Weihnachtsgeschenke für jeden - Teil 5: Deutsche Literatur

von Portrait von Stella Thiele Stella Thiele
Veröffentlicht am 28. November 2014

Diese Woche öffnen vielerorts die Weihnachtsmärkte ihre Pforten. Höchste Zeit mal darüber nachzudenken, was man Freunden und Familie in diesem Jahr eigentlich schenken will. Wir haben uns für Euch ein bisschen umgesehen und witzige, coole und mehr oder weniger nützliche Dinge herausgesucht, die wir Euch gerne vorstellen wollen. Jeden Tag gibt es fünf verschiedene Produkte unter 20 Euro, die sich unterm Weihnachtsbaum sicher super machen – da ist für jeden etwas dabei.

 

Teil 5: Deutsche Literatur

Zum Abschluss der Woche haben wir ein paar Literaturtipps für Euch. Wir haben fünf junge, deutsche Autoren und ihre Romane und Erzählbände rausgesucht, die in diesem Jahr erschienen sind. Alle fünf dieser Bücher konnten uns mit ihrem Erzähltempo, ihrer Sprache, ihrer Story und ihrer Frische überzeugen. Diese Bücher sollte man wirklich lesen.

 

1. Thomas Melle: „3000 Euro"

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In „3000 Euro“ erzählt Thomas Melle die Geschichte einer Liebe am unteren Rand der Gesellschaft. Seine Protagonisten sind Menschen, die jeden Tag am Existenzminimum nagen und sich am Ende die Frage stellen müssen, ob ihre Liebe nur deswegen Bestand hatte.

Denise und Anton treffen in einem Discounter aufeinander. Sie arbeitet an der Kasse und ist eine überforderte, alleinerziehende Mutter, für die eine Reise nach New York wohl ein ewiger Traum bleiben wird. Mit dem Geld, das sie bei Pronodrehs verdient, will sich endlich weiterkommen, doch die Bezahlung lässt auf sich warten. Anton hingegen ist ein ehemaliger Jurastudent, der einen steilen Abstieg hinter sich hat, hoch verschuldet ist, mehr oder weniger auf der Straße lebt und im Duscounter seine Pfandflaschen abgibt. Ganz langsam kommen sich die Beiden näher, während Denise um das Sorgerecht für ihre Tochter kämpft und Anton seiner Privatinsolvenz entgegenbangt. Es ist eine zarte, fast unmögliche Liebe. Die Beiden versuchen sich einander zu öffnen, doch als Denise ihr Geld bekommt und Antons Gerichtstermin immer näher rückt, müssen sie sich fragen, wie viel Nähe ihr Leben wirklich zulässt.

Mit „3000 Euro“ erzählt Thomas Melle präzise von Menschen, die sich am Rande unserer Gesellschaft mit Stolz und Wut zu behaupten versuchen. Seine Hauptfiguren sind Menschen, die das Schicksal an eine Punkt gebracht hat, von dem aus es nur schwer weiter und wieder bergauf geht. Der Tagesspiegel hat den Eindruck, den Thomas Melles „3000 Euro“ hinterlässt, ziemlich treffend wiedergegeben: „Das Großartige an diesem ohnehin brillanten Buch ist allerdings das Verhältnis der Erzählstimme zu ihren Figuren: Thomas Melle schreibt mit kalter Wut; er überträgt gesellschaftliche Zumutungen ins Individuelle.“

Ein beeindruckender, drastischer und dennoch gefühlvoller Roman, der von Kritikern zu Recht hoch gelobt und gefeiert wird.

„3000 Euro“ von Thomas Melle ist im Rowohlt Verlag erschienen für 18,95 Euro als Hardcover erhältlich.

 

2. Lisa Kränzler: „Lichtfang“

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Lisa Kränzlers Roman „Lichtfang“ ist auf den ersten Blick recht unscheinbar. Ein roter Umschlag, bedruckt mit schwarzen und weißen Buchstaben. Nicht besonders dick, sondern eher schmal, aber dafür umso gehaltvoller. Lisa Kränzler schreibt schnell, direkt und derb. Extrem dicht, und so passen auf die grade mal 176 Seiten so viele Gefühle, dass es einem glatt die Sprach verschlägt.

Ihrer Hauptfigur Lilith ist 19 Jahre alt und kommt grade von einem Austauschjahr in Kanada zurück. Sie lebt in einem kleinen Nest in der schwäbischen Provinz, isst wenig, trinkt und kokst viel, übergibt sich hin und wieder mal und ritzt sich die Arme auf. Lilith ist Borderleinerin und Kränzel schafft, in einem irrsinnigen Tempo, einen Einblick in das Leben der 19-jährigen. Natürlich kommt sie dabei nicht ohne Liebe aus. Lilith verliebt sich in Rufus und Rufus verliebt sich in Lilith. Sie könnten unterschiedlicher kaum sein. Rufus möchte sein Abitur mit guten Noten abschließen und Astrophysik studieren, Lilith will keinen Abschluss, sondern einfach nur die Zeit anhalten.

Auf dem Klappentext, und diese Beschreibung war selten so treffend, steht: „Lisa Kränzlers Roman „Lichtfang“ erzählt eine Geschichte übers Erwachsenwerden, bildreich und präzise, mutig und radikal. Eine Geschichte über eine sensible, begabte, aber versehrte junge Frau. Und Ihren Freund, der sie nicht schützen kann.“

„Lichtfänger“ von Lisa Kränzler ist im Suhrkamp Verlag erschienen und für 16,95 Euro erhältlich.

