Pussy Riot Prozess als Theaterstück

von Portrait von Martin Busch Martin Busch
Veröffentlicht am 5. März 2013

Der Schweizer Regisseur Milo Rau (36) ging nach Moskau, um mit seinem dokumentarischen Theaterstück „Moskauer Prozesse“ auf Missstände in russischer Meinung- und Künstlerfreiheit aufmerksam zu machen. In der dreitägigen Gerichtshow wird die Frage gestellt, ob Staat und Kirche bestimmen dürfen, was als Kunst gilt und was nicht. Die Prozesse der 2012 verurteilten Frauen-Punkband Pussy Riot und zwei weiterer Künstler werden hier aufgearbeitet. Die Veranstaltung wurde am Sonntag mit dem Erscheinen echter Beamter der Einwanderungsbehörde plötzlich zur russischen Realität, wie Welt berichtet. Unter dem Vorwand, Rau hätte keine Arbeitsgenehmigung, verbieten die Beamten zunächst seine Aufführung. Nach einer zweistündigen Unterbrechung und viel Aufregeung konnte die Aufführung jedoch fortgesetzt werden.

Das Besondere des Dokumentarstücks ist, dass die Verfahren nicht nacherzählt sondern neu aufgerollt werden. Die Rollen werden von tatsächlich betroffenen Künstlern, Juristen, Kirchenvertretern und Verfechtern der Staatsdoktrin gespielt. Ort der Aufführung ist das Sacharow-Zentrum, das 2003 die Ausstellung „Vorsicht, Religion!“ von Tatiana Antoschina zeigte. Die Werke Antoschinas wurden damals von militanten Orthodoxen zerstört. Eine der prominentesten Darstellerinen ist Pussy-Riot Miglied Jekaterina Samuzewitsch. Die drei Mitglieder der Punkband wurden 2012 wegen einer regierungskritischen Aktion