Ulrike Langer

Bloggerin und Medienjournalistin

von Portrait von Karoline Sielski Karoline Sielski
Veröffentlicht am 13. April 2012

Erzähl uns doch bitte etwas über Dich selbst – wo wurdest Du geboren?

Ulrike Langer: In Köln

Wie bist Du zu Deiner Berufung gekommen?

"Stress bei Schweinen in der industriellen Zucht"

Ulrike Langer: Ziemlich spät. Ich habe mit 23, noch im Studium, einen Volkshochschulkurs "Einstieg in den Journalismus" belegt. Der war so haarsträubend schlecht, dass ich jahrelang dachte, Journalismus ist nichts für mich. Mit 27 bin ich dann doch Journalistin geworden, über den Umweg als Redaktionsassistentin im damaligen Bonner Korrespondentenbüro der US-Zeitschrift "Business Week". Mein erster Artikel, der veröffentlicht wurde, war auf Englisch und handelte von Stress bei Schweinen in der industriellen Zucht.

Für alle, die "medialdigital" noch nicht kennen - bitte beschreibe kurz das Blog.

Ulrike Langer: Ich analysiere digitale Medieninnovationen und die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Journalismus. Zum Beispiel - wie verändern offene Daten den Journalismus? Warum sollten Journalisten twittern? Warum gehört dem Lokaljournalismus die Zukunft, auch wenn immer weniger Leute die Lokalzeitung lesen wollen? http://medialdigital.de

Was macht außerdem Deine Arbeit aus – wie sieht Dein typischer Alltag aus?

"seit Juli 2011 in Seattle"

Ulrike Langer: Einen typischen Arbeitstag gibt es nicht. An manchen Tagen sitze ich 12 bis 14 Stunden am Schreibtisch und recherchiere und schreibe. Aber ich reise auch viel auf Kongresse und zu Interviews im ganzen Land. Jetzt, wo ich seit Juli 2011 in Seattle lebe, sind die Reisen noch mehr geworden, weil ich nicht nur innerhalb der USA Recherchereisen unternehme, sondern auch drei- bis viermal im Jahr in Deutschland bin und dort Vorträge halte und Workshops gebe.

Du hast 2011 ein Buch mit Christian Jakubetz und Ralf Hohfeld herausgegeben - "Universalcode. Journalismus im digitalen Zeitalter." Der Journalismus ist einem stetigen Wandel unterzogen. Im Buch wird von den Veränderungen berichtet und aufgezeigt, wie damit umgegangen werden kann, sowie wo die Chancen liegen. Erzähl uns bitte mehr zum Inhalt.

"Bürger setzen selbst Themen"

Ulrike Langer: Das Buch will vor allem Mut machen, viel mehr auszuprobieren. Es ist trotz Entlassungen in den Redaktionen und stagnierenden oder sogar sinkenden Honoraren für freie Journalisten momentan eine sehr spannende Zeit im Journalismus. Alles ändert sich radikal - die Nutzer können im Netz selbst publizieren, jeder mit einem Handy kann ein Foto machen, das um die Welt geht. Bürger setzen selbst Themen (ACTA, Zensursula, Stuttgart 21 etc.), nicht mehr nur die Medien. Und in sozialen Netzwerken entscheidet sich, was relevant ist. Viele Journalisten mögen sich mit diesen Entwicklungen nur ungern auseinandersetzen, aber wer es tut, findet es meistens unglaublich spannend. Wir können Pioniere in einer Umbruchphase sein. Das war in den letzten 100 Jahren so nicht der Fall.

"Wir können Pioniere in einer Umbruchphase sein"

Euer Autor Heribert Prantl spricht davon, dass überflüssige, konstruierte Unterschiede zwischen der digitalen "Huffington Post" oder anderen Netz-Zeitungen und der gedruckten Tageszeitung gezogen werden. Was sagst Du dazu?

Ulrike Langer: Von der Huffington Post kann man als Medienmacher eine Menge lernen. Sie hat noch vor allen anderen Medien genau verstanden und sehr geschickt eingesetzt, wie man über soziale Medien soviel Besucher gewinnt, dass die Seite profitabel ist. Ich stimme auch nicht in den Chor derer ein, die sagen, die Huffington Post beutet ihre Autoren aus, weil die meisten nicht bezahlt werden. Wer dort schreibt, hat seine Gründe. Meistens die Aufmerksamkeit, die ein Beitrag in der HuffPo bekommt.

