Fragwürdiges Verhalten im Flugverkehr - Zeit fürs "Passenger Shaming"

von Portrait von Götz H. Henke Götz H. Henke
Veröffentlicht am 6. Oktober 2014

Wem kommt keins davon bekannt vor? Das von hinten am Sitz rüttelnde, kreischende Kleinkind. Der Sitznachbar, der vergaß das Deodorant aufzutragen. Oder jener Sitznachbar, der laut schnarchend und womöglich auch sabbernd neben einem sitzt und Ihre Schulter dann auch noch als Kissen missbraucht? Sicherlich auch ein Klassiker ist der Kampf um das einem eigentlich zustehende Stück der Armlehne. Obwohl "leben und leben lassen" eigentlich schon ein Konzept ist, mit dem ich mich anfreunden kann, platzte mir persönlich einmal der Kragen, als ich mich auf einem Langstreckenflug auf einem Sitz wiederfand, der sich selbst kaum in Rücklehnstellung bringen ließ und dort, wo ich normalerweise meinen linken Fuß platzieren würde, ein Kasten Elektronik angebracht war. In der Reihe vor mir befand sich ein Paar mittleren Alters, das schon kurz nach Abflug auf die Idee kam, es sich richtig gemütlich zu machen. Soll heissen: schön zurücklehnen ohne Rücksicht auf Verluste. Am besten ohne Unterbrechung den ganzen Flug über. Für mich selbst war das schon unangenehm genug, doch als ich sah, wie meinem (weder schlecht riechenden noch schnarchenden) Sitznachbarn, ein ziemlich langgewachsener Typ, beim Arbeiten an seinem Laptop kaum noch Platz blieb und ich es für durchaus möglich hielt, dass er durch den fehlenden Raum schon Durchblutungsprobleme in den Beinen bekommmt, entschloss ich mich, für uns beide Partei zu ergreifen. Es folgte eine kurze aber hitzige Diskussion mit den Vorderleuten, welche sich im ersten Moment nun leider nicht sehr kooperativ zeigten.  Am Ende sprang dann gottseidank doch noch ein wenig mehr Beinfreiheit für uns raus.

Alles Firlefanz. "Passenger Shaming", ins Leben gerufen von einer Stewardess, die in ihrer Karriere wohl schon zuviel gesehen hat, um all dies für sich alleine zu behalten, hat sich mit Ablegern auf Facebook und Instagram schnell zu einem Sammelsurium für Bilder von schamlosen Passagieren und ihren Eskapaden entwickelt. Füße, nackte wohlgemerkt, gerne seitlich am Sitz vorbei in die Reihe vor einem gedrückt oder sonst in alle Himmelsrichtungen ausgestreckt, sind hier ein wiederkehrendes Motiv, genau wie Passagiere, die ihre eigene Konfektionsgröße nicht kennen oder die Klamotten gleich ganz weglassen. Liegestützen im Gang, Leggings mit Penis-Motiven oder gar Plastiktüten über dem Kopf gehören hier definitiv noch zu den kleineren Problemen. Spätestens wenn Mama bewusst die Entscheidung fällt, der Kleine kann doch auf dem Gang sein Geschäft in ein Eimerchen erledigen oder jemand vollgepinkelte Wasserflaschen auf dem Sitz zurücklässt, fängt man allerdings an, den eigenen Glauben an das Gute im Menschen beziehungsweise an ein Mindestmaß an Vernunft zu verlieren.