Türkei - Ein fader Sieg nach einer bizarren Wahl

von Portrait von Arzu A. Kayvani Arzu A. Kayvani
Veröffentlicht am 1. April 2014

Das war wohl eine der abenteuerlichsten Wahlen in der Türkei. Obschon es "eigentlich nur" um die Wahl der Bürgermeister und Stadträte ging, war diese Wahl für die Türken von großer Bedeutung. Denn sie sollte ein Licht darauf werfen, wie die politische Tendenz derzeit im Land am Bosporus ist.

Wie bedeutsam der letzte Sonntag war, zeigte sich insbesondere an der Stimmung im Lande und an den bizzaren Vorgängen in den Wahllokalen und auf den Strassen. Stromausfälle in den Wahllokalen, in Verstecken aufgefundene Säcke voller Wahlzettel, verbrannte Wahlzettel in Schultoiletten und Menschen, die mit Körpereinsatz Wahlurnen bewachen, um Manipulationen zu verhindern. Es gab sogar Tote und Verletzte zu beklagen. Es war wirklich alles dabei, um diese Wahl so spannend wie möglich zu gestalten. Und das Ergebnis war lange nicht klar. Auf Twitter und Facebook konnte ich minütlich sich widersprechende Resultate lesen. Zuerst war in verschiedenen Wahlbezirken Erdogans AKP vorne, dann wiederum die oppositionelle CHP. Nicht nur in der Hauptstadt Ankara musste nach Protesten neu ausgezählt werden.  

Jetzt steht das Ergebnis der Wahl jedenfalls fest. Knapp war es, doch die AKP geht als Sieger hervor. Und so ließ sich Erdogan von seinen Anhängern feiern wie ein Prophet. Doch sein Sieg hat einen schalen Beigeschmack. Unabhängig von den massiven Manipulationsvorwürfen gegenüber der AKP, die noch untersucht werden müssen, darf sich Erdogan rühmen, die Bürger seines Landes gespalten zu haben, wie kaum ein anderer zuvor. Und er schürt diese Feindseligkeit innerhalb der Bevölkerung und gießt weiter Öl ins Feuer, da es ihm zugute kommt. Indem er Kritiker als Staatsfeinde und Terroristen diffamiert, die das Land zu schwächen beabsichtigten, das er aus eigener Kraft in eine wirtschaftliche Blüte gesteuert habe, mobilisiert er seine Anhänger und bindet sie enger an sich. 

Diese Kritiker werden es in Zukunft noch schwerer haben. Doch sie werden wohl nicht verstummen angesichts der sich häufenden Vorwürfe gegenüber der Regierung. Korruptionsvorwürfe, die massive Zensur der Medien, die Verfolgung von Kritikern, die tiefe Verschuldung vieler Türken durch die sorglose Vergabe von Privatkrediten, der ebenso sorglose Umgang mit der Natur - bei all dem wird es auch weiterhin viele geben, die Fragen stellen und nicht den Mund halten werden.

Doch wie fühlen sich eben jene nun nach der Wahl vom vergangenen Wochenende? Serdar Deniz, ein politisch aktiver Schauspieler aus Istanbul, fühlt sich wie gelähmt. "Ich war im Gezipark mit dabei, habe mit all den anderen protestiert und die Atmosphäre erlebt. Ich kann dieses Ergebnis einfach nicht fassen, ich bin sprachlos" sagt er. Er sei fassungslos und könne diese Richtung, die die Politik in seinem Land nimmt, nicht mit der Türkei vereinbaren, in der er aufgewachsen ist. Und er sei wütend über die Oppositionsparteien, die es nicht zustande gebracht hätten, sich gegen die AKP zusammenzuschließen. Jeder wolle sein eigenes Süppchen kochen und habe damit Erdogan den Sieg ermöglicht. Deniz hat auch die Wahlen am Sonntag hautnah miterlebt und regt sich heute noch über die Zustände in den Wahllokalen auf. "Was sollte das mit dem Stromausfall? Gibt es keine Batterien, um für Licht zu sorgen? In diesem Land kommt es ständig zu Stromausfällen. Kann man an einem so wichtigen Tag nicht darauf vorbereitet sein?" schimpft er. So wie Serdar Deniz gibt es viele, die diese Wahl erst einmal verdauen müssen.