Thomas Manegold

Autor, Produzent, DJ

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 3. August 2012

Erzähl doch bitte etwas über Dich selbst.

Ich bin Jahrgang 1968 und in Thüringen geboren. Kurz vor Ende der DDR bin ich nach Nordbayern ausgewandert. Dort habe ich mich die meiste Zeit mit Kunst, Musik und Kultur befasst, am Theater gearbeitet, Musik gemacht, Konzerte veranstaltet, Clubevents organisiert. Hauptsächlich war ich 15 Jahre als Independent-DJ und Musikjournalist tätig. Und wie alle Freiberufler habe ich dabei so ziemlich alles gemacht, was man sich vorstellen kann. 2004 bin ich nach Berlin gezogen und habe meinen Schwerpunkt auf die Literatur verlegt. Seitdem habe ich einen Lyrikband mit CD, ein Hörbuch und drei weitere Bücher veröffentlicht. „Morbus Animus“ ist mein aktueller Kurzgeschichtenband. Alle Publikationen sind bei Periplaneta Berlin erschienen. Für diesen Verlag arbeite ich als freier Produzent  seit 2007.

Du wurdest 1968 in Thüringen geboren und bist dann „nach Nordbayern ausgewandert“? Auswandern war damals in der DDR nicht ganz so einfach. Wie hast Du es geschafft?

Ich habe unter Honecker einen Ausreiseantrag gestellt und bin unter Krenz unehrenhaft entlassen worden.

Du bist sehr vielseitig aktiv – Du bist Autor, DJ, Produzent, Veranstalter und auch Sprecher. Was davon überwiegt? Wie bezeichnest Du Dich selbst – eher als Musiker, oder eher als Literat?

Generell dürfte die Zeit vorbei sein, in der man sich entweder als Musikant, Schreiber, Sprecher, Manager oder Journalist bezeichnet. Die Digitale Revolution ist multimedial und hat das Kunstmachen und Kunstpromoten grundlegend verwandelt. Nach der Schizophrenie kommt auch für den Artist die Trinität (mindestens). Ich bin ein Workaholic. Und zur Zeit überwiegt wohl der „Produzent“, denn seit 2007 realisiere ich eigentlich ununterbrochen meistens multimediale Buchprojekte, Filme und Hörbücher. Ich war zuvor noch nie so kreativ und ich habe zuvor noch nie so viel gelernt.

Das Hirn des Autors ist ein Katalysator und für das Werk unwichtig, wenn es fertig ist.

Du hast sowohl Lyrik als auch Prosa geschrieben. Der Titel Deines Buches „Ich war ein Grufti“ lässt einen autobiografischen Einschlag vermuten. Wie viel aus Deinem persönlichen Leben trifft man in Deinen Werken?

Da winde ich mich natürlich wie jeder Autor. Aus gutem Grund - das Hirn des Autors ist ein Katalysator und für das Werk unwichtig, wenn es fertig ist. Alles in einem Buch ist recherchiert, erlebt, erfunden, erträumt und abgeschrieben. Je nach dem, was davon überwiegt, ist es ein Sachbuch, eine Lebensbeichte, ein Roman, Science Fiction oder eine Doktorarbeit. „Ich war ein Grufti“ war 2006 mein erster Erfolg als Autor. Es ist eine Mischung aus autobiografischer Hasspredigt und gesellschaftskritischem Essay. In den folgenden Werken wurde das Autobiografische dann immer weniger. Selbstherrlichkeit ist ein Jugendleiden.

2004 bist Du nach Berlin gezogen. Was gefällt Dir an der Stadt am besten?

Ich liebe diese Stadt. Ich war noch nie so lange an ein und demselben Ort. Hauptsächlich, weil man hier die Freiheit hat, alles zu tun. Ein Kulturparadies. Jetzt müssen sie nur noch die Subventionen besser verteilen und es gesetzlich unterbinden, dass die Zugereisten bayerische Verhältnisse einklagen können...

Wer sind Deine literarischen Vorbilder?

Ich liebe die Kontroversen und die Kaputten, die Kranken und die Irren, die Aufrichtigen und die Aufschreienden.

Ich liebe die Kontroversen und die Kaputten, die Kranken und die Irren, die Aufrichtigen und die Aufschreienden. Und das sind meistens Originale, die sich von niemandem was sagen lassen. Ich bin mit diktierten Helden aufgewachsen und habe daher ein gespaltenes Verhältnis zu erblich bedingten oder vorgesetzten Autoritäten. In erster Linie lese ich Sachbücher aller Art. Diese und das schnelle Leben prägen mich am meisten. Als Rezensent habe ich schon zu viel gehört und gesehen, als dass ich mich auf Gesamtwerke einzelner festlegen möchte. Gerade hat Philipp Moogs Krimi „Lebenslänglich“  meinen Nerv getroffen. Ich mag Wiglaf Droste, Hagen Rether, Fernando Pessoa, und Zechs Übersetzungen von François Villon. Und ich bin ein Fan der jungen Wilden: Frank Klötgen, Lea Streisand, Clint Lukas, Lucas Fassnacht, Moritz Neumeier - die haben zwar alle noch keinen Literaturpreis, aber eine Zukunft.

