Filmkritik: "Hin und Weg" mit Florian David Fitz und Julia Koschitz

von Portrait von Lina Wemhöner Lina Wemhöner
Veröffentlicht am 8. September 2014

Berührend, schmerzhaft, gefühlvoll und so unglaublich tragisch. Es ist schwierig für mich, meine Emotionen nach diesem Film zu bündeln und vernünftig in einer Kritik zusammenzufassen. „Hin und Weg“ (Kinostart: 24. Oktober 2014) hat mich durch seine Feinfühligkeit im Umgang mit einem sensiblen Thema und durch die Macht der Freundschaft und Liebe so gefesselt, dass durch Rührung kein Auge trocken blieb. Aber auch die Tragik des Films fügte ihren Beitrag nicht minder hinzu: Denn Protagonist Hannes leidet an Amyotrophe Lateralsklerose (kurz: ALS), einer unheilbaren Nervenkrankheit, die ihn von Tag zu Tag näher an den Tod führt. Nun will er den Zeitpunkt seines unausweichlichen Todes selbst bestimmen und arrangiert einen Termin zur Sterbehilfe in Ostende, Belgien. Den Weg dorthin will er mit seinen besten Freunden auf einer Fahrradtour bestreiten. Doch wie reagieren diese als sie von Hannes‘ Plan erfahren?

Die Hauptrolle dieses tragischen Roadmovies übernimmt der herausragende Florian David Fitz, der bereits in Produktionen wie „Vincent will Meer“ oder „Da geht noch was“ sein schauspielerisches Talent unter Beweis gestellt hat. Begleitet wird er auf seiner Tour von einem starken Charakter-Ensemble: Hannes‘ Frau Kiki wird von Julia Koschitz („Shoppen“, „Der letzte schöne Herbsttag“) verkörpert - vermutlich die schwerste Rolle des Films. Zwischen Hilflosigkeit und Stärke hin- und hergerissen, spielt Koschitz eine Frau, die ihren Mann in seiner Entscheidung zu sterben nicht zur selbstlos zur Seite steht, sondern ihm auch mit aller Kraft versucht, eine unvergessliche, letzte Reise zu verwirklichen. Jürgen Vogel („Die Welle“) umgarnt also Frauenheld Michael seine Zufallsbekanntschaft Sabine, gespielt von Miriam Stein („Goethe“, „Unsere Mütter, unsere Väter“). Johannes Allmayer („Männerherzen“) und Victoria Mayer („Kommissar Stolberg“) lernen als sexuell frustriertes Ehepaar Dominik und Mareike, ihrem Alltags-Trott zu entfliehen und auf ihre Gefühle zu hören. Auch Hannes‘ Familie wird durch eine prominente Besetzung verkörpert: Volker Bruch („Goethe“, „Unsere Mütter, unsere Väter“) spielt Hannes‘ Bruder Finn und Hannelore Elsner übernimmt die Rolle der Mutter.

Filmkritik: "Hin und Weg" mit Florian David Fitz und Julia Koschitz

Die Geschichte

„Ich wollte einfach ein letztes Mal mit meinen Freunden abhängen und nicht die ganze Zeit an diese Scheiß-Krankheit denken!“ (Hannes)

Ausgerechnet Belgien! Was gibt es dort schon – außer Pommes und Pralinen? Für die reisefreudige Gruppe ist es unverständlich, warum Hannes und seine Frau Kiki ausgerechnet Belgien zu ihrem diesjährigen Ziel erklärt haben. Doch was gibt es letztlich Schöneres als das Miteinander unter Freunden? Also startet die Truppe. Doch schon bald kommt es zu der ersten Zwangspause, da Hannes bereits nach kürzester Zeit außer Atem ist. Die Freunde nutzen die Gelegenheit und begehen ihr alljährliches Ritual: Jeder muss seinem Sitznachbarn eine geheime Aufgabe auf einem Bierdeckel überreichen, die während der Tour erfüllt werden muss. 

Erste offizielle Station der Reise ist bei ihrem alten Freund Jens, der aufgrund eines Beinbruches nicht an der Fahrradtour teilnehmen kann. Überraschenderweise ist auch Hannes‘ Mutter Irene zu Besuch. Die Stimmung innerhalb der Runde ist zunächst fröhlich und gelöst, bis Irene plötzlich in Tränen ausbricht. Für Hannes ist der Zeitpunkt gekommen, reinen Tisch zu machen und seinen Freunden von der Krankheit und seinem Wunsch, in Belgien zu sterben, zu erzählen.

Die Freunde sind zunächst fassungslos. Allen voran Finn, der nicht begreifen kann, dass aus einer lustigen Radtour, Hannes‘ Abschied vom Leben werden soll:

„Das kannst du nicht ernst meinen. Wie und wir sollen da auch noch alle mitmachen?“

Nach anfänglicher Ratlosigkeit, ob sie tatsächlich noch weiterfahren und Hannes auf seinem Weg begleiten sollen, wollen sie ihrem Freund den Wunsch erfüllen und ein unvergessliche Zeit gemeinsam verbringen. Voller Verlegenheit, weiß zunächst niemand mit der unbekannten Situation umzugehen. Doch schnell bricht Michael das Eis und tänzelt in Frauenkleidung der Gruppe entgegen. Seine Aufgabe – „in der Haut einer Frau stecken“ – hat er somit erfüllt.

Die Reise entwickelt sich zu einem spaßigen Abenteuer für die ganze Gruppe. Schlammschlacht, Frühstück im viel zu engen Zelt, Swinger-Club, Fallschirmsprung, Dorfdisco… sind nur einige Unternehmungen, die alle gemeinsam erleben.

Doch im Hinterkopf bleibt stets der Gedanke an das – für Hannes – unausweichliche Vorhaben. Für mich als Zuschauer war dieser Gedanke unglaublich belastend. So rührend sich dich Filmszenen gestalteten, umso mehr hoffte ich doch auf ein Happy End. Mit diesem mutigen Filmprojekt um das Thema Sterbehilfe hat mich Regisseur Christian Zübert definitiv in den Bann gezogen. Zwischen Komik und Tragik liegt nur eine sehr kleine Nuance, die er zutiefst ausgekostet und den Zuschauer in eine ebenso lebensbejahende wie ergreifende Geschichte begleitet hat. Nichts erscheint einem in diesem Moment wichtiger als Freundschaften, Liebe und das Leben. 

Übrig bleibt zuletzt nur noch Hannes‘ Aufgabe, die er zu erfüllen hat: Im Sommerregen tanzen.