Torsten Hesse

Leiter der „Comicademy“

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 25. Februar 2013

Erzähl doch bitte etwas über Dich selbst.

Geboren wurde ich 1975 in Thüringen, wo ich auch aufgewachsen bin. Letztlich hat es mich nach Berlin verschlagen, wo ich heute mit Mann und Kater zusammen lebe und arbeite. Mein fachlicher Hintergrund ist historisch, pädagogisch und publizistisch geprägt. Meine Aufgaben als Geschäftsführer sind sehr vielfältig und berühren noch viele Themengebiete mehr. Das Zeichnen jedenfalls überlasse ich unseren Trainern. Damit habe ich auch viel mehr Zeit zum Lesen von Comics.

Ist es nicht so, dass die Beliebtheit von Comics immer weiter sinkt? Kommt die Comicademy da nicht 30 oder 40 Jahre zu spät?

Ganz im Gegenteil – dank Manga und Graphic Novel erleben wir im Moment eine wirklich gute Zeit für den Comic, auch in Deutschland. Das Angebot wird immer breiter und erreicht mehr Leser. Comics finden wir heute eben nicht mehr nur in den Läden, in denen nur die „Comic-Nerds“ zu finden sind. Ob gute Unterhaltung, historische oder politische Stoffe, Comics für Frauen, Biographien, Bildungscomics – es gibt nahezu für jeden Geschmack Angebote. Und auch Erwachsene können Comics einfach so in der Öffentlichkeit lesen, ohne gleich schräg angeschaut zu werden. Comics sind kein Nischenprodukt mehr.

Im April geht der siebente Jahrgang an den Start. Was hat sich seit dem Pionier-Jahrgang verändert?

Auch Erwachsene können Comics einfach so in der Öffentlichkeit lesen, ohne gleich schräg angeschaut zu werden.

Unsere einjährige Teilzeitausbildung entwickelt sich natürlich mit den TeilnehmerInnen von Jahrgang zu Jahrgang weiter. Es sind immer öfter auch ältere Zeichner dabei, Grafik Designer, die gezielt eine Weiterbildung im Bereich Comic suchen, aber auch Schüler und Studenten. Wir erleben, dass die Teilnehmer immer klarer ganz strukturiert das Handwerk des Comic-Zeichnens erlernen wollen. Wir versuchen von Jahrgang zu Jahrgang die Ausbildung am aktuellen Stand in der Comic-Branche zu orientieren, damit der Praxisbezug nicht verloren geht. Die größte Neuerung ist, dass wir die Teilzeitausbildung nun auch als Online-Kurs anbieten können. Hier steht klar das digitale Arbeiten im Mittelpunkt und die Teilnehmer können auf das Archiv der aufgezeichneten Unterrichte zugreifen. Damit haben wir auch ein Angebot für diejenigen, für die die angebotenen elf Standorte zum regelmäßigen Pendeln zu weit entfernt sind. Ihr bietet einen Online-Kurs an.

Kann man denn tatsächlich am PC zeichnen lernen?

Nach wie vor fangen die meisten Zeichner natürlich mit Stift und Papier an. Da das als Material sehr handlich ist und einfach mit sich zu tragen, wird das auch nicht verschwinden. Wer professionell arbeitet, kommt aber immer weniger darum herum, dass am Ende eine digitalisierte Druckvorlage benötigt wird. Wie viel vom Arbeitsprozess digital passiert, muss jeder für sich selbst entscheiden und herausfinden, wie man selbst am besten arbeiten kann. Unsere Teilzeitausbildung soll auch dabei helfen, genau das herauszufinden. Die Online-Version funktioniert übrigens tatsächlich auch gut für Zeichner, die eher klassisch arbeiten, solang die Skizzen und fertigen Arbeiten per Scanner oder Fotoapparat digitalisiert werden können. Kurz und bündig: Wer am PC zeichnet, hat sich immer zuvor auch an Stift und Papier geübt. Wir können vermitteln, wie sich das Zeichnen digital umsetzen lässt.

Was bedeutet „Deutschlands größte Comic-Schule“? Wie viele gibt es denn und worin unterscheiden sie sich?

Wir bieten unsere Teilzeitausbildung bundesweit an sowie in Wien und Zürich. Das sind insgesamt elf Standorte, mit denen wir versuchen, die großen Ballungsräume im deutschsprachigen Raum abzudecken. Mir ist kein Projekt bekannt, dass räumlich so breit aufgestellt ist. Bisher haben fast 200 Teilnehmer das Programm durchlaufen. Dazu kommen noch Besucher verschiedener kleiner Workshops und natürlich die Mitglieder des Comicademy Scribble Clubs - das ist unsere ortsunabhängige und interaktive Online-Plattform. Ganz unbescheiden kann ich sagen, dass die Comicademy damit immer noch einmalig im deutschsprachigen Raum ist. Was uns von den meisten anderen Angeboten ebenso abhebt, ist unsere klare Ausrichtung auf Ausbildung und Handwerk. Dazu gehören ein detaillierter Lehrplan, die Aufgliederung in Fächer mit den entsprechenden Fachtrainern sowie eine Abschlussprüfung, bei der man übrigens auch durchfallen kann.

Die Kombination aus Bildern, Text und Kameraführung kann die Leser in einer ganz eigenen Art und Weise in die Geschichte hineinziehen.

Ihr nehmt Bewerbungen noch bis zum 28. Februar an. Worauf achtet ihr besonders, wenn ihr die Arbeitsproben sichtet? Welche Voraussetzungen brauche ich und wie erhöhe ich die Chance aufgenommen zu werden?