Was sind ganz akut für Dich die signifikantesten Entwicklungen im Online-Journalismus?

Ulrike Langer: Datenjournalismus, offene Plattformen, Vernetzung, Verschmelzung der öffentlichen und der privaten Sphäre sowie der professionellen Ebene und die der Amateure.

Welche gemachten Schritte würdest Du als ganz besonders kritisch erachten?

Ulrike Langer: Dass viele Verlage immer noch glauben, es sei schon Onlinejournalismus, die Zeitungsstrukturen im Netz abzubilden. Und die Mär vom Geburtsfehler des Internet, die sogenannte Kostenloskultur.

Was ist Dein nächstes Projekt?

"ein kleines Buch fertig geschrieben zum Thema Hyperlokale Trends"

Ulrike Langer: Durchatmen, ich habe gerade ein kleines Buch fertig geschrieben zum Thema Hyperlokale Trends. Unmittelbar, also morgen: Nach Austin/ Texas  fliegen zur South bei Southwest Interactive Koferenz. Darauf freue ich mich sehr. VOCER weiter entwickeln - das ist ein Journalismusportal, in das ich zum Jahresbeginn eingestiegen bin. Wieder mehr bloggen. Aber ich recherchiere auch schon wieder für ein neues Buch. Ich verrate aber noch nicht, worum es geht.

Wenn Du einen anderen Beruf hättest wählen müssen, welcher wäre das? Oder welche andere Berufswahl wäre eine Alternative für Dich?

"Eigentlich kann ich mir keinen besseren Beruf als Journalismus vorstellen"

Ulrike Langer: Heute vielleicht Datenjournalistin, also auch Journalistin, aber spezieller. Die Berufe, die ich heute faszinierend finde, gab es noch nicht, als ich in den Journalismus eingestiegen bin. Als ich volontiert habe (1992 bis 1994) gab es noch nicht einmal das World Wide Web.  Es entstand gerade, spielte aber im Journalismus noch gar keine Rolle. Eigentlich kann ich mir keinen besseren Beruf als Journalismus vorstellen, aber wenn ich nochmal die Chance auf eine Ausbildung hätte, würde ich auf jeden Fall auch programmieren lernen. Und wenn ich noch etwas rumfantasieren darf: Wenn ich das Talent dazu hätte, wäre ich gerne Profisurferin (auf Wellen, nicht mit Segel). 

Wie lautet Dein Lebensmotto?

"Nie aufhören, neugierig zu sein"

Ulrike Langer: Nie aufhören, neugierig zu sein.

Wie würdest Du Dich selbst beschreiben?

"Optimistisch. Risikobereit. Informationssüchtig. Hartnäckig."

Ulrike Langer: Optimistisch. Risikobereit. Informationssüchtig. Hartnäckig.

Mit was kommst Du gar nicht zurecht – sei es im Beruf oder privat?

Ulrike Langer: Mit Routine und Leerlauf.

Was würdest Du tun, wenn du nur noch einen Tag zu leben hättest?

Ulrike Langer: Auf jeden Fall nicht Geplantes, worüber ich mir jetzt Gedanken machen würde.

Welche magische Kraft hättest Du gerne, wenn Du eine wählen könntest?

Ulrike Langer: Zeitreisen.

Wer oder was ist Dir im Leben am Wichtigsten?

Ulrike Langer: Mein Leben so zu leben, dass ich nicht am Ende feststelle, es war gar nicht mein Leben, sondern nur die Erwartungen anderer an mein Leben.

Gibt es zusätzlich etwas, für das Du Dich besonders engagierst?

"arbeite recht viel ehrenamtlich im Journalismus"

Ulrike Langer: Ich arbeite recht viel ehrenamtlich im Journalismus - VOCER, Freischreiber-Verband für freie Journalisten. Das "Universalcode"-Buch war auch ein ehrenamtliches Projekt. Viel Zeit für Engagement (neben meinem Familienleben) in anderen gesellschaftlichen Bereichen bleibt da nicht. Gar keine eigentlich.

Gibt es noch etwas, dass Du unbedingt mitteilen möchtest?

Ulrike Langer: Junge Journalisten sollten sich nicht verrückt machen lassen, dass sie keine Chance hätten. Die Chancen, sich mit eigenen guten Ideen einen Namen zu machen, waren noch nie so groß.