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30 Jahre Rock am Ring - Ein Rückblick auf meinen ersten Festivalbesuch

von Portrait von Stephan Wagner Stephan Wagner
Veröffentlicht am 25. Februar 2015

Es wurden bereits knapp 150.000 Tickets für das Rock am Ring Festival verkauft, welches dieses Jahr vom 05. - 07. Juni erstmals den Flugplatz bei Mendig in der Vulkaneifel für drei Tage mit lauten Musikklängen beschallen wird. Mit Bands wie den Beatsteaks, den Toten Hosen, Papa Roach, Rise Against und Slipknot ist das Line-Up für das 30. Jubiläum des Festivals breit aufgestellt und klingt sehr vielverprechend. Zum Geburtstag von Rock am Ring erinnere ich mich noch gut an meinen allerersten Besuch des Großevents in der Eifel im Jahr 2012.

 

Aufbruch ins Ungewisse

Am frühen Morgen gegen 06:00 sollte das Abenteuer  mit einer Gruppe von knapp 20 Leuten beginnen. Auf dem Parkplatz einer Bank in meinem Heimatort parkten bereits die mit Proviant vollgeladenen Autos und ihre roten Rückleuchten schienen trüb durch den morgendlichen kalten Dunstschleier. Noch mit schlaftrunkenen Augen standen die ersten meiner Freunde am vereinbarten Treffpunkt und vertraten sich die Beine bei einer Zigarette oder einem Energydrink, um für die Fahrt zum gut 70 Kilometer entfernten Nürburgring gewappnet zu sein. Nach und nach trudelten auch die letzten angehenden Festivalbesucher ein und letzte Fragen wurden gestellt wie: „Hast du deine Karte?“ „Ich hab kein Navi, wer fährt vor?“ „Was habt ihr so an Bier gekauft? Ich glaub ich hab zu wenig“. Die letzte Frage war wohl eine der wichtigsten. Bereits Wochen zuvor wurden sämtliche Werbeprospekte der Supermarktketten eingehend studiert und auf passenden Angeboten geprüft. Zielobjekte waren hier vor allem 5-Minuten Terrinen, Dosenravioli, Grillfleisch und natürlich das günstigste Dosenbier. Zu meiner Beruhigung half mir ein festivalerprobter Kumpel beim Einkauf, denn ich hatte absolut keine Ahnung, wieviel man an Verpflegung einplanen musste. Ich fühlte mich wie in einem Endzeitszenario, als wir gemeinsam den bis oben beladenen Einkaufswagen zur Kasse beförderten, der unter der Last der Bierpaletten und  Fertiggerichte gefährlich ächzte und knarrte. Nun lagen die Einkäufe in mehreren Lagen wie Tetrisblöcke im Kofferraum, auf der Rückbank oder unter den Sitzen übereinander gestapelt. Ich machte mir ein wenig Sorgen um den nun tiefergelegten alten Polo meines Kumpels, dessen Reifen gefährlich nah an die Radkästen gewandert waren. Nach einem kurzen skeptischen Kontrollblick ging es dann aber auch schon los und die Kolonne aus sechs Autos kämpfte sich ihren Weg Richtung Autobahn.

 

Ankunft

Nach fast einer Stunde Fahrt trafen wir auf der von Hügeln und Wäldern gesäumten Zielgeraden zum C1 Campingparkplatz ein. Am Straßenrand hatten sich bereits die ersten Ankömmlinge in ihren Campingstühlen niedergelassen und prosteten mit einem Bier in der Hand den Neuankömmlingen zu, die in der Autoschlange auf den Einlass zum Parkplatz warteten. Von weitem waren bereits das Dröhnen von Stromgeneratoren und das leise Wummern von Musikanlagen zu hören. Der Polo mühte sich die letzten Meter auf die großflächige Wiese und blieb mit heißem Motor und stinkender Kupplung auf seinem Parkplatz für die nächsten Tage stehen. Unsere Gruppe sammelte sich und wir gingen zum Eingangszelt, um unsere Festivalbändchen abzuholen und ich betrachtete stolz mein erstes Souvenir an meinem Handgelenk. Für viele meiner Freunde war es aber schon das dritte oder vierte Bändchen, dementsprechend wussten sie auch was nun zu tun war und wo unser Zeltlager entstehen sollte.