Angefangen hast Du als Bühnentechniker in Rudolstadt. Wann und warum hast Du Dich entschieden, nicht mehr hinter, sondern auf der Bühne arbeiten zu wollen? Gab es da ein Schlüsselerlebnis?

Tatsächlich angefangen habe ich als DJ und im Schülerradio. Von da an wurde ich nicht mehr verhauen. Vielleicht war das der Grund dabei zu bleiben. Es gab für mich in meiner Tätigkeit nie einen Unterschied zwischen „vor“ und „hinter“ der Bühne. Natürlich ist es unglaublich schön, egal ob vor 1000 oder 20 Leuten, zu reden oder Musik zu machen. Lorbeeren einzufahren, Beifall zu genießen, auf der Straße erkannt zu werden. Aber zu viel Rampenlicht ist auf Dauer schädlich für den Teint. Und letztendlich ist das eitler Unsinn, der so oder so im Drogenmissbrauch endet. Mich interessiert immer das Projekt – von der Idee bis zur Präsentation.

Du betätigst Dich sehr vielseitig - wie sieht Dein Alltag aus?

Seit vor drei Jahren das Periplaneta Literaturcafé eröffnet wurde, ist dies mein Kreativzentrum. Ich gehe morgens dort hin, habe eine Lagebesprechung und bin dann meistens bis Mitternacht beschäftigt. Autorengespräche, Covergestaltung, Lektorat, Satz, eBook-Erstellung, dazwischen Studioaufnahmen, Video, Audioschnitt. Diverse Webseiten müssen gepflegt werden, Bücher konfektioniert und verschickt werden und so weiter. Zweimal wöchentlich ist dort eine Abendveranstaltung, einmal monatlich unsere Lesebühne. Und wenn dann noch Zeit ist, bin ich manchmal auch außerhalb unterwegs, ganz manchmal auch außerhalb Berlins. Teils als Produzent, teils als Autor. Aber in jedem Fall „beruflich“.

Was ist Dein nächstes Projekt?

Wir sind nicht schlechter als die anderen, nur weil wir uns nicht in die Medien einkaufen können oder wollen!

Gegenwärtig arbeite ich am 100. Buch des Verlags. „Land, Luft und Leichenschmaus“ ist ein kolkrabenschwarzer Krimi von Thomas Sabottka. Und zwei Bücher, auf die ich mich genau so freue, als hätte ich sie selbst geschrieben, sind auf der Zielgeraden: Robert Rescue „Eimerduschen“ und Theresa Rath „Die Ketten, die uns halten.“ Ansonsten arbeite ich an neuen Gedichten, Kurzprosa für die Lesebühne und – wie jeder Autor – an einem Roman.

Hast Du ein Lebensmotto?

Zwei: Jeder baut sich sein Leben selbst. Und: Praktiziere was du predigst.

Angenommen, Dein Leben wäre anders verlaufen, welche Berufswahl wäre für Dich auch denkbar gewesen?

Rockstar! ...aber jeden Tag das gleiche Lied spielen und vor dem Sex immer den Ausweis zeigen lassen...ich weiß nicht.


 

Mit was kommst Du gar nicht zurecht – sei es beruflich oder privat?

Das sagt eigentlich alles:

Thomas Manegold

Gibt es noch etwas, das Du unbedingt mitteilen möchtest?

Alle Macht geht vom Volke aus. Die BILD ist nur so mächtig, weil alle sie lesen. Amazon ist nur so groß, weil alle dort bestellen. Und die Hitparaden sind nur real, weil alle danach einkaufen. Die freie Kunst braucht ein Publikum. Wir sind nicht schlechter als die anderen, nur weil wir uns nicht in die Medien einkaufen können oder wollen, die euch eine Realität vorgaukeln. Sucht wieder selbst nach den Dingen, die ihr sehen, hören oder lesen wollt. Unterstützt die Freien, die „Kleinen“ und Unabhängigen. Und zahlt direkt beim Künstler oder beim Verlag. Denn spätestens seit MySpace oder Facebook wissen wir doch alle: Wer nicht bezahlt, ist niemals der Kunde, sondern immer das Produkt. Ohne die vielen kleinen Bäche und Flüsse gäbe es keinen Mainstream. Und, mal ehrlich, worüber sollten wir uns dann aufregen? Viva la evolución!