffen darf, die nicht für ihn bestimmt sind. Auch nicht als Vergeltung für vermeintliches Unrecht. Trotzdem rief Anna Loos ihre inzwischen 21.000 Fans dazu auf, jene Facebook-Accounts zu hacken, die Schmäh-Kommentare auf ihrem Profil hinterlassen haben, damit sie sich die Shitstorm-Erzeuger „mal vornehmen“ könne. Nach wenigen Stunden jedoch war der Aufruf schon wieder gelöscht und die bis dahin hinterlassenen Kommentare auch. Shitstorm-typisch war der Spuk nach kürzester Zeit wieder vorbei und als Strandgut bleiben inzwischen nur noch die Fürsprecher, Mutmacher und ewigen Fans. Aber einen merkwürdigen Nachgeschmack haben die Tumulte schon hinterlassen - hauptsächlich weil sie ganz ohne erkennbaren Grund losbrachen. War das Ganze womöglich eine geplante PR-Strategie?

Das Phänomen „Shitstorm“ tritt andauernd auf, auch oft gegen Einzelpersonen; so richtig erklären kann man es nicht. Sicher ist aber, dass jemand, der so sehr in der Öffentlichkeit steht wie Anna Loos über einigen negativen Kommentaren stehen können sollte, statt eine große Aktion zu starten, die eher an eine PR-Masche erinnert. Ihre Seite einfach für Kommentare sperren zu lassen, kam der 42-Jährigen nämlich nicht in den Sinn. Stattdessen löschte sie anfangs manuell einzelne beleidigende Kommentare und rief schließlich ihre Fans auf, die Accounts derer zu hacken, die beleidigende Kommentare hinterließen. Ein sinnvoller Weg ist das nicht. Es sei denn natürlich, der Shitstorm oder zumindest ihre Reaktion darauf war werbe-strategisch geplant. Schon vor zwei Jahren hatte eine 13-Jährige Schülerin aus Kalifornien mit einem schlechten Song auf YouTube einen Shitstorm erzeugt und durch die gestiegene Aufmerksamkeit einen Plattenvertrag abgeräumt. Als Frontsängerin von „Silly“ braucht Loos zwar keinen Plattenvertrag und auch um die Schauspielkarriere muss sich Loos kaum Sorgen machen, aber ein bisschen mehr Rampenlicht hat noch niemandem geschadet, der seine Brötchen in der Unterhaltungsbranche verdient. Da kommen 5000 Facebook-Fans mehr in zwei Tagen durchaus gelegen. Besonders wenn die Band, deren Frontsängerin man ist, in drei Wochen ein neues Album herausbringt. Das letzte Album ist erst zweieinhalb Jahre her und kletterte bis auf Platz drei der Charts, aber es war auch das einzige alleinstehende Album, das die Band nach dem frühen Tod der ursprünglichen Frontfrau 1996 aufgenommen hatte. Dient die ungewöhnliche Reaktion von Loos auf die Facebook-Meute nur dazu, das mediale Interesse länger aufrecht zu erhalten? Möglich, aber ganz ohne Beweis einfach davon auszugehen, wäre übertrieben. Vielleicht ist die zeitliche Nähe zwischen Shitstorm und Album-Release ja doch nur - purer Zufall...