Assassin's Creed Syndicate - (c) Ubisoft © Ubisoft

"Assassin's Creed Syndicate" - Assassinen im viktorianischen London der industriellen Revolution

von Portrait von Freya Wolff Freya Wolff
Veröffentlicht am 10. Dezember 2015

Seit jeher gibt es viele Legenden um den geheimnisvollen Templerorden, der auch schon in zahlreichen Büchern und Filmen thematisiert wurde. Ubisoft greift in der „Assassin’s Creed“-Reihe ebenfalls auf diese Sagen zurück und erzählt von Anfang an die Geschichte des endlosen Kriegs zwischen dem Templerorden und der Bruderschaft der Assassinen. Die einzelnen Teile der Reihe spielen je an verschiedenen Orten mit historisch bedeutenden Schlüsselmomenten. Entsprechend sind die Handlungen immer von wahren Personen und Ereignissen inspiriert und lassen den Spieler die Geschichte aus Perspektive der Assassinen durchleben. So führt der neuste Teil der Reihe, „Assassin’s Creed Syndicate“, nach den Kreuzzügen, der Renaissance und der Kolonisierung Amerikas in das viktorianische London der industriellen Revolution.

UbisoftUbisoftLondon, 1868

"Assassin’s Creed Syndicate" stellt einen entscheidenden Schritt in Richtung Moderne dar und bietet dem Spieler eine völlig neue Ära. Zu Zeiten der Industrialisierung gab es eine Reihe von faszinierenden Erfindungen, die mit ihren Technologien das Leben vieler Menschen grundlegend veränderten. 1868 war London nicht nur eine sehr belebte Stadt, sondern auch das ökonomische Machtzentrum der Welt. Ständig herrschte ein geschäftiges Treiben, Züge und Kutschen durchquerten die Stadt, Boote die Themse, im Untergrund entstanden Straßengangs. Obwohl Syndicate nur 70 Jahre nach der Französischen Revolution in "Assassin's Creed Unity" stattfindet, sind die technologischen Fortschritte enorm und erinnern schon annäherungsweise an unsere Zeit.

Spieler können sechs Bezirke Londons und die Themse frei erkunden und dabei berühmte Bauwerke entdecken, wie sie im Jahr 1868 aussahen. Wie immer glänzt Ubisoft mit der Leistung, diese detail- und originalgetreu nachzuempfinden und ihnen Leben einzuhauchen. Und natürlich trifft man im Spiel auch auf berühmte Persönlichkeiten der damaligen Zeit, auf die viele der Veränderungen des Viktorianischen Zeitalters zurückzuführen sind. Dazu gehören zum Beispiel Königin Victoria, Charles Darwin, Charles Dickens, Karl Marx, Alexander Graham Bell und Florence Nightingale.

UbisoftUbisoftAssassin's Creed Syndicate

Trotz vieler erfreulicher Fortschritte war die industrielle Revolution ein Zeitalter der sozialen Ungerechtigkeit und verkörpert so auch schwerwiegende Gegensätze. Denn neben zahlreichen positiven Veränderungen wird der Spieler auch mit Schattenseiten wie Brutalität und Ungleichheit konfrontiert. Die Arbeiterklasse wird permanent unterdrückt und kämpft mit erbarmungsloser Armut, während der Reichtum der wohlhabenderen Klassen stetig wächst. Der Kontrast zwischen dunklen Fabriken und hellen, reichen Nachbarschaften macht das allgegenwärtige Ungleichgewicht erschreckend deutlich. Kinderarbeit ist ein Hauptgrund für den großen Profit der Reichen und wird auch in "Syndicate" als Problem thematisiert. Spieler können hier eine wesentliche Rolle übernehmen und die Machtverhältnisse zum Guten verändern.

In dieser Zeit liegt außerdem der Ursprung von Straßengangs und organisierten Verbrechen. Gewalt und Kriminalität waren für viele Männer und Frauen der Arbeiterklasse die einzige Hoffnung, zu überleben, sich gegenseitig zu schützen und zu helfen. So wurden viele Viertel von Gangs kontrolliert, gegen die nicht einmal die Polizei einzuschreiten wagte. Auch unter verschiedenen Gangs fanden ständige Bandenkriege und Kämpfe statt, in denen es um Macht, Reichweite und Einfluss ging. Im Spiel gibt es die Rooks, die von den Protagonisten angeführt werden und deren Ziel es ist, die Arbeiterklasse zu befreien, während die Blighters als Gegenspieler die Ziele der Templer verfolgen.

UbisoftUbisoftBandenkriege zwischen den Blighters und den Rooks

Erstmalig gibt es in "Assassin’s Creed Syndicate" zwei Protagonisten, nämlich die Assassinen-Zwillinge Jacob und Evie Frye. Außer in Missionen steht es dem Spieler frei, zwischen den beiden beliebig zu wechseln sowie ihre unterschiedlichen Ansichten und Eigenschaften kennenzulernen. Die Geschwister möchten die Menschen aus dem Griff der Templer befreien. Ganz oben auf der Liste steht Templer-Großmeister Crawford Starrick, der Londons Industrie nach seinen Vorstellungen manipuliert und über die kriminellen Machenschaften in der Stadt entscheidet.