 

3. Fabian Hirschmann: „Am Ende schmeißen wir mit Gold“

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Max ist Lehrer, kann seiner eigenen Antriebslosigkeit jedoch trotzdem nicht so richtig entkommen. Genau wie im Studium, liegt er immer noch am liebsten auf der Couch vor dem Fernseher. Als seine Eltern ihn bitten das Haus zu hüten, während sie auf Kreta im Urlaub sind, macht er sich auf an den Ort seiner Jugend, wo er mit seinen ehemaligen besten Freunden konfrontiert wird. Als wäre das nicht genug, erreicht Max wenig später die Nachricht vom Unfalltod seiner Eltern, die ihn vollkommen aus der Bahn wirft. Er macht sich auf den Weg nach Kreta, wo er nicht nur Überraschendes über seine Eltern erfährt, sondern auch eine Zweitfamilie findet.

In seinem Debütroman „Am Ende schmeißen wir mit Gold“ erzählt Fabian Hirschmann von einer Reise ins Innere und davon, was es heißt, Entscheidungen zu treffen. Richtige und falsche. Einfühlsam und präzise erzählt Hirschmann seine Geschichte über einen jungen Mann, auf der Suche nach sich selbst, der seinen Platz in der Welt noch finden muss. Er erzählt von kleinen und großen Abgründen, über die wir hinwegwälzen, oder in die wir hineinfallen, weil wir ihnen nicht entkommen können.

Das klingt nach viel Pathos, der jedoch in knallharte, melancholische Sätze verpackt ist, die dem Roman die nötige Frische verleihen. Nicht umsonst ist der Roman in diesem Jahr für den Preis der Leipziger Buchmesser nominiert gewesen.

„Am Ende schmeißen wir mit Gold“ von Fabian Hirschmann ist im Berlin Verlag erschienen und kostet 18,99 Euro.

 

4. Verena Güntner: „Es bringen“

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In ihrem Debütroman erzählt Verena Güntner von einem sechzehnjährigen der hart werden, aber zart bleiben will. Luis lebt mit seiner Mutter im fünfzehnten Stock einer Plattenbausiedlung und ist der Überzeugung, dass ihn das zum König der Welt macht. Logisch, denn die anderen wohnen ja unter ihm. Überhaupt strotzt Luis nur so vor Selbstbewusstsein, immerhin ist er ein Bringer. Er ist der Trainer und er ist die Mannschaft, das ist sein Motto und damit ist er bisher immer ziemlich gut klargekommen. Grade erst zum Beispiel, hat er seine Höhenangst überwunden.

Verena Güntner zeichnet das Bild eines Jungen, der sein Leben selbstbewusst im Griff hat. Ein Jugendlicher der beliebt ist, bei den Mädchen gut ankommt und einen Plan hat. Er ist kein pickeliger Loser und kein Weichei, wie sie in solchen Coming of Age Geschichten gerne beschrieben werden. Und dennoch hat Luis ein Problem, als er feststellen muss, dass selbst die Welt eines Bringers vollkommen aus den Fugen geraten kann. Während ihm nach und nach Alles entgleitet, erkennt Luis, dass man manche Dinge loslassen muss, um an sich selbst festhalten zu können.

Schonungslos und erschütternd, leichtfüßig und witzig erzählt Verena Güntner in ihrem Debütroman „Es bringen“ von der Haltlosigkeit des Erwachsenwerdens und von der größten aller Künste: dem Besiegen der eigenen Ängste.

„Es bringen“ von Verena Güntner ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen und kostet als gebundenes Hardcover 18,99 Euro.

 

5. Roman Ehrlich: „Urwaldgäste“

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In dem Erzählband „Urwaldgäste“ versammelt Roman Ehrlich Kurzgeschichten aus dem Leben. Er erzählt vom ganz normalen Alltag, mit doppeltem Boden und geheimnisvollen Abgründen, die er auf kunstvolle Art und Weise zu entdecken weis. Er beleuchtet Momente, in denen Menschen zurück gelassen werden. Sie alle vereint das Gefühl, immer nur Gast und nie wirklich angekommen zu sein. Ehrlich erzählt Geschichten von Leuten, die einfordern, dass sich etwas verändert.

Es geht um Kippmomente unserer Arbeits- und Medienwelt, in denen Menschen, auf der Suche nach Rückhalt und Liebe, zurückgelassen wurden. Großartig ist, wie Ehrlich Alltagssituationen heranzoomen kann und ihnen so etwas wahrhaft surreales verleiht. Er zeichnet Portraits von Menschen einer kapitalistischen Gesellschaft, die man mit Faszination und ein bisschen Unbehagen lesen kann.  Und am Ende bleibt die Frage: Ist unsere Gesellschaft wirklich so abgestumpft?

Unerwartete Wendungen und Vorstellungsräume, zehn Erzählungen, die locker miteinander verbunden sind und ein Autor, der souverän beobachtet und damit Geschichten konstruierte, die wirklich real erscheinen.

„Urwaldgäste“ von Roman Ehrlich ist im Dumont Verlag erschienen und für 19,99 Euro erhältlich.

 

 

Und hier geht's zu den anderen Artikeln aus unserer Weihnachtsgeschenke-Reihe: 

Teil 1: Gesellschaftsspiele

Teil 2: Karten für Weltentdecker

Teil 3: Coole Küchengadgets

Teil 4: Kleine Helferlein