Peter Freitag/pixelio.dePeter Freitag/pixelio.de

 

Schleppen, Schleppen, Zelte bauen

Dass ein Festivalbesuch ganz schön anstrengend sein kann, musste ich schon wenige Minuten nach unserer Ankunft feststellen. Der ganze Kram aus Klappstühlen, Schlafsäcken, Zelten, Essen und Trinken, Campingtisch, Wasserkocher, Stromaggregat und zwei Kühlschränken (was tut man nicht alles für ein kühles Bier) musste nun vom Auto mit der Sackkarre oder per Hand über die Hügel des Zeltplatzes geschafft werden. Wie in einer alten Nomadensiedlung errichteten wir unsere kleine Zeltstadt in einem Kreis um unseren zentralen Pavillon. Nachdem die letzten Heringe mehr oder weniger gerade in den Boden getrieben waren und alle Zelte standen, wurde erstmal auf den Campingstühlen Platz genommen und auf ein gutes Festival mit einem blechernen Klappern der Bierdosen angestoßen.

 

Leben auf dem Zeltplatz

Wir hatten unser Lager bereits zwei Tage vor dem eigentlichen Beginn des Festivalprogramms aufgeschlagen und deshalb verbrachten wir die ersten beiden Tage ausschließlich auf dem Zeltplatz. Für mich als absoluter Neuling war es wie der Einblick in eine komplett andere Welt. – Eine Welt in der 24 Stunden Musik aus Anlagen dröhnte, permanent der Geruch von Grillfleisch in der Luft lag und ständig irgendwo etwas los war. Wir vertrieben uns die Zeit mit Flunkyball, in der Sonne liegen und essen und trinken, wobei letzteres mehr betrieben wurde. Unser Stromaggregat brummte zufrieden vor sich hin und lieferte uns die Energie für die Kühlschränke und unseren Wasserkocher, der mit heißem Wasser das Pulver der 5 Minuten-Terrinen in Kartoffelpüree mit Brokkoli, Kartoffelpüree mit Croutons oder Kartoffelpüree mit Zwiebeln verwandelte. Ich will nicht wissen was während dieser Tage alles an Chemie in meinem Bauch gelandet ist, doch es schmeckte erstaunlich gut. Ein paar Meter den Kiesweg hinauf stand ein großer Wassercontainer, an dem man sich Trinkwasser abfüllen konnte. Meistens landete dieses Wasser aber in unserer alten Kübelspritze, die ein Freund von der Feuerwehr besorgt hatte und die nun für Wasserschlachten oder die schnelle Einverleibung von alkoholischen Getränken genutzt wurde. Neben dem großen Wassercontainer befand sich auch eine kleine Siedlung aus mehreren Dixiklos und ein paar Meter weiter gab es sogar richtige Toiletten und Duschen, die gegen einen kleinen Preis in Anspruch genommen werden durften. Bei meiner ersten Reise zu einem der Dixis musste ich bereits meine erste Erfahrung mit der Gastfreundschaft unserer Zeltnachbarn machen. Als Begrüßungsritual wurde mir prompt eine selbstgebaute Bierbong entgegengestreckt und fleißig befüllt – wenige Augenblicke später war ein Liter Bier in meinem Körper verschwunden und ich kehrte mit leicht verändertem Geisteszustand zu unseren Zelten zurück. Generell waren alle Mitcamper sehr locker und freundlich gestimmt und es herrschte eine friedliche ausgelassene Atmosphäre. Ich war gespannt was mich wohl auf dem Festivalgelände in wenigen Tagen erwarten würde – das Festivalfieber war jedenfalls schon auf mich übergesprungen.

 

