Filmkritik "The East": Ökoterrorismus als Selbstfindung

von Portrait von Juliane Hexelschneider Juliane Hexelschneider
Veröffentlicht am 2. September 2013

Öltriefende Möwen, verseuchtes Leitungswasser, toxische Medikamente. Alle ausgelöst durch große, geldgierige Unternehmen. Doch die stehen jetzt im Fadenkreuz von Ökoterroristen, die Gerechtigkeit üben wollen. Sie nennen sich The East. Die methodische Zerstörung der Natur ist auf den ersten Blick sicher kein besonders ansprechendes Thema für einen Film, doch genau darum geht es in "The East".

Brit Marling (die zuvor schon ihr Können in dem großartigen Indie-Film "Another Earth" bewiesen hat) spielt Sarah, eine Agentin der Sicherheitsfirma Hiller Brood. Ihre Aufgabe ist es The East zu finden, zu unterwandern und die Identitäten der Mitglieder aufzudecken. Dabei verstrickt sie sich jedoch tiefer in die anarchistische Gruppe als ursprünglich geplant.

Oberflächlich betrachtet ist "The East" also eher ein Spionage-Thriller mit Ökoelementen, als ein Drama über die Zerstörung der Natur. Die Handlung entspinnt sich ruhig aber mit einer unterschwelligen Strömung, die sich darin widerspiegelt wie schnell und wie tief Sarah in die Gruppe The East hineingezogen wird. Eben ist sie noch ganz Businessfrau mit Freund und Mietwagen in dem sie christliches Radio hört, schon trägt sie Kapuzenpulli und Turnschuhe in einem besetzten Waldhaus und schläft mitten im Wald mit dem charismatischen Anführer der Gruppe. Es ist diese Art, mit der der Film konsequent seine Handlung vorantreibt, die "The East" zu einem etwas anderen Spionage-Thriller macht.

Filmkritik "The East": Ökoterrorismus als Selbstfindung

Sarah ist kein Jason Bourne. Sie kann zwar perfekt Zeichensprache und Handschellen mit Haarnadeln öffnen, aber sie ist kein unverwundbares Allround-Talent wie Bourne oder Bond. Die Bildsprache mit aufgeräumten Einstellungen und klaren Farben untermalt dieses Image von Sarah als starke, aber auch menschliche Agentin. Es erinnert fast ein wenig an einen Soderbergh-Film - sein diesjähriges Werk "Side Effects" beispielsweise - der auf ähnlich langsame, aber unumgängliche Art seine Handlung entspinnt, dabei aber nie den Draht zur Wirklichkeit verliert.

Deshalb ist "The East", wenn man genauer hinschaut, ein anderer Film. Er vermeidet jeglichen politischen Kommentar. Die kommerziellen Organisationen, die "The East" angreift, werden nur schemenhaft beschrieben. Und auch ansonsten reißt der Film viele Themen nur an. Vorgeschichten und Beziehungsgefüge der Charaktere bleiben größtenteils im Dunkeln. Denn im Grunde zeigt der Film warum eine Gruppe wie The East so anziehend für ihre Mitglieder wirkt: Die Macht der Zusammengehörigkeit. Sicherlich haben alle Charaktere ihre Gründe warum sie der Gruppe beitreten, von Anführer Benji, über den Arzt Doc bis hin zu Sarah selbst. Doch sie alle verbindet die Sinnsuche, die viele Mitzwanziger antreibt und die auch Sarah zu dem macht was sie ist. Sie mögen Jobs und Familie haben, aber sind dennoch unentwegt auf der Suche nach einem tieferen Sinn im Leben.

Leider ist es eben auch diese allumfassende Handlung und die nur schemenhafte Darstellung der einzelnen Charaktere, die es dem Zuschauer schwer macht eine emotionale Bindung zu den Mitgliedern von The East aufzubauen. Auf der einen Seite kann man sich bis zu einem gewissen Grad mit der Sinn-Suche der Charaktere identifizieren. Auf der anderen Seite sind die Initiationsriten von The East, wie beispielsweise Suppe in einer Zwangsjacke essen, ungewollt komisch. Dadurch bleibt der Film hinter dem zurück was er eigentlich hätte sein können: Ein Porträt der naturzerstörenden Gesellschaft, in der Ökoterrorismus nicht nur Kritik ist, sondern identitätsstiftende Zugehörigkeit.