„Die dunkle Seite von Red Bull“ - Eine sinnlose ARD-Doku

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 30. April 2013

Red Bull macht sich seit inzwischen 20 Jahren einen Namen durch Extremsport. Der einstige Getränkehersteller - inzwischen ist die Getränkeproduktion ausgelagert und nur die Marketingmaschinerie bleibt übrig - hatte über 500 Sportler unter Vertrag genommen und produziert reihenweise Werbeclips, Videos und Teaser, die den Slogan des umstrittenen Energydrinks stützen sollen: „Red Bull verleiht Flügel“. Allerdings ist Red Bull trotz voll verglastem Firmensitz in einem kleinen Dorf in Österreich nicht grade durchsichtig, was die Machenschaften hinter den Werbeclips angeht - auf dem Gelände patrouillieren Wachleute mit Hunden, auf der Fassade ist kein Logo zu sehen und gefilmt werden darf das Gebäude auch nicht.

Wo gehobelt wird, da fallen Späne, wo Extremsportler zugange sind, gibt es Unfälle - manchmal mit tödlichem Ausgang. Sechs dieser Todesfälle, die während Red Bull-Events stattfanden, beleuchtet die ARD-Doku „Die dunkle Seite von Red Bull“ - zumindest teilweise - näher.

Von großen journalistischen Leistungen, ja von investigativer Arbeit allgemein, kann nicht einmal im Ansatz gesprochen werden.

14 Jahre alt war der Motorradfahrer Toriano Wilson, als er im August 2008 beim Red Bull AMA U.S. Rookies Cup mit seiner Maschine stürzte und von nachfolgenden Fahrern überrollt wurde. Bis heute findet sich in den Red Bull-Videos kein Hinweis auf seinen tödlichen Unfall“, prangert die Erzählstimme in „Die dunkle Seite von Red Bull“ an.

Der Schneemobilpilot Caleb Moore starb Anfang diesen Jahres bei einem Stunt während der X-Games, dem wichtigsten Sportereignis für Extremsportler. Er wurde 25 Jahre alt. Und dann war da noch Eigo Sato. Der Japaner starb mit 34 Jahren nach einem missglückten Rückwärtssalto mit seinem Motorrad nur wenige Wochen nach Moore. Er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder.

Das sind sie die drei Statisten, die anlässlich der Dokumentation über den umstrittenen Red-Bull-Konzern von Helmut Büchel binnen weniger Minuten vorgestellt, durchexerziert und dann gleich wieder in die Kulissen geschubst werden. Sie alle starben bei Sportveranstaltungen, die mit Red Bull in Zusammenhang standen. Die anderen drei Toten der vergangenen Jahre wurden zum Glück besser beleuchtet - weil sie nicht einfach die üblichen Verunglückten bei Sportereignissen sind, die mit Red Bull sonst überhaupt nicht in Zusammenhang stehen, sondern tatsächlich unmittelbar bei Dreharbeiten oder Werbe-Events für Red Bull starben.

Allen voran legte die Dokumentation das Augenmerk auf den 2009 gestorbenen Basejumper Ueli Gegenschatz. „Er ist bei schlechtem Wetter gesprungen“, kommt da ein enger Vertrauter zu Wort und filmisch wird ein Sprung eines Freundes von Gegenschatz im schweizerischen Lauterbrunnental begleitet, das die Zeitungen das Tal des Todes nennen und wo ein mit Helmkamera aufgenommener Steg zur Absprungstelle führt. Erst Minuten später kommt heraus: Gegenschatz starb gar nicht in dem Tal, sondern in der Innenstadt von Zürich bei einem Sprung von einem Hochhaus. Was der ganze Exkurs ins Lauterbrunnental überhaupt sollte, erschließt sich erst hinterher - denn in dem Tal starb ein ganz anderer, nämlich Eli Thompson, der auch in „Die dunkle Seite von Red Bull“ behandelt wird. Für den emotionalen Touch wurde sogar dessen Witwe vor die Kamera beordert und berichtet mit tränenerstickter Stimme, wie sie damals ihrer kleinen Tochter erzählen musste, dass ihr Vater nie mehr nach Hause kommt. Ein weiterer Exkurs - nett, aber sinnlos. Gleiches gilt für den Auftritt von Shane McConkeys Vater. Sein Sohn war bei einem Ski-Stunt ums Leben gekommen, während er Szenen für den von Red Bull produzierten Film „McConkey“ drehte. Auch der tödlich endende Stunt soll mit in den Film geschnitten werden. Im Oktober kommt der Film in die US-Kinos.