Ordentlich was auf die Ohren

Die heiß ersehnten Tage der Bandauftritte waren gekommen. Nach einem Steak-Frühstück und einem Guten-Morgen-Bier ging es am Samstag gegen 11:00 mit einem Tetra-Pack Wasser zum Festivalgelände. Unser Ziel war die Centerstage, ziemlich weit vorne am zweiten Wellenbrecher. Beim Einlass sprinteten die ersten Besucher und besonders hart gesottenen Fans über die Rennstrecke an uns vorbei und sicherten sich die besten Plätze in der ersten Reihe. Überall gab es Stände, die Snacks, Getränke und die begehrten Festival- oder Bandshirts zum Verkauf anboten. Wir ließen uns auf der Start-Ziel-Geraden des Nürburgrings vor der Centerstage nieder und warteten auf den ersten Auftritt um 15:00 – wir mussten also noch gute drei Stunden warten und schonten unsere Beine im Sitzen. Nach und nach ertönten die ersten Soundchecks, ein Trommelschlag hier, ein Gitarrenriff da und plötzlich ging es los. An die erste Band kann ich mich kaum noch erinnern, jedenfalls war sie laut und der Sänger schrie in einer Tour ins Mikrofon. Ich fragte mich, ob das hier überhaupt das richtige für mich ist und ob ich nicht besser auf dem Zeltplatz in meinem Campingstuhl geblieben wäre. Mit Schrecken wurde mir bewusst, dass ich noch 8 Stunden bis zum großen Auftritt von Metallica hier aushalten musste. Den meisten anderen im Publikum schien der Auftritt aber zu gefallen und es bildeten sich große Kreise in denen gepogt und rumgesprungen wurde.  Auf zwei riesigen Leinwänden konnte man das Geschehen auf der Bühne ebenfalls mitverfolgen und ab und zu schwenkte die Kamera über das Menschenmeer der Zuschauer, welches sich bis zum Horizont ersteckte. Zur Kontrolle blickte ich mich selber über die Schulter um und tatsächlich reihte sich ein Kopf an den nächsten, soweit das Auge reichte. Jetzt verstand ich warum wir so früh aufgebrochen waren und warum wir auf keinen Fall den Bereich B vor der Bühne verlassen durften, weil wir dann kaum eine Chance hatten wieder in diesen beliebten Abschnitt vorzudringen. Ich blickte wieder nach vorne und hoffte, dass die Band endlich ihren letzten Song spielte und war erleichtert, als sie die Bühne verließen und eine halbe Stunde Pause folgte, in der wir uns setzen konnten. Als nächste Auftritte folgten unter anderem Shinedown, Tenacious D und Billy Talent, mit denen ich musikalisch schon deutlich mehr anfangen konnte und Spaß daran hatte sie live zu hören. Mittlerweile taten mir nach sieben Stunden stehen aber die Beine ziemlich weh und das Hinsetzen zwischen den Bandwechseln war in der immer dichter werdenden Menge nicht mehr möglich. Ich biss die Zähne zusammen, denn es waren nur noch ein paar Minuten bis zum Auftritt der Altmeister des Metalls – Metallica. Das Warten sollte sich auszahlen. Bei einer aufwendigen Lasershow und unter Feuerwerkeffekten trieb die Band die Stimmung im Publikum mit ihren größten Hits zum Höhepunkt. Nach einem letzten pyrotechnischen Spektakel legte sich Dunkelheit über die Zuschauerreihen und ein musikalischer Abend neigte sich dem Ende zu. Auf wackligen Beinen und einem leichten Taubheitsgefühl auf den Ohren schleppten wir uns erschöpft und glücklich zu unseren Zelten und fielen in unsere Schlafsäcke.

In diesem Video seht ihr Metallica mit ihrem Song "Enter Sandman" bei Rock am Ring 2012:

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Ausklang und Abfahrt

Die fünf Tage gingen schneller vorbei als gedacht und wehmütig blickten wir auf die tollen Erlebnisse und die spaßige Zeit zurück, während am letzten Tag die letzten Fleischstücke auf dem Grill brutzelten und die Zelte bereits gepackt und transportbereit auf der Wiese lagen. Wiese ist eigentlich der falsche Begriff, denn die einst grünen Hügel hatten sich in eine kleine Mülldeponie verwandelt auf der allerhand Papier, Bierdosen und Verpackungsmaterial wild verstreut herumlagen. Müde klaubten wir unsere Reste in die Müllsäcke, die wir am Eingang erhalten hatten und reichten sie an der Müllstation ein, an der wir für jeden Sack fünf Euro Müllpfand erhielten. Ich weiß nicht wie wir es geschafft haben, doch irgendwann war alles wieder in den Autos verstaut und alles bereit zur Abfahrt. Auf dem Rückweg schepperten die Songs unserer Lieblingsbands aus dem Radio und wir ließen den Nürburgring im Rückspiegel verschwinden. Auf der einen Seite freute ich mich nach vier Nächten im Zelt auf mein weiches Bett und eine richtige Dusche, doch auf der anderen Seite war es schade, dass die schöne Zeit auf dem Festival schon wieder zu Ende war. Eins stand für meine Freunde und mich jedenfalls fest – wir kommen wieder!