Promi-Frauentausch mit Micaela Schäfer: Wie Bauer Heinrich vorgeführt wird

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 8. April 2013

Gestern 20.15 Uhr auf RTL II - eine Million Zuschauer sind dabei, wenn Bauer Heinrich und Micaela Schäfer den Alltag tauschen. Während Schäfer Heinrich in Micaela Schäfers Altbauwohnung einzieht und sich im Sexysein schulen lässt - inklusive Pole-Dancing -, muss sich Erotik-Model Micaela Schäfer Schafen und den sonstigen Alltagsanforderungen eines Bauernhofes stellen. Das klingt nach viel Spaß, dachte man bei RTL II und gab dem Blödsinn zwei Stunden Sendezeit. Allerdings war „Promi Frauentausch“ schon nach der nennen wir es mal „Figureneinführung“ kaum noch zu ertragen.

Nicht einmal 15 Minuten braucht RTL II, geübt in Klischee-Elaboration, um einen kontrastiven Mikrokosmos aus dem Boden zu stampfen: Da ist einmal Bauer Heinrich, „TV-Star und Partysänger“, der mit seiner Liebe zu den Schafen und der rudimentären Morgentoilette einen dumm-dödeligen Touch verpasst bekommt. Ein bisschen Norman Bates mit rein (Mutti ist kürzlich gestorben) und eine Prise Grenzdebilität mittels stolzer Präsentation der Kuh-Klingel - schon ist sie fertig, die schamlose Vorführung des harmlosen Bauern Heinrich, der, seit er 2008 dank „Bauer sucht Frau“ eine gewisse Pseudo-Prominenz erreichte, ein paar Singles aufgenommen hat, darunter „Schatzi, ich schubs Dich heute ins Heu“ und „Ich bin scha(r)f auf Dich“. Mit dem „Schäferlied“ hatte er es 2008 im Zuge der Kuppelshow in die Top 10 der deutschen Single-Charts geschafft.

Auf der anderen Seite ist da Micaela Schäfer, deren 45-qm-Wohnung Schuhe, Dessous und sonst nicht viel bietet. Ohnehin sei sie kaum zu Hause, habe eine Textilallergie und hätte gern einen Freund im Bett liegen. Der Kühlschrank beinhaltet - wie zufällig - nur Bleeching-Spritzen für das Perlweiß-Lächeln und eine Eismaske. Komplettiert wird die Karikatur des pulsierenden Großstadtlebens durch zwei Freundinnen Schäfers, die Schäfer beim Anprobieren von Dessous trifft. Bussi hier, Bussi da, der Barbie-Alptraum ist perfekt, als sich das operierte Fleisch schnell berät, was man denn jetzt tun solle: „KDW. Bisschen Weitershoppen. Schampus trinken“. Was sonst? Nicht mal Schimmel im Kühlschrank, aber solange die Dessous sitzen und das Kicherwasser gesüffelt werden kann, herrscht Frieden in der Puppen-Welt.

Als Micaela Schäfer dann in Bauer Heinrichs Haus ankommt, präsentiert sie ihre Unzulänglichkeiten am laufenden Band: Eine plakativ in den Arm genommene Katze zerkratzt dem Model die Hände, Kühe hat sie noch nie gesehen und dann ist da noch so eine Gestalt, die an einem Kreuz hängt: „Das ist Jesus, würd' ich sagen, aber ich weiß leider nicht, für was der steht, oder für was der hängt. Was der für 'ne Bedeutung hat, keine Ahnung.“ Dass er tot ist, weiß sie immerhin. Lebt sich ja auch schlecht an so einem Kreuz. Heinrich indes wühlt sich durch die Dessous-Kiste der 29-Jährigen. Der Unterschied zu Bauer Heinrichs Erfahrungen in Micaelas Wohnung: Sie feiert ihr Dummchen-Image bewusst. Heinrich dagegen ist sich seiner Weltfremdheit kaum bewusst und wird durch Musik-Einspielungen und Übungen an einer Poledance-Stange so weit ins Lächerliche gerückt, dass es mitleiderregend statt belustigend ist. Fremdschämen hat schließlich auch eine Grenze - und wo Fernsehdeutschland sich versammelt, um einen gutmütigen, naiven Landwirt zu verarschen und gleichzeitig die ausrangierte Billig-Biene zu feiern, sollte man sich als reflektierender, selbstkritischer Konsument fragen, wer hier eigentlich wirklich Mitleid erregt. Hat man denn Sonntagabend wirklich nichts besseres mehr zu tun?