Warum Cars 2 der bisher schlechteste Pixar-Film ist

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 2. Dezember 2011

In den 80ern bestand die Haupteinkommensquelle der heutigen Animationsfilmschmiede Pixar aus einem High-End-Rechner, der hauptsächlich von der Medizinbranche und von staatlichen Institutionen genutzt wurde. Die Kurzfilme, die die Abteilung von John Lasseter animierte, entstanden für PR-Zwecke und waren allenfalls schmückendes Beiwerk. Aber als die Aussichten, mit computeranimierten Filmen Geld zu machen, in den 90ern stark stiegen, stieß Pixar das eigentliche Kerngeschäft ab und widmete sich ganz der Filmproduktion. Das hat sich gelohnt – von den 12 Spielfilmen, die seitdem entstanden, haben sechs den Oscar als bester animierter Spielfilm gewonnen. 3 weitere Oscars gab es für animierte Kurzfilme. Als 1995 mit „Toy Story“ die erste Co-Produktion mit Disney ein Riesen-Erfolg wurde (Budget: 30 Millionen Dollar, Einspielergebnis: 354 Millionen Dollar), ging das Unternehmen an die Börse. Die Aktie verdoppelte ihren Wert und machte Geschäftsführer und Apple-Mitbegründer Steve Jobs zum Milliardär. Der im letzten Jahr erschienene „Toy Story 3“ ist einer von derzeit 10 Filmen, die mehr als eine Milliarde Dollar einspielten. Mit „Cars 2“ jedoch kam im Sommer 2011 der bisher schlechteste Film von Pixar in die Kinos.

Lightning McQueen hat seinen Rennstall nach Radiator Springs verlegt und hat viel Spaß mit seinem besten Freund, dem einfältigen Abschleppwagen Hook. Doch dann lädt der Entwickler eines neuen Öko-Treibstoffs McQueen und alle anderen Rennautos der Welt zu einem einzigartigen World Cup ein, in dem entschieden werde soll, wer der beste Rennwagen ist. Natürlich ist das alles nur PR für den alternativen Kraftstoff. Doch während der Rennen kommt es immer öfter zu unerklärlichen Motorschäden. Hook wird inzwischen Opfer einer Verwechslung und muss zwei Spionen helfen, eine geheime Operation durchzuführen, durch die der Kopf einer mysteriösen Mafia-Verschwörung aufgedeckt werden soll.

Der bisher schlechteste Pixar-Film

Wenn Walt Disney sehen würde, wie viel heute in seinem Namen in die Luft gejagt, geschossen und verdroschen wird, würde er sich im Grabe umdrehen. Da, wo der erste Teil, „Cars“, mit tollen Figuren, Nostalgie und Atmosphäre punkten konnte, versagt „Cars 2“ mit Pauken und Trompeten. Zu viel Nutzloses wird in die 102 Minuten Laufzeit gepresst, zu gewollt ist die Spionage-Geschichte, zu abwegig die dargestellte „Realität“. Schon die Einführungsszene auf einer Ölplattform im Meer verlangt dem Zuschauer viel Nachsicht in Sachen Logik ab. Zugegeben, in einer Welt, in der es nur Autos gibt, ist die Logik von Anfang an ein dehnbarer Begriff, aber wo sich ein stilisierter Aston Martin wie Spiderman durch die Lüfte hangelt und Autos sich gegenseitig verprügeln, kommt der Unterhaltungswert für Besucher jenseits der Pubertät deutlich zu kurz. Der umwerfende Soundtrack des Vorgängers – ein Song hatte sogar einen Oscar gewonnen – verhallt in der Wüste um das fiktive Städtchen Radiator Springs. Wo „Cars“ Charme hatte, hat „Cars 2“ an Michael Bay erinnernde Action-Einschläge plumper Art und zwei Handlungsstränge, die belanglos nebeneinander herlaufen und sich erst zum Ende hin ächzend zusammenkonstruieren.

