Blogger gegen Homophobie - Wie die Kuchenbäckeraktion im Netz ein voller Erfolg wurde

von Portrait von Tobias Müller Tobias Müller
Veröffentlicht am 4. April 2014

Das Wort Homophobie war in den letzten Wochen und Monaten in aller Munde und hat wohl die besten Chancen zum Unwort der Jahres zu werden. Homophobie ist nicht etwa die Angst vor Homosexualität, wie das "Phobie" im Wort vermuten ließe, sondern viel mehr die Aversion gegen Menschen, die gleichgeschlechtlich lieben. Genau das macht es eigentlich zum Unwort. Hollywood-Schauspieler Morgen Freeman traf den Nagel auf den Kopf, als er 2012 twitterte: "I hate the word homophobia. It's not a phobia. You are not scared. You are an asshole."

Die jüngsten Entwicklungen in Bezug auf Homosexuelle in Russland, das Outing des Ex-Fussball-Nationalspielers Hitzelsberger, aber auch die Diskussionen um den Bildungsplan in Baden-Würtemberg haben dem Thema eine breite Medienpräsenz beschert. Den größten Beitrag hat dabei höchstwahrscheinlich die deutsche Ausgabe des GQ-Magazins geleistet mit ihrer "Mundpropaganda Kampagne", für die sich heterosexuelle Prominente küssend haben ablichten lassen, um auf Diskriminierung aufmerksam zu machen. An den prominenten Männern, die ihresgleichen küssten kam man nicht vorbei. Nicht nur sämtliche Boulevard-Zeitungen haben das Thema "ausgeschlachtet", sondern auch ernsthafte Zeitungsverlage, sowie Fernsehmagazine, ja auch die internationale Presse haben sich dem angenommen.

Bevor ich im vergangenen Dezember damit konfrontiert wurde, habe ich mir ehrlich gesagt noch nie großartig Gedanken zu dem Thema gemacht. Somit hat die Kampagne, zumindest in meinem Fall, erreicht, was sie sollte: Aufmerksamkeit erregen und anregen, sich damit auseinander zu setzen. Ich war erstaunt und gleichzeitig erschüttert, wie es in vielen Teilen der Welt, aber auch im eigenen Land Homosexuellen ergeht und ergehen muss, wenn sie offen zu ihrer Identität stehen. Ich sage bewusst Identität und nicht Sexualität, denn es ist mittlerweile mehrfach wissenschaftlich bewiesen, dass man sich seine sexuelle Neigung nicht aussuchen oder diese gar anerzogen werden kann. Auch wenn die Kampagne kontrovers diskutiert wurde und sich kritische Stimmen zu Wort meldeten, so fand ich die Aktion grandios. Am liebsten hätte ich mitgeknutscht, aber ich dachte: "Ich bin nicht prominent". Nein, prominent bin ich nicht, aber ich bin Blogger.

Als Blogger steht man schon irgendwie in der Öffentlichkeit und gibt auch ein Stück von sich preis. Blogger haben in der heutigen Medienlandschaft in den vergangenen Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Man schätzt ihre Meinung, ihre Stimmen werden gehört. Unternehmen haben die Werbewirksamkeit von Blogs sowie den Einfluss der Online-Schreiberlinge erkannt und setzen heute auf sie, um Produkte zu bewerben und im WWW zu positionieren. Warum sollte man also nicht diese Stimmen nutzen, um auf einen Missstand aufmerksam zu machen? Aber wie geht man sowas am besten an? Schreibt man einen Artikel zum Thema, backt man eine Torte, knutscht einen Mann und zeigt sich so solidarisch? Ja, kann man machen. Aber erreicht man so die Massen an Lesern, die man erreichen möchte, um auf etwas, was einem am Herzen liegt, aufmerksam zu machen? Wie kann man mehr Menschen erreichen? In dem man aus der Idee ein Blog-Event macht! Man sucht sich Gastblogger, die Beiträge, Statements und auch die Aufmerksamkeit ihrer Leser beisteuern. Blog-Events gibt es viele. Oftmals werden die "Gäste" gebeten, einen Beitrag zu einem bestimmten Thema zu verfassen. Unter Backbloggern z.B. „Backe etwas zum Thema Sommer“ oder „Backen mit Himbeeren“. In diesem Fall wurde erstmals aufgerufen, sich mit einem politischen Thema auseinanderzusetzen, Stellung zu beziehen und Flagge zu zeigen. Nicht nur unter Backbloggern, sondern ein Novum in der gesamten Blogger-Szene. Ich muss ehrlich gestehen, ich hatte keine Vorstellung davon, wie meine Leser reagieren würden, wenn ich mich diesem Thema widme. Wir leben zwar im 21. Jahrhundert, aber viele Reaktionen aus der Bevölkerung, gerade die Petition gegen den Bildungsplan in Baden-Würtemberg haben gezeigt, dass die Bevölkerung zwar zum Teil toleriert, aber immer noch nur wenig akzeptiert. Sollte ich es wagen, auf die Gefahr hin Leser zu verlieren? Ich stellte mir die Gegenfrage: "Lege ich Wert auf Leser, die aufgrund von Nichtwissen oder mittelalterlichen Einstellungen Andere diskriminieren und ihnen nicht zugestehen, so leben und sich entfalten zu können, wie sie es sich wünschen?" Die Antwort war ganz klar "NEIN"!

Die Suche nach Gastbloggern gestaltete sich zunächst schwierig, da es hier nicht darum ging, wer den besten Apfelkuchen backt, sondern schon um eine provokante Sache. Und nicht jeder wollte sich mit einer Person des gleichen Geschlechts ablichten lassen für die Veröffentlichung im Internet. Geplant hatte ich, in der Zeit der olympischen Winterspiele jeden Tag einen Beitrag eines Gastautors zu veröffentlichen. Die Blogger waren aufgerufen, sich ein Backwerk zum Thema „Liebe“ auszudenken und sich Gedanken über das Thema Homophobie und Diskriminierung Homosexueller zu machen. Dabei herausgekommen sind über 50 beeindruckende Artikel. Zauberhafte Leckereien treffen auf das Thema Menschenrecht. Das Ganze bekam den Titel: "Der Kuchenbäcker knutscht - Lieb' doch wen Du willst!"

Nach einem offenen Aufruf in diversen Bloggernetzwerken fanden sich jedoch weit mehr Blogger als benötigt. So entschied ich, das Event so lange wie möglich laufen zu lassen, denn je mehr mitmachen, desto mehr können wir erreichen. Neben bekannten Backbloggern, die durch die Teilnahme an TV-Formaten, wie „Das große Backen“ bei Sat1 oder der „Tortenschlacht“ bei VOX, an Popularität gewonnen haben, meldeten sich auch Prominente wie der Musiker und Autor Markus Grimm und die Tortendesignerin Bettina Schliephake-Burchardt zu Wort. Am 07. Februar püntklich zum Startschuss der Winterspiele in Sotchi ging die Kuchenbäcker-Aktion an den Start und hat offensichtlich einen Nerv getroffen. Die durchweg positiven Reaktionen der Leser haben bestätigt, dass es richtig war, mutig zu sein.

Bis zum 31. März lief das Event, und HIER findet Ihr alle Beiträge der Teilnehmer. Ein Youtube-Video zum Blog-Event gibt’s auch: