Die Grünen kritisieren "Wild Girls": RTL-Doku-Soap & Kolonial-Politik

von Portrait von Marlon Kumar Marlon Kumar
Veröffentlicht am 22. Juli 2013

"Übles Spiel mit Kolonial-Klischees": RTLs lächerliche Doku-Soap "Wild Girls - Auf High Heels durch Afrika", in welcher der Sender silikonschwere Trash-TV-Busenwunder in Namibia beim indigenen Stamm der Himbas entlädt, stößt nun endlich auch bei unseren grünen Volksvertretern auf Unverständnis. Namibia war eine ehemalige Kolonie des Deutschen Kaiserreichs, in der schwerwiegende Verbrechen an den Einheimischen ausgeübt wurden.

Ein vorm Aussterben bedrohtes Nomadenvolk wird also abermals für die Erste Welt für Unterhaltungszwecke zur Schau gestellt. Ein Volk ohne Medienrezeption realisiert die Auswirkungen dieses Formats womöglich noch nicht. Es geht hier um weit mehr, als nur zum Fremdschämen einladende Blödelei. Die Sendung hinterlässt eine desillusionierende Staubwolke des Westens. Wer hat das arrangiert? Was bekommen die Himbas als Gegenleistung? Woher nimmt sich RTL das Recht, einem indigenen Stamm die Misstände, Mutationen und Fehlentwicklungen des dekadenten Westens aufzuzwingen?

Fragen mit denen sich auch Ute Koczy, die entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, befasst: In einem Schreiben an RTL fordert sie Informationen über die kritischen Produktionspunkte der Soap. In einem Fax, das Spiegel Online vorliegt, betonte die Politikerin noch einmal die kolonialen Aspekte von "Wild Girls":

"Wie Sie sicherlich wissen, wurden während der deutschen Kolonialzeit massive Verbrechen an den indigenen Völkern in Namibia begangen. (...) Es erscheint mir daher mehr als unpassend, eine derart auf kulturellen Klischees basierende Sendung ausgerechnet in Namibia spielen zu lassen."

Gerade die Himba seien in besonderer Weise von Menschenrechtsverletzungen betroffen - "dies hat 2012 bereits die Sonderberichterstatter über die Rechte der indigenen Völker auf den Plan gerufen.", konstatierte Koczy.
RTL-Pressesprecherin Anke Eickmeyer antwortete, dass es sich bei "Wild Girls" lediglich um ein Erzeugnis der Unterhaltung handele - ohne soziokulturelle und politische Diffamierung:

"Was wir nicht geplant hatten, war eine Geschichtsdokumentation, ein Porträt über Afrika bzw. die Himba oder eine politische Sendung über Menschenrechtsverletzungen - dafür gibt's genug andere Formate, in denen diese Themen besser aufgehoben sind. Es gab Verhandlungen mit dem Häuptling. Er wusste genau, was er verlangen kann. Es war eine sehr freundschaftliche Atmosphäre."

RTL selbst räumte gegenüber dem Spiegel ein, dass der Sender für solcherlei politische Reportagen gar keinen Platz habe. Wäre ja auch gelacht, wenn RTL eine wissenschaftlich fundierte, niveauvolle Sendung ausstrahlen würde. Niemand kann so naiv sein, zu denken, diese Sendung habe keine fatalen Auswirkungen auf das Volk der Himbas. Schade, dass lieber weggeguckt oder der Fernseher angeschaltet wird, anstatt zu spenden. Kein Wunder, dass der Häuptling RTLs Devisen mit Wohlwollen aufnimmt - auch wenn sein Volk als Kulisse für grenzdebile, auf Krawall gebürstete Trash-Gören herhalten muss.