Jale Izzetoglu

Schauspielerin, Theater- und Schauspieldozentin

von Portrait von Arzu A. Kayvani Arzu A. Kayvani
Veröffentlicht am 19. September 2012

Jale, erzähle uns ein bißchen von Dir. Wo wurdest Du geboren, wo lebst Du heute, was machst Du so?

Ich wurde 1972 in Istanbul geboren und lebe auch noch hier. Meine Wurzeln sind aus Azerbaydschan. Meine Mutter kommt aus Istanbul, mein Vater aus dem Iran, beide sind jedoch Azerbaydschanischer Abstammung. Ich habe am Konservatorium der Halic Universität hier in Istanbul Theater studiert, gleichzeitig an der Anadolu Universität die Betriebswirtschaftliche Fakultät beendet. Ich bin Mitgleid der Bakirköy Künstlervereinigung. Seit ich denken kann, war die Schauspielerei ein Teil von mir...und das Schreiben. Ich schreibe Gedichte und Stücke für Kinder. Ich kann sagen, dass Schauspielern und Schreiben meine Leidenschaft sind. Zwei Bereiche, in denen ich frei sein und mich ausdrücken kann. Schon in meiner Kindheit hatte ich eine starke Affinität zur Kunst – egal ob Musik, Malen, Tanzen, Literatur. Mein eher mit Spott begonnenes Abenteuer der Theaterausbildung hat mich dann in eine ganz andere Richtung gebracht. An dieser Stelle möchte ich an meinen, im letzten Monat verstorbenen Lehrer Müsfik Kenter denken. Er hat immer zu uns gesagt, dass wir, bevor wir Schauspieler werden wollen, in erster Linie Mensch sein müssen. Denn Schauspieler zu sein ist genau das – Mensch zu sein. Mit all seiner Nacktheit und Wahrheit, mit all seinem Richtig und Falsch, ein Mensch zu sein und dies auf der Bühne zu transportieren. Wer das kann, darf sich glücklich schätzen. Ich habe in Istanbul Engagements unter anderem an der Düsün Bühne, am Tevfik Gelenbe Thetaer, am Istanbul Staatstheater, am Theater Portakal und Maan Theater gehabt. Seit einigen Jahren unterrichte ich zudem in den Bereichen Theater, Drama und Diktion, was meine künstlerische Arbeit sehr bereichert. Lehre und beim Lehren zu lernen gefällt mir. Es ist sehr anstrengend, aber es gefällt mir sehr. Ich suche immer nach neuen Herusforderungen. Man lernt nie aus.

"Bevor man Schauspieler wird, muss man Mensch sein"

Was war Dein bisher schönstes Projekt?

Das ist eine schwieriger Frage. Denn jedes Stück hat eine ganz eigene Würze. Zum Beispiel haben wir in unserer Ausbildung als ein sehr individuelles Projekt das Stück Blockade von Arnold Wesker aufgeführt, was ich sehr genossen habe. Ich habe dort die Valerie verkörpert, was einen sehr bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat. Ich mag Wesker ohnehin als Schriftsteller sehr. Dann habe ich, wieder unter der Leitung von Müsfik Kenter, an Brechts Dreigroschenoper als Lady Peachum mitgewirkt. Es war unser Abschlußstück, und dass ich darin singen durfte, hat mich besonders glücklich gemacht. Nach meiner Ausbildung hat mir mein Engagement am Maan Theater sehr gefallen. Meine Erfahrungen und schöpferische Arbeit während dieser Zeit waren etwas ganz besonderes für mich.  Dort fand ich mehr noch als die Aufführungen, die Proben mit meinen Kollegen sehr bereichernd. Es war ein Genuss, in die Rollen zu schlüpfen und sie mit all ihrer Natürlichkeit zu erschaffen. Ich hoffe, ich darf wieder einmal in einem mich derart befreienden Stück mitwirken.

 

Was ist die schönen Seiten von Istanbul?

 

Eine Stadt auf sieben Hügeln...Das schönste an ihr ist das Meer. Es ist eine Stadt ohne Ecken und Enden. Viele Erinnerungen und besonderen Momente verbinden mich mit dieser Stadt. Eine Stadt, in der das soziale Leben pulsiert, das Herz der Kunst schlägt. Eine riesige Stadt, die ebenso ihre schlechte Seiten hat. Es ist wie eine Liebe...sowohl eine Krankheit, als auch wie Medizin. Auch wenn Du von Zeit zu Zeit den Verkehr, die hohen Preise und die Hektik des Alltags vefluchst, Du kannst doch nicht ohne sie. Selbst wenn ich die Stadt verlasse, habe ich das Gefühl, dass ein Teil von mir immer hier bleibt. Wie kann es auch möglich sein, Taksim, das Goldene Horn, den Strand von Bakirköy oder Sultanahmet nicht zu vermissen? 

"Istanbul ist wie eine Liebe...wie eine Krankheit und gleicheitig wie Medizin!"

Wo gehst Du hin, wenn Du mit Deinen Freunden ausgehst?

 

Ich gehe nicht so oft aus. Und wenn ich mit meinen Freunden ausgehe, dann in Bakirköy und Taksim. Wir quatschen dann immer viel. Ich mag Bars mit Livemusik oder gehe gerne ins Theater und ins Kino. Eigentlich ist der schönste Ort die Nacht. Und die Sterne in ihr. Ich werde nicht satt, sie zu betrachten.

 

"Eigentlich ist die Nacht der schönste Ort" 

Mit welchem Künstler würdest Du gerne einmal arbeiten?

 

Ich würde gerne ich einem Kinofilm mitspielen. Mein Traum ist es, einmal mit Fatih Akin zu arbeiten. Ich habe gesehen, wie er mit seinen Schauspielern arbeitet und das hat mich begeistert. Außerdem liebe ich seine Filme. Ich würde auch gerne einmal mit Meryl Streep arbeiten. Sie ist für mich eine großartige Schaupielerin. 

"Mein Traum ist es, einmal mit Fatih Akin zu arbeiten"

Was ist das letzte Buch, das Du gelesen hast?

 

Yetmis yasim merhaba (Guten Tag mein 70. Jahr) von Aziz Nesin

 

Wann hattest Du das letzte Mal so richtig Angst?

 

Ich habe eine Phobie vor Tieren. Selbst wenn ich sie von Weitem mag und auch versorgen könnte, kann ich mich ihnen nicht nähern. Letzten Monat ist einmal der Strom ausgefallen und ich bin in einem Hundepark steckengeblieben. Ich habe mich dort zu einem der Aufseher geflüchtet und hatte das Gefühl, ich bin in einem Horrorfilm gelandet. Damals habe ich wirklich Angst gehabt, aber inzwischen meine Angst auch besiegt. Ich kann jetzt viel leichter Eingeständnisse machen. Zuletzt habe ich einen deutschen Schäferhund gekrault und er war richtig süß. Meine Mutter hat immer gesagt “Die Angst ist im Herzen des Menschen” – ich verstehe jetzt besser, was sie damit gemeint hat.

 
 

Was möchtest Du auf dideser Welt unbedingt sehen?

 

Ich würde mir gerne die Weltwunder ansehen. Aber sehr gerne möchte ich auch nach Kuba und überhaupt nach Lateinamerika.

 

Mit wem würdest Du gerne einmal im Aufzug stecken bleiben?

 

Außer mit meinem Freund? (lacht) Mit Ernesto Che Guevara und Rita Hayworth :-)

 

Welche Projekte sind in Planung?

 

Ich erzähl Euch von meinem Traum. Ich habe meinem Idol, meiner über alles geliebten Mama Yildiz Izzetoglu versprochen, einen Gedichtband herauszubringen. Diese Versprechen würde ich gerne erfüllen. Ich würde es auch gerne einlesen. Das wäre eine tolle Sache. Dann habe ich da noch die ein oder andere Idee für mein Leben. Ich hoffe, ich kann sie verwirklichen. Ich werde bald auch wieder unterrichten und ein Stück mit meinen Schülern erarbeiten. Ich selbst möchte aber auch wieder zurück auf die Bühne. Darüber hinaus organisieren wir im Altenheim Bakirköy immer Abende mit Theaterstücken, viel Musik und Gedichten. Ich würde gerne meine Schüler in derartige soziale Projekte miteinbinden.