Düster und verrucht: So war die Art Cologne 2013

von Portrait von Karoline Sielski Karoline Sielski
Veröffentlicht am 22. April 2013

Die jährliche Kunstmesse Art Cologne in Köln ging am gestrigen Abend zu Ende. Wir haben uns dort umgeschaut, um besondere Kunstwerke aufzuspüren. Neben diesmal nur wenigen politisch angehauchten Arbeiten fielen uns vor allem die zahlreichen Fotografien und märchenhaften, düsteren und verruchten Werke auf. Statt möglichst verrückter Skulpturen, schreiende, knallige Farben und abgedrehte Motive setzten die Künstler 2013 mehr auf zeitlose Themen wie Sexualität und Vergänglichkeit. Wir schauten uns an, welche Werke besonders interessant umgesetzt worden sind.

Gleich am Eingang setzte Jack Pierson mit seiner Installation der leuchtenden Worte "Yes" (2013) eine positive Stimmung. Leicht und beschwingt ging es noch mit Roman Kochanski weiter, bevor wir auf ganz andere Themen stießen. Seine großformatigen Ölgemälde, wie "Piciform" von 2013, fielen schon vom Weiten durch die starken Farben und die grobe Strichführung mit großzügiger Auftragsweise auf. Dann konzentrierten wir uns auf die Werke, die Tod, Vergänglichkeit, Körperlichkeit und märchenhafte Fantasiestimmungen darstellen.

Die Wachs-Skulptur von Gil Shachar zu einem Preis von 10.500 Euro zog viele Blicke auf sich. Auf einem Podest ruht ein Männerkopf, die Augen sind geschlossen, der Rollkragenpullover ruht unter ihm, der Körper fehlt. Der Protagonist wirkte echt durch die naturalistische Darstellungsweise des Kopfes, den Körper braucht es dazu gar nicht, denn der Pullover samt dem Podest deutet alles Notwendige an. Der Geist schläft und doch konzentriert sich hier alles auf den Sitz desselben.

Künstler lassen sich oft durch ihre Galeristen vertreten, doch David Nolan war mit seiner Vertreterin zusammen auf der Art Cologne. Er erzählte, dass er auch auf der Baseler Kunstmesse war, wo er natürlich etwas besonderes zeigen wollte. In Köln liefe seiner Meinung nach alles gemächlicher ab, als bei ihm daheim in den Staaten. Dort gefiele ihm, dass die Leute weniger zaghaft vorbeischlendern, schnellen Entschlusses ein Werk, das gefällt, unter den Arm klemmen und mitnehmen - die Europäer seien da aus seiner Sicht zögerlicher. Sie fragen nach dem Preis und reservieren das Werk für ein paar Stunden, um sich wohlüberlegt noch andere mögliche Kaufobjekte anzuschauen, so Nolan. Viel anzubieten hatte er allemal, denn eine ganze Wand voller Zeichnungen zierte seinen Stand. Bunte, anatomische Studien in kleinerem Format, akribisch beschriftet mit detaillierten Anmerkungen präsentierte David Nolan vor allem auf der Art Cologne. Er wolle noch mehr Exemplare davon machen, ergänzte er, aber es sei nicht einfach, eine passende Zeichnung zu finden. Der Enstehungsprozess dauere. Jedes Exemplar sieht in der Tat durchdacht aus und mit seiner eigenen Geschichte aufgeladen.

Mit Köperlichkeiten behaftet sind auch die Werke von Boris Mikhailov, Asger Carlsen (Dänemark) und eine Leucht-Installation, die den Verlauf des Orgasmus veranschaulichen soll. Mikhailov fotografierte zwei Menschen, einen älteren Herrn und eine Dame, beide wie tot neben einer Badewanne liegend, die mit Wasser und Rosen gefüllt ist. Der Herr ist scheinbar im Priestergewand gekleidet, die Hände sind gefaltet. Die religiöse Dimension ist da. Den Gegenpol bietet die Dame: Sie liegt mit gespreizten Beinen da, Strapse sind sichtbar, lässig ruht ihr Kopf auf ihrem Arm. Beide liegen neben der selben Badewanne und doch scheint sie ein anderer Schlaf, ein anderer Tod zu umweben. Dagegen zeigte Asger Carlsen keine eindeutig zu spezifizierenden Geschlechter, vielmehr verschmelzen hier Köperteile verstörend ineinander, wie ein einem Horrorfilm wandeln und liegen kopflose Wesen auf den Fotografien. Düster und verrucht.

