Ortsschild Manheim - (c) Stephan Wagner © Stephan Wagner

Neues Leben im verlassenen Dorf: Flüchtlinge in Kerpen Manheim

von Portrait von Stephan Wagner Stephan Wagner
Veröffentlicht am 24. März 2015

Der Umgang mit Flüchtlingen und die Asylpolitik sind zurzeit aktuelle Themen, an denen die Meinungen weit auseinander driften. Während sich die einen vor einer Überfremdung fürchten und um die Sicherheit im eigenen Land bangen, gibt es auf der Gegenseite hilfsbereite Befürworter der Flüchtlingsaufnahme. Die Stadt Kerpen hat sich nun etwas Besonderes für die Unterbringung von hilfsbedürftigen Flüchtlingen einfallen lassen.

Im Mai 2011 wurde der Plan zur Umsiedlung des Kerpener Stadtteils Manheims genehmigt und der Ort muss nun bis zum Jahr 2022 dem Strom- und Gasanbieter RWE Power AG und seiner Braunkohleförderung weichen. Bis dahin stehen die meisten Häuser der bereits umgesiedelten Bewohner zum großen Teil leer. Diese leerstehenden Häuser nutzt die Stadt Kerpen nun zur Unterbringung von Flüchtlingsfamilien.

Auf den Straßen des Kerpener Stadteils Manheim ist es ruhiger geworden. Umgeben von Wiesen und Feldern kommt nur noch selten ein Auto durch den Ort, der schon bald den Braunkohleschaufeln weichen muss. Ein Großteil der ehemaligen Bewohner wurde bereits in das 7 Kilometer entfernte Manheim-Neu umgesiedelt und hat dort sein neues Heim bezogen oder befindet sich mitten in der Bauphase. An vielen Häusern sind bereits die Briefkästen zugeklebt und die Rollladen runter gelassen. Auf den Gehwegen und Hauseinfahrten stehen vereinzelt Container mit altem Hausrat und alten Reifen. Neben der allgemeinen Aufbruchsstimmung und dem Abschiednehmen von der alten Heimat, gibt es auch neue Gesichter in dem kleinen Dorf Manheim. Es sind die Gesichter von Flüchtlingen, die in leerstehenden Häusern untergebracht wurden und auf eine bessere Zukunft hoffen.

Stephan WagnerStephan WagnerRuhige Straße durch Manheim

Im Netz fallen die Reaktionen auf die neuen Nachbarn sehr unterschiedlich aus. Neben abgeneigten Kommentaren wie: "Ja warum nicht. Ist ja nicht so, dass schon genug hier sind", "Ohne Worte......langsam reichts" oder unqualifizierten Sprüchen wie: "Sperrmüllsammler gibt es überall", finden sich zum Glück überwiegend vernünftige und entgegenkommende Aussagen:

Warum sollen die Häuser leer stehen und die Flüchtlinge auf engstem Raum leben? Ist doch eine gute Lösung.

Richtig, bis der Bagger kommt, können sie dort leben. Und seid bitte nicht so ausländerfeindlich. Ihr wisst gar nicht was die Familien alles mitgemacht haben.

Den Flüchtlingen in Kerpen wünsche ich erst einmal ganz herzlich:  Welcome to Germany und dass sie auf jeden Fall sowohl von der Stadt Kerpen als auch ganz besonders von uns Bürgern freundlich, würdig, respektvoll betreut und behandelt werden.

Warum unfassbar? ..Es ist doch besser, als mit hunderten in einer Turnhalle untergebracht zu sein....

Stephan WagnerStephan WagnerGute Botschaft der AWO im Schaukasten: Gegen Rassismus!

Interview

Für ein Interview habe ich mich mit Pfarrer Ludger Möers getroffen und ihn zu der aktuellen Situation in Kerpen Manheim befragt. Als Pfarrer der Gemeinde St. Martinus Kerpen und Mitglied des Seelsorgebereichs Kerpen Süd-West kennt er die Stimmen der Gemeinde und steht durch seine Arbeit in engem Kontakt zu den Flüchtlingen.

 

Herr Möers, wie viele  Flüchtlinge sind momentan in Manheim untergebracht?

  • Soweit ich weiß sind momentan 62 Personen in 6 Einfamilienhäusern untergebracht und ein siebtes ist in Vorbereitung.