Später behauptet jener Biograf sogar, „Anflüge eines sektenhaften Verhaltens von Red-Bull-Leuten“ erkannt zu haben.

Bis zum Ende der 45 Minuten Sendezeit kratzte „Die dunkle Seite von Red Bull“ leider nur an der Oberfläche. Von großen journalistischen Leistungen, ja von investigativer Arbeit allgemein, kann nicht einmal im Ansatz gesprochen werden. Die Recherche-Arbeit beschränkte sich für die Dokumentation auf das Präsentieren von im Internet abzurufenden Videos und dem Visualisieren markanter Mail-Inhalte. Dabei wäre es doch grade bei dem Unheil versprechendem Titel nur logisch gewesen, wenn man wenigstens mal einen Sprecher von Red Bull interviewt hätte. Stattdessen ließ sich das Team von einem Sicherheitswachmann in die Schranken weisen und mit PR-getränkten Mails der Mitarbeiter abspeisen. Groteskerweise wurde, offenbar um die Sendezeit doch noch voll zu bekommen, ein so genannter „Red Bull Biograf“ zu Kommentaren bewegt, der ob des Expandierens von Red Bull in den Mobilfunk-Markt nichts Besseres zu tun hatte, als einen großen Weltverschwörer-Konzern zu vermuten:

Red Bull beginnt sich immer mehr auszudehnen und eine komplette Red-Bull-Welt zu erschaffen.

Später behauptet jener Biograf sogar, „Anflüge eines sektenhaften Verhaltens von Red-Bull-Leuten“ erkannt zu haben. L. Ron Hubbard und Red-Bull-Eigentümer Dietrich Mateschitz sind also Brüder im Geiste? Erkennen sich Red-Bull-Leute an einem geheimen Handschlag wie die Freimaurer? Man weiß es nicht - den haarsträubenden Vorwurf lässt die Doku dann nämlich unbegründet im Raum stehen. Und auch der Versuch zu erklären, inwieweit Druck durch den Sponsor und möglicherweise ausbleibende Gage die verstorbenen Sportler dazu gebracht hat, trotz widriger Bedingungen ihre Sprünge zu machen, bleibt offen, obwohl mehrere Kommunikations- und Werbeexperten zu Wort kommen. Auch hier ist die Erklärung wieder: Tiefgreifende Erkenntnisse bleiben ausgeschlossen, weil die Recherche zu kurz griff - denn welche Gage die Springer tatsächlich bekommen, bleibt ebenso geheim wie vieles andere, das eine „dunkle Seite“ von Red Bull symbolisieren könnte.

Viel lehrt „Die dunkle Seite von Red Bull“ uns also nicht. Stattdessen zeigte die Dokumentation, dass bei Sportevents, bei denen zufällig auch Red Bull Sponsor war, hin und wieder Leute sterben - wie bei jedem anderen Sportevent der Welt auch. Und die Doku zeigte, dass Extremsportler für den Kick lebensgefährliche Stunts machen. Neu ist das aber in der Tat nicht. Vielmehr macht es das „extrem“ in „Extremsportler“ aus. Mit anderen Worten: Wenn es eine „dunkle Seite von Red Bull“ gibt, hat diese Doku sie nicht gefunden - und erst recht nicht beleuchtet.

Wer die Dokumentation verpasst hat, kann sie sich in der ARD-Mediathek ansehen.