Luc Besson verzapft derben Schwachsinn

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 6. März 2012

Was hätte man nicht alles mit den 40 Millionen Dollar machen können, die für „Colombiana“ verschwendet wurden? Eine Schule bauen, vielleicht auch zwei. Ein paar Brunnen in Afrika bohren. Oder Regisseur Olivier Megaton, der eigentlich Fontana mit Nachnamen heißt, noch ein paar Mal auf die Filmschule schicken. Was soll man auch von jemanden halten der im Bonusmaterial sagt: „Explosionen schaffen Drama“? Nach einer Reihe schlechter Actionfilme wie „Exit – Die Apokalypse in Dir“ und „Transporter 3“, hat sich Megaton „Avatar“-Star Zoe Saldana geschnappt und sie zu einer fragwürdigen Profikillerin gemacht. Dass „Colombiana“ mehr logische Lücken als zusammenhängende Handlung hat, scheint er übersehen zu haben. Oder er hat sich nur nicht getraut, es Drehbuchautor und Produzent Luc Besson („Das fünfte Element“) zu sagen. Denn der ist ja primär für diesen Schwachsinn verantwortlich.

Als Cataleya Restrepo (Zoe Saldana) 9 Jahre alt ist, sieht sie mit an, wie ihre Eltern von einem kolumbianischen Mafiaboss ermordet werden. Sie flieht zu ihrem Onkel nach Chicago und schwört Rache. Während ihr Onkel (Cliff Curtis) sie zu einer Profi-Killerin ausbildet, fängt sie an, sich auf die Suche nach den Mördern ihrer Eltern zu machen.

Die Handlung klingt recht solide – eine schlichte, gradlinige Rache-Story a la „Punisher“ oder „Death Sentence“. Könnte man denken. Aber Luc Besson wollte es gern anders haben. Deswegen ist die junge Schönheit, die ihr Geld hauptberuflich damit verdient, böse Leute für andere böse Leute umzulegen, nicht in der Lage, einen grundlos untergetauchten kolumbianischen Drogenboss aufzuspüren. Stattdessen tötet sie mehr oder minder wahllos irgendwelche kleinen Gangster und malt ihnen eine Orchidee auf die Brust (sie ist nach einer Orchideenart benannt), in der Hoffnung, das würde die Aufmerksamkeit ihres eigentlichen Ziels wecken. Was danach genau passieren soll, ist weder dem Zuschauer, noch Cataleya selbst so ganz klar, aber Luc Besson dachte, es wäre cool. Hier ein paar Dinge, die Herr Besson außerdem cool findet:

1. Er lässt die Heldin durch ein verglastes Haifischbecken schwimmen, obwohl sie auch einfach über den Zaun hätte klettern können.

2. Besson lässt die Heldin vorgeblich betrunken einen Polizeiwagen rammen, damit sie verhaftet und über Nacht eingesperrt wird. Dann zieht sie sich in ihrer Zelle schnell einen engen Fummel an, den sie irgendwo her zaubert, turnt durch die in selbstverständlich jeder Zelle endenden Lüftungsschächte des Polizeireviers und verursacht eine kleine Explosion, bevor sie den Mann tötet, der gleich neben ihr in einer Zelle liegt, nur um dann zurück in ihre Zelle zu klettern, sich wieder umzuziehen und wieder so zu tun, als würde sie ihren Rausch ausschlafen. Dass sie ihr Opfer auch einfach auf offener Straße hätte töten können, war für Herrn Besson unerheblich.

3. Luc Besson findet es auch toll, wenn SWAT-Mitglieder einfache Holztüren mit Plastiksprengstoff in die Luft jagen, anstatt einfach einen Rammbock oder gar den Türknauf zu verwenden.