Stehen für die Flüchtlinge Angebote oder Möglichkeiten zur Integration in die Kerpener Gesellschaft zur Verfügung oder gibt es Annäherungsversuche vonseiten der Bürger?

  • Solche Annäherungsversuche haben beispielsweise vor Weihnachten stattgefunden. Wir haben in Manheim im Gemeindezentrum der katholischen Pfarrgemeinde ein Willkommensfest veranstaltet, als  wir wussten, dass alle soweit da sind und haben dann alle eingeladen. Für die Kinder hatten wir Spielangebote vorbereitet und für die Erwachsenen Kaffee und Kuchen gemacht und ein wenig gemeinsam gefeiert. Heute laufen Deutschkurse im Gemeindezentrum und es gibt Kontakte, um Kleidung auszutauschen oder zu übergeben. Außerdem werden Möbel von den ausziehenden Personen an die  Neuankömmlinge abgegeben.


Haben Sie die Reaktionen der Bürger also überwiegend positiv erlebt oder gab es auch negative Stimmen von ehemaligen Bewohnern Manheims zur Neubelegung ihrer alten Häuser?

  • Ja, da wurde mir aus der Kirchengemeinde und der Dorfbevölkerung zugetragen, dass sich ein oder zwei Personen, die sich aber immer über alles aufregen, auch darüber aufgeregt gezeigt haben. Ich bekomme aber nur mit: alle sind froh und man freut sich darüber neue Nachbarn zu bekommen und die Reaktionen waren generell sehr positiv.


Wie sehen die Pläne für den weiteren Verbleib der Flüchtlinge aus?

  • Das ist die Frage mit dem Aufenthaltsstatus, ob sie anerkannte Flüchtlinge und Asylanten werden, oder ob sie wieder in sichere Heimatländer abgeschoben oder zurückgeschickt werden. Zurzeit laufen Patenschaften zwischen deutschen Familien und Einzelpersonen mit den neuzugezogenen Flüchtlingsfamilien, um sie zu begleiten und zu unterstützen.


Haben Sie selbst ein besonders schönes Erlebnis in der Arbeit oder im Kontakt mit den Flüchtlingen erlebt?

  • Ich finde es sehr schön, dass es uns gelungen ist, für jede Familie eine Patenfamilie zu finden und dass dadurch eine Begleitung und ein Austausch möglich ist und somit eine Integration stattfindet. Für mich war es schön, als ich ein Bobby-Car an zwei kleine Flüchtlinge aus Somalia übergeben konnte und mir dachte: nun werden auch diese Schuhe nicht mehr lange halten. (Lacht.)


Gibt es Möglichkeiten oder Ansprechpartner, um den Flüchtlingen selbst zu helfen? Und wie gestaltet sich grundsätzlich die Versorgung der Flüchtlinge?

  • Grundsätzlich sind die Flüchtlingsfamilien im ersten Moment gut versorgt. Neben den Patenschaften gibt es einen Austausch für benötigte Gegenstände, aber durch die Stadt und die gesetzliche Unterstützung ist die Grundversorgung ausreichend. Alles andere wird ergänzt von Menschen, die es mitbekommen und die gerne weiterhelfen. Man kann sich bei uns gerne melden, um in den Pfarrbüros um Hilfe anzubieten oder auch Sachen anzubieten. Diakon Siebelist führt eine Homepage, wo Möbel angeboten werden können. Es reicht ein Foto zu schicken und er stellt es auf der Homepage ein und derjenige, der es brauchen kann, ob nun Flüchtiger oder Hilfsbedürftiger kann es sich dann abholen.


Vielen Dank für das interessante Gespräch!

  • Gern geschehen.

 

 

Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Situation der Flüchtlinge in Kerpen Manheim weiterentwickelt. Zum Glück gibt es viele offene gastfreundliche Menschen, die den Flüchtlingen unterstützend zur Seite stehen und ihnen das Gefühl geben, in Kerpen willkommen zu sein. Die negativen Stimmen werden wohl leider immer im Zuge der Flüchtlingsdebatte auftauchen, doch die Arbeit in Kerpen Manheim zeigt, dass ein offener und freundlicher Umgang mit den Neuankömmlingen nur positives mit sich bringt.
 

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