Was dem geneigten Zuschauer am deutlichsten auffallen wird, ist der Wechsel des Helden. In „Cars 2“ geht es nicht mehr um Lightning McQueen – er hatte seinen Wandel vom arroganten Star zum feinfühligen Romantiker schon durchlaufen. So musste Trottel Hook für den zweiten Teil herhalten. Er wird in eine schon gar zu oft gesehene Verwechslungsfarce verwickelt, die nur noch kleine Kinder unterhaltsam finden können. Anspielungen, die den Unterhaltungswert für Erwachsene erhöht hätten, fehlen in „Cars 2“. So bleibt der Humor infantil – nur Guido der Gabelstapler ist lustig. Dummerweise sieht man ihn und auch den Rest der alten Crew nur wenige Minuten. Die Figur des Rock Hudson wurde in der Fortsetzung ganz weggelassen – aus Respekt des 2008 verstorbenen Paul Newman gegenüber, der den Hudson im ersten Teil synchronisiert hatte.

"Warum?", fragt sich der Zuschauer oft

Aber „Cars 2“ hat nicht ausschließlich schlechte Seiten - wie schon „Cars“ sieht auch das Sequel fantastisch aus. Da staunt man über dynamische Reflektionen und andere Kleinigkeiten, mit denen Pixar wieder Maßstäbe setzt; die 3D-Effekte der Fortsetzung wurden in den Himmel gelobt. Nie sah eine am Computer erstellte Trickfilmlandschaft besser aus – egal, ob Tokio, Paris oder Italien, die Detailverliebtheit der Produzenten kannte offensichtlich keine Grenzen. Schade, dass man kleine kreative Ideen, die es in „Cars“ so häufig zu sehen gab, in „Cars 2“ vergeblich sucht. Stattdessen wird versucht, mit pompöser Effekthascherei zu vertuschen, dass der 200-Millionen-Dollar-Streifen bei Plot, Figuren und Humor dicke Minuspunkte einstecken muss. Die schäbig eingeschobene Moral um den Wert von Freundschaft kommt mit dem Vorschlaghammer daher und kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die einzige Botschaft von „Cars 2“ eigentlich nur lautet: „Auch der Dumme schafft es mit Glück“. Da kann auch der erstklassige Cast nicht helfen – neben Owen Wilson und Michael Caine haben Emily Mortimer („Shutter Island“), John Turturro („Transformers“) und Franco Nero („Django“) den animierten Autos ihre Stimme geliehen.

Warum Regisseur John Lasseter die Kuh nicht im Dorf lassen konnte und aus der Fortsetzung eine Spionage-Geschichte mit Schießereien und Explosionen statt einer zwischenmenschlichen Story machen musste, bleibt offen. Die Gerüchte um einen dritten Teil halten sich in Grenzen. Vorher stehen noch einige andere Projekte auf dem Plan, unter anderem der zweite Teil der Monster AG (erscheint im Sommer 2013) und ein bisher titelloses Dinosaurier-Projekt, das auch 2013 erscheinen soll. Der nächste Pixar-Kinofilm erscheint bei uns am 2. August 2012. In „Merida – Legende der Highlands“ wird zum ersten Mal eine weibliche Protagonistin versuchen, das Königreich zu retten. Prinzessin Merida hat sich nämlich bei Hofe schlecht benommen und damit viel Chaos verursacht. Für „Merida – Legende der Highlands“ hat John Lasseter jedoch nicht im Regiestuhl Platz genommen.

„Cars 2“ ist seit 1. Dezember 2012 auf DVD und Blu-ray erhältlich. Die Single-DVD-Edition bietet lediglich zwei Kurzfilme als Extra. Die Blu-ray bietet geschnittene Szenen, Set-Rundgänge, Featurettes und vieles mehr. Schade: auf das inzwischen gängig gewordene Wendecover ohne lästiges FSK-Logo verzichtete der Vertrieb.

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