Aus den Arbeitsproben sollte natürlich der Bezug zum Comic hervorgehen. Dabei ist uns nicht so wichtig, dass die Seiten ein Jahr lang digital auf Hochglanz getrimmt wurden. Wichtiger ist, dass wir erkennen können, wo die Bewerber zeichnerisch stehen – mit Stärken aber auch Schwächen. Einen hohen Stellenwert nimmt für uns auch das Motivationsschreiben ein. Hier wollen wir den Bewerbern quasi dabei über die Schulter schauen, wie sie überlegen, was sie mit dieser einjährigen Teilzeitausbildung anfangen wollen. Das ist nun einmal eine lange Zeit, in der sich auch Lebensumstände ändern können und Interessen sich weiter entwickeln. Dessen sollen sich die Bewerber schon vorab bewusst sein. Die Kombination aus beidem, Arbeitsproben und Motivationsschreiben, soll zeigen „Ich will es“ und „Ich will wirklich etwas lernen und arbeite auch dafür“.

Wie erkenne ich, ob ich nur ein bisschen Talent habe, oder echtes Potenzial?

Talent ist eine gute Voraussetzung, um das Handwerk zu erlernen, das wir vermitteln. Der einjährige Kurs kann und soll auch dabei helfen, dass die Teilnehmer erkennen, wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Nicht jeder Zeichner ist perfekt in Storytelling, Paneling bis hin zur Koloration. Das erwarten wir auch nicht. Viel spannender können eigene Projekte werden, wenn man sich auf die eigenen Stärken konzentriert und Mitstreiter sucht, die eigene Schwächen mit ihren Stärken ausgleichen. Dieses arbeitsteilige Herangehen an Comics ist in den Comic-Nationen Frankreich, Japan oder auch in den USA viel selbstverständlicher als bisher in Deutschland. Genau so lässt sich aber das eigene Talent viel besser ausschöpfen und zum Potenzial stärken. Dafür gibt es natürlich kein Patentrezept. Aber das richtige Lernumfeld kann die Chance, dass man sein eigenes Potential erkennen und ausreizen lernt, natürlich deutlich beeinflussen.

Abgesehen von Berlin bietet ihr die Kurse in keiner einzigen Stadt in den neuen Bundesländern an – warum nicht? Ist das Interesse dort nicht groß genug?

Interessenten an unseren Angeboten finden sich überall. Die Kurse müssen natürlich aber auch die Kosten wieder hereinbringen. Also haben wir uns auf Ballungsgebiete konzentriert. Unsere Erfahrung in den neuen Bundesländern ist, dass Berlin hier den größten Einzugsbereich bietet und damit die besten Chancen, einen Kurs starten zu können. Leipzig oder Dresden verschwinden damit ja nicht von unserer Landkarte. Sowie wir die Chance für ein passendes Angebot auch in anderen Städten sehen, entwickeln wir dort entsprechende Ideen und Formate. Mitunter ist das ein Tagesworkshop oder vielleicht auch ein Ferienangebot. Wir werden auch immer wieder von Buchhandlungen, Bibliotheken, Schulen, Museen etc. angefragt.

Torsten Hesse

Was bedeuten Comics für Dich persönlich?

Ich liebe gute Geschichten, von Romanen bis hin zu Filmen. Comics sind ein weiteres Medium, um gute Geschichten zu erzählen. Die können spannend, unterhaltsam, komisch, aber auch ernst und tiefsinnig geraten. Wer schon einmal den Film zu einem Roman gesehen hat, der hat erlebt, wie unterschiedlich die Blickwinkel sind, aus der die gleiche Geschichte erzählt werden kann. Comic bietet hier eine weitere, fantastische Möglichkeit. Die Kombination aus Bildern, Text und Kameraführung kann die Leser in einer ganz eigenen Art und Weise in die Geschichte hineinziehen. Mich begeistert das am Comic jedenfalls immer wieder.

Wie sieht Dein Alltag aus?

Spannend und abwechslungsreich. Natürlich habe ich viel mit der Organisation unserer Angebote zu tun. Ich spreche mit Trainern, Teilnehmern und Partnern, entwickle und probiere neue Formate aus. Und ich beschäftige mich viel mit Comics und deren Entstehen. Für einen Comic-Fan ist das natürlich ein echter Traum.

Unterrichtest Du auch selbst?

Da ich selbst nicht zeichne, lasse ich da unseren Trainern den Vortritt. Das sind die Profis dafür. Der Geschäftsführer hat einfach eine Menge anderer Aufgaben. Wenn wir allerdings mal ein Seminar wie zum Beispiel „Comics in der Politischen Bildung“ durchführen, dann trete ich mit meinem Wissen auch als Ko-Trainer auf. Wann immer sich die Möglichkeit bietet, bin ich bei Workshops aber gern selbst dabei, eröffne die Veranstaltungen, moderiere und suche das Gespräch mit den Teilnehmern.

Welche ist Deine Lieblings-Comicfigur?

Da die Comicademy stilunabhängig unterrichtet und ausbildet, genieße ich es, von Akira über Batman und Watchmen, bis hin zu den Comics von Reinhard Kleist oder Ralf König alle möglichen Comics lesen zu können und auch zu müssen. Das bringt es mit sich, dass ich Zeichner oder Comic-Autoren ganz unterschiedlicher Stilrichtungen schätze. Ich kann und will mich da wirklich nicht auf nur einen oder eine Figur festlegen. Ich verrate aber gern, welcher Comic mich zuletzt richtig beeindruckt hat. Das war Hicksville von Dylan Horrocks.

Gibt es noch etwas, das Du unbedingt mitteilen möchtest?

Klar doch: Leute, lest Comics! Entdeckt diese wunderbaren Welten, nutzt solche großartigen Einrichtungen wie das Cöln Comic Haus und wenn ihr auch noch selbst Geschichten erzählen und zeichnen lernen wollt, dann meldet euch am besten bei der Comicademy.