Erschreckend wirkte ein ausgetopfter Bärenkopf auf ein vorbeilaufendes Kind auf der Art Cologne. Wir schauten uns die Präparate fasziniert an - es handelt sich um ein Fabelwesen, einen Maul aufreißenden Bären gespickt mit Vogelfedern von Julien Salaud. Fasanenköpfe und Federn zieren das Tier schmuckartig und befremdlich, schön und schaurig zugleich. Lustig und degeneriert wirkte auch ein ausgetopftes Schwein des Künstlers. Es ist ebenfalls mit zahlreichen Fasanenkörperteilen besetzt - ein Tier wie aus einer Geschichte eines vergangenen Jahrhunderts. Hoffentlich war es kein Auftragstod.

Märchenhaft schaurig und gleichsam ästhetisch eindrucksvoll ging es mit Wolfgang Hamm weiter. Dessen beeindruckende Malerei scheint eine düstere Geschichte zu illustrieren. Alptraumhafte, surreale Szenen mit einer Explosion, einem Kaninchen, aufspringend von einem blutrotem Grund und einem Sarg in einem rosa-schwarzen Gewässer zeigte Hamm, genau wie einen traurig-verängstigten Mädchenkopf auf einem weißen Gebirge, das umringt mit irrsinnig lachenden Totenschädeln ruht. Kleine Wanderer ziehen fast unbemerkt am Berg vorbei, im Hintergrund des Gemäldes sieht der Betrachter ein Paar im Zwielicht hinweg gehen. Das Duo wirkt unbestimmt bedrohlich, dunkel und schemenhaft verlässt es die Szenerie, doch der Schatten spiegelt sich noch verzerrt und aufwühlend im nur vom Zwielicht beleuchteten Gewässer. Trost spendet dieses Licht nicht. Einen verstörenden Kindertraum in Form einer Skulptur zeigte auch Gehard Demetz. Der Körper der hölzernen Kinderstatue ist von metallenem, kirchlichen Zierrat durchbrochen. Das Mädchen schließt die Augen und verschränkt trotzig die Arme, während ihr Leib von den Stangen durchbohrt wird. Es stemmt sich im Stand gegen die zerstörerische Kraft, doch der aus mehreren Holzblöcken zusammen gesetzte Köper ist unwiederruflich durchdrungen, die Wiederhaken haben sich festgesetzt. Einen märchenhaften Retro-Charme versprühten die sehr ansehnlichen Kollagen von Marcel Dzama.

Konzeptlastig ist ein politisches Werk von Vik Muniz namens "Obama". Die von 2012 stammende Kollage stellt US-Präsidenten Barack Obama dar. Er schaut in die Ferne - ein für ihn typische Darstellungsweise mit hohem Wiedererkennungswert. Von Weitem ist Obama auf blauem Hintergrund, wie in der freien Natur dargstellt, geht man näher geran, so sieht man sofort, dass der Himmel keiner ist, sondern aus vielen Schnipseln einzelner Bilder besteht. Sein Kopf setzt sich aus mehreren kleinen Kopf-Bilder zusammen, im Hintergrund erkennen wir viele amerikanische Flaggen und typische Symbole, wie Dollarscheine, die Freiheitsstatue, die Nasa und sogar auch das Apple-Logo. Das Werk deutet an: Obama - das sind viele. Der Präsident ist der Kopf eines Staates voller Menschen, für die er steht. Demokratiebestreben, die Raumfahrt im Hintergrund, die zahlreichen internationalen Flaggen als Zeichen für die Friedensbemühungen und Globalisierung - Weltoffenheit und Patriotismus sprechen aus dem Werk, das vielfach von den Besuchern fotografiert wird.New

Kritischere Stimmen kommen vom US-Künstler Wes Lang, vertreten durch eine Kopenhagener Galerie. "Freedom machine" von 2011 zeigt einen Sensemann, begleitet mit den Worten: "Everything you ever wanted. Allow." Links daneben hängt ein Gemälde eines Indianerhäuptlings in majestätischer Pose.

Spielerischer zeigt sich das Kugel Wer, das die Edith Wahlandt Galeriepräsentiert. Hier können die Besucher tatsächlich in den Raum, also mitten in das Kunstwerk treten. Dagegen traten die Besucher fast kaum an die doch so bekannten Werke von Ernst Ludwig Kirchner und Lyonel Feininger heran. Besonders von letzterem war eine ganze Reihe vertreten. Den Wert dieser renommierten Künstler schätzen einige Schaulustige so ein. "Also, wenn mir jemand sagt, dass das Kunst ist...", schnaubte ein Herr zu seiner Angetrauten.

Zum Abschluss der Art Cologne: Den mittlerweile jährlich verliehenen Mauroce Lacroix Award für die New Contemporaries, die besten Präsentationen der Junggalerien, ging 2013 an Corbett vs. Dempsey.

Einige der von der Messe groß angekündigten Werke waren am Ende weniger spannend, als die hier besprochenen und gezeigten und so bleibt der Haupteindruck der diesjährigen Art Cologne: Düster und verrucht.