4. Zum großen Finale, dem Mord, auf den der Film von der ersten Minute an hinsteuert, erscheint seine Profi-Killerin nicht einmal persönlich, sondern lässt den Mörder ihrer Eltern lieber von zwei Hunden fressen. Wer, der von einem Rache-Gedanken getrieben ist, würde das tun? Das ist etwa so, als würde Uma Thurman am Ende von „Kill Bill“ nicht die geheime Fünf-Punkte-Pressur-Herz-Explosionstechnik anwenden, sondern als hätte sie Bill heimlich einen Herzschrittmacher implantieren lassen, den sie dann per Fernbedienung ausschaltet, während sie schon im Flieger zurück nach Hause sitzt.

5. Ihre Flucht aus Kolumbien nach Chicago ist möglich durch einen Speicherchip, den Cataleyas Vater ihr gibt, kurz bevor er ermordet wird. Sie verschluckt den Chip, um ihn nicht zu verlieren und flieht vor den Killern durch die Abwassersysteme. Dann kriecht sie zufällig direkt vor der amerikanischen Botschaft aus einem Gully (wobei sie niemand beachtet) und übergibt sich auf den Tisch des zuständigen Beamten, der, statt ihr Erbrochenes in den nächsten Minuten wegzuwischen, den Chip nimmt und ihn in das Diskettenlaufwerk (?) seines Computer steckt. Er ist völlig entsetzt über die Daten auf dem Chip. Was sich denn nun aber darauf befindet, klärt sich für den Zuschauer nie. Und warum es 1992 in Kolumbien schon winzig kleine Speicherchips gab, ist noch so eine Frage, die unbeantwortet bleibt.

6. Der Mentor von Cataleya, ihr Onkel Emilio, will sie, als sie in Chicago ankommt, auf eine Schule schicken. Als sie sich nach einem Gespräch mit der Direktorin weigert und sagt, dass sie ihre Entscheidung schon getroffen hat und eine Killerin werden will, eröffnet Emilio (direkt vor einer Grundschule) plötzlich das Feuer auf umstehende Passanten. Es bricht Panik aus, ein Auto fährt vor einen Hydranten und fängt Feuer. Dann kniet er sich vor das Mädchen und sagt allen Ernstes, dass er ihr wildes Rumgeballer sofort beibringen kann, dass sie aber zur Schule gehen muss, wenn er eine richtige Killerin aus ihr machen soll. Die wimmernde Menge versucht währenddessen nicht etwa, den Amokschützen festzuhalten, und auch die schnell anrückende Polizei kümmert sich überhaupt nicht um den Mann, der eben noch vor einer Grundschule auf Zivilisten geschossen hat. Stattdessen gehen die beiden einfach weg.

Das sind nur sechs von sehr vielen Punkten, die „Colombiana“ zu einem der dämlichsten Filme 2011 gemacht haben. Hinzu kommen andere Schwächen, wie etwa der furchtbare Schnitt, Figuren, die sich gegenseitig den Plot erklären, und eine völlig überflüssige Lovestory, die mit aller Gewalt in den Film geprügelt wurde. Dass Regisseur Megaton aus der kolumbianischen Großstadt Bogota eine atavistische Hüttensiedlung im Dschungel macht, ist angesichts all dieses Blödsinns schon fast zu vernachlässigen.

Zielgruppe von „Colombiana“ sind junge Männer, die sich daran erfreuen, dass Zoe Saldana ständig nackt oder spärlich bekleidet ist. Jedoch muss man der Fairness halber hinzufügen, dass „Colombiana“ einige sehr wenige gute Momente hat. Die Action ist zwar oft völlig unlogisch, sieht aber ganz passabel aus (wenn man den miserablen Schnitt außer acht lässt). Highlight des Films dürfte dennoch die finale Szene sein – sie ist mit dem großartigen Johnny Cash-Song „Hurt“ untermalt.

„Colombiana“ gibt es ab 27. Januar im Handel. Die DVD bietet umfangreiches Bonusmaterial: zwei Features, ein Making Of, Storyboards, B-Roll, verschiedene Trailer, Interviews und ein Wendecover.

Ein verdammt dämlicher Film - Colombiana