Gülsen Celebi

Rechtsanwältin, Autorin

von Portrait von Arzu A. Kayvani Arzu A. Kayvani
Veröffentlicht am 15. November 2012

Gülsen, erzähle uns ein wenig über Dich.Wo kommst Du her? Wo lebst Du heute? Was machst Du so?

Ich stamme aus und lebe in Düsseldorf. Meine Eltern sind Gastarbeiter aus Anatolien und haben bis zu ihrer Verrentung gearbeitet und beim Wirtschaftswunder Deutschland mitgewirkt. Meine Erziehung war mit weiteren sechs wunderbaren, von Grund aus verschiedenartigen Geschwistern kunterbunt und sehr liberal. Jeder durfte an das glauben, was er will und auch so leben, wie er wollte - mit dem Maßstab die Rechte eines anderen Familienangehörigen nicht zu verletzen. Natürlich war die Bildung sehr Groß geschrieben. Somit war die einzige Schwierigkeit, Anwältin zu werden, das juristische Studium erfolgreich zu durchlaufen, welches ich ja letztendlich auch gut in Köln abgeschlossen habe. Zurzeit bin ich Fachanwältin für Familien- und Strafrecht, was jedoch nicht bedeutet, dass ich mich an diesen Beruf gebunden fühle. Ich könnte theoretisch morgen schon in irgendeinem Menschenrechtsverein arbeiten oder an irgendeinem Strand der Welt Kokosnüsse verkaufen. In meiner Kanzlei wird das Thema Probleme mit Migranten und die Konflikte in der deutschen Gesellschaft aufgrund des Andersseins immer wieder thematisiert. Ich bin zugleich eine Art Fluchthelferin in Not und daher oft Ansprechpartnerin für betroffene Frauen und Männer. Nicht spalten, sondern versöhnen ist das Motto meiner Arbeit. Das Beste aller Kulturen annehmen und verbreiten ist besser, als einem Mechanismus zu folgen, ohne ihn hinterfragen zu dürfen. Eine Brücke zwischen Kulturen, die man immer benutzt, kann nur der Motor für eine funktionierende Gesellschaft sein. Dafür stehe und kämpfe ich.

"Eine Brücke zwischen Kulturen, die man immer benutzt, kann der Motor für eine funktionierende Gesellschaft sein"

Du hast 2008 Dein Buch „Kein Schutz, nirgends“ rausgebracht. Diesem Buch liegt ein dramatisches Erlebnis zugrunde,dass Du als Anwältin erlebt hast. Kannst Du uns kurz davon erzählen?

2007 konnte der Ex-Mann einer meiner Mandantinnen, der bekanntermaßen gewalttätig war, zu einer Sorgerechtsanhörung bzw. einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz in Mönchengladbach kommen, obwohl ein Haftbefehl gegen ihn vorlag. Von diesem erfuhr ich kurz vor der Verhandlung. Ich bat den Richter um Hilfe, der darauf hin zwar die Staatsanwaltschaft anrief, aber den Mann trotzdem gehen ließ. Minuten später erschoss er seine Frau und seine Tochter auf der Straße. Über diesen Fall und über die Versäumnisse der Justiz und Gesellschaft habe ich letztendlich das Buch geschrieben. Nach dem Mord an meiner Mandantin hat sich die Justiz mit formellen Argumenten von jeder Verantwortlichkeit frei sprechen können.

Hast Du das Gefühl, dass sich in Deutschland in der Politik, Justiz und Gesellschaft eine Entwicklung zum abzeichnet, sich mit der Thematik Ehrenmorde und  Zwangsheirat intensiver auseinanderzusetzen und Maßnahmen dagegen zu ergreifen? Was müßte man Deiner Ansicht nach unternehmen?

Die Justiz ist dafür da, seine Bürger zu schützen. Wir alle Beteiligten sollten uns Gedanken machen, was man machen sollte, damit sich solch ein Ereignis nicht noch einmal wiederholt. Wenn man schon das Geschehene nicht rückgängig machen kann, dann sollte sich der Gesetzgeber erneut ernsthaft mit der Materie befassen und bereit sein, Veränderungen bzw. Verbesserungen an der Gesetzeslage vorzunehmen. Verbesserungsmöglichkeiten gibt es immer! Die Opfer werden mit ihren Sorgen oft allein gelassen. Es ist nicht so, dass wir nicht  die Grundlage haben, gegen Gewalt in unserer Gesellschaft vorzugehen, aber die Theorie und die Praxis fallen weit auseinander. Obwohl Zwangsheirat verboten ist, findet es statt und wir müssen oft machtlos zuschauen, da die Betroffenen z.B. den Zustand nicht zur Anzeige bringen. Frauen, die davon betroffen sind, sind  nachdem sie sich doch wehren wollen, oft Stalking-Opfer. Stalking-Betroffene müssen sofort Hilfe bekommen. Mehrere Hunderttausend Menschen sind in Deutschland Opfer von Stalking und erhalten keine ausreichende Hilfe. Einstweilige Verfügungen helfen diesen Menschen meist auch nicht, da die Täter oft in Beschwerde gehen, so dass die Opfer auch noch durch ein anstehendes Verfahren belastet werden. Zudem ist dies verbunden mit Kosten. Es ist auch nicht nachvollziehbar warum Täter ein Recht haben sollen sich den Opfern zu nähern oder überhaupt jemanden, der es nicht möchte. Es sollte die Möglichkeit einer sofortigen Verfügung geben ohne Beschwerdemöglichkeit in der Sache selbst. Hinsichtlich der Kosten könnte man jedoch den Beschwerdeweg bestreiten, um Missbrauch vorzubeugen. Haftbefehle müssen unverzüglich ins polizeiliche System eingespeichert werden, vor allem Verbrechen.

"Die Opfer werden mit ihren Sorgen oft allein gelassen"

Du bist mit Leib und Seele Anwältin. Wann hattest Du Deinen letzten schönen Moment, der Dir gezeigt hat, dass Du das Richtige tust?

Das habe ich eigentlich sehr oft. Vor allem, wenn ich dann mitbekomme, dass die jungen Frauen ihren eigenen Weg gehen, die vorher wie scheue Rehe bei mir um Hilfe gebeten haben.

Wann hast Du das letzte Mal geflunkert?

Hahahaha, wir Anwälte werden ja ständig von unseren Mandanten angeflunkert. Ich nehme das ganze sehr beruflich und flunkere für diese dann weiter, denn besser weiß ich es ja dann auch nicht. Kann ja nur das Material nutzen, was der Mandant mir in die Hand gibt. Ob das dann immer flunkern ist, ist auch noch mal so eine Sache. Nur wenn mich ein Mandant derart anlügt, dass sich die Balken biegen, dann hören diejenigen schon zwei ordentliche Takte von mir. Ansonsten gehört die bewusste Lüge seit langem nicht mehr in mein Leben. Man belügt ja im Grunde nicht den Gegenüber, sondern nur sich selbst an. Aber ganz frei spreche ich mich trotzdem nicht davon, denn in Extremsituationen weiß ich nicht, wie ich reagiere. Ich würde auf jeden Fall lügen, wenn ich damit jemanden leben retten könnte. 

Wann brauchtest Du das letzte Mal selbst einen Anwalt?

Im Zusammenhang mit dem Buch brauchte ich Rechtsbeistand durch einen Kollegen, denn man sollte möglichst in eigener Angelegenheit nie selber walten. Das Buch wurde, nachdem es in den Verkaufsregalen lag, im Wege der einstweiligen Verfügung anfangs zum Verkauf verboten. In der Berufungsinstanz einigte man sich darauf, dass man das Buch weiter betreiben kann, wenn bestimmte Passagen gestrichen werden.  Die erste Auflage ist vergriffen und eine weitere Auflage wird es nicht geben.  Es gibt jedoch die Möglichkeit, das Buch im Netz zu lesen.  

Was ist das tolle an Deiner Stadt? Was würdest Du Deinem Gast auf jeden Fall zeigen?

Obwohl ich auch Köln liebe, ist Düsseldorf etwas Besonderes. Die Stadt ist weder zu groß, noch zu klein und trotzdem eine Weltstadt, die sich nicht vor anderen großen Metropolen verstecken muss. Der Hafen am Rhein mit seinen kulinarischen Genüssen, die Rheinpromenade mit dem Flair des Südens und die Altstadt mit der längsten Theke der Welt ist ebenso angesagt, wie das Flanieren über die berühmte Königsallee. Die vielen Grünanlagen geben ihr die besondere Note einer Wohlfühlstadt. Das japanische Handelszentrum und seine Meile, nicht unweit vom Zentrum, sorgen dafür, dass meine Gäste sich auch mal wie in Japan fühlen können. 

"Obwohl ich auch Köln liebe, ist Düsseldorf etwas Besonderes"

Kannst Du Dich an Dein fruchtbarstes Date erinnern?

Es gibt keine furchtbaren Dates, nur lehrreiche! :-) Denn aus diesen kann man immer etwas lernen, z.B. dass der Gegenüber definitiv der Falsche ist. 

Bei welchem Film bist Du das letzte Mal aus dem Kino gegangen, bevor der Film zu Ende war?

Bevor ich aus irgendeinem Film rausgehe, schlafe ich lieber im Kino ein. Es gibt doch keinen schöneren Platz zum Einschlafen als das Kino. Das ist wohl auch mal passiert, an den Namen des Films kann ich mich jedoch nicht mehr erinnern.

Wo verbringst Du dieses Jahr Silvester?

In Los Angelos bei Freunden.

"Es gibt keine furchtbaren Dates, nur lehrreiche!"

Worauf freust Du Dich gerade?

Ich freue mich gerade, dass ich es genau 24 Stunden geschafft habe, nicht zu rauchen. Ich war nämlich beim Heilpraktiker und habe mir gegen das Aufhören Injektionen in mein Ohr injizieren lassen. Noch habe ich keine Entzugserscheinungen….