Jacob und Evie Frye sind gemeinsam aufgewachsen und teilen das gleiche Schicksal, trotzdem sind sie in vielen Hinsichten sehr unterschiedlich und das macht sich auch beim Spielen deutlich bemerkbar. Jacob ist impulsiv, ungestüm und schreckt auch vor roher Gewalt nicht zurück. Es war seine Idee, die Rooks zu gründen und er genießt es in vollem Maß, auf diese Weise in der Stadt für Aufruhr zu sorgen. Er möchte zum Anführer aller Gangs in London aufsteigen und so die Templer beseitigen. Während es ihm darum geht, möglichst tödlich zu sein, legt Evie viel Wert auf Überlegtheit, Vorsicht und Strategie. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Edensplitter zu finden und so vorzugehen, dass sie ihren strikten Prinzipien treu bleibt. Mit ihrem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit stellt sie das Handeln und Denken ihres Bruders oft infrage und unterstützt nicht alle seiner Entscheidungen. Doch auch Evie kann die Kontrolle verlieren und temperamentvoll sein. Spätestens an dieser Stelle ist es offensichtlich, dass Jacob und Evie Geschwister sind, die sich nicht nur ähneln, sondern auch ergänzen.

UbisoftUbisoftJacob Frye, Henry Green, Evie Frye

Passend zum viktorianischen London gibt es in "Assassin's Creed Syndicate" auch Waffen, die man teilweise noch nicht aus den Vorgängern kennt. Hauptwaffe ist nach wie vor der Körper und so zeigen die Zwillinge im Kampf stets vollkommene Körperbeherrschung. In dieser Zeit des Fortschritts sind natürlich auch die Waffen von modernen Einflüssen inspiriert. Trotzdem liegt der Fokus immer darauf, nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen und heimlich zu töten. So gibt es das Kukri, Schlagringe oder den Stockdolch, der ebenso elegant wie brutal ist. Jacob und Evie besitzen, wie es sich gehört, einen Assassinen-Handschuh mit versteckter Klinge, der aber mit einem Seilwerfer und halluzinogenen Bolzen aufgewertet wurde. Für die Distanz gibt es außerdem Wurfmesser, Revolver, Galvanibomben oder Rauchbomben, um sich unbemerkt aus dem Staub zu machen.

Das Gameplay ist ähnlich wie in "Unity" und bis auf wenige Ausnahmen nichts Neues. Jacob und Evie bewegen sich schnell und flüssig, meinen es manchmal aber etwas zu gut und klettern ungebeten auf alles, was ihnen in den Weg kommt. Erfindungen wie der Seilwerfer zeigen, dass sich auch die Assassinen seit dem ersten Teil stark entwickelt haben, was ihre Fortbewegung betrifft. So erleichtert der Seilwerfer das Erklimmen von hohen Gebäuden oder das Erreichen eines anderen Hauses wesentlich. Im Inventar gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Jacob und Evie mit Waffen auszustatten und Verbesserungen herzustellen, sofern man die nötigen Materialien in der Stadt sammelt. Verschiedene Monturen und Farben ermöglichen es, das Aussehen der Assassinen etwas individueller zu gestalten. Fähigkeitspunkte können für Evie und Jacob in den Bereichen Kampf, Schleichen und Ökosystem verteilt werden. Gleichzeitig gibt es Gang-Upgrades, um die Rooks zu trainieren und ihre Situation in London zu verbessern.

UbisoftUbisoftAssassin's Creed Syndicate

Im Gegensatz zu anderen Ablegern der Reihe steht die Hauptgeschichte in "Syndicate" nicht im Vordergrund. Die einzelnen Sequenzen sind teilweise sehr kurz und bleiben mit ihrem Inhalt im Gedächtnis nicht immer präsent. Da manche Missionen für das Ziel der Zwillinge scheinbar eher irrelevant sind, vergisst man manchmal beinahe ihre wahren Beweggründe. Der Bezug zur Gegenwart geht fast vollständig verloren und taucht während des Spiels nur sehr selten auf. So ist vor allem das Ende der Geschichte für den Spieler eher überraschend, wenn nicht sogar verwirrend.

Als Ausgleich hat das Spiel jedoch viele nicht weniger spannende Nebengeschichten zu bieten, die es zu erleben gilt. So gibt es zum Beispiel Groschenroman-Verbrechen oder Erinnerungen rund um Karl Marx, Charles Dickens, Charles Darwin und Queen Victoria. Auch gibt es verschiedene Arten der Templerjagd, um in der Stadt weitere Verbündete zu gewinnen und die Menschen zu befreien. Wie immer gibt es auch sammelbare Objekte, die viele Belohnungen für die Assassinen bereithalten. In einer besonderen Mission gelangt der Spieler in der Rolle von Lydia Frye, Jacobs Enkelin, durch ein Portal in den Ersten Weltkrieg, um Spione zu jagen. Mit diesen vielseitigen Aufgaben ist ein abwechslungsreiches Spiel garantiert, mit dem man sich auch länger befassen kann.

UbisoftUbisoftAssassin's Creed Syndicate

"Assassin's Creed Syndicate" gehört nicht ohne Grund zu den erfolgreichsten und verkaufsstärksten Spielen des Monats Oktober. Mit mehr als 100.000 verkauften Spielen auf der Playstation 4 wurde es durch den BIU (Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware) mit dem Gold-Award ausgezeichnet. Das Spiel glänzt mit vielen Elementen und Highlights, die begeistern, fesseln und einen direkt in die industrielle Revolution versetzen. Trotz kleiner Mängel macht es einen guten Eindruck und bietet eine detailreiche Spielerfahrung. Musik, Geräusche und Optik machen die Atmosphäre in London so realistisch, wie sie nur sein könnte. Mit einer guten Vorstellung, wie es damals auf den Straßen der Stadt ausgesehen haben könnte, macht das Open-World-Abenteuer besonders viel Spaß. Obwohl "Assassin's Creed Syndicate" nicht mehr viel mit der ursprünglichen "Assassin's Creed"-Erfahrung zu tun hat, ist es einzeln betrachtet trotz allem sehr gelungen und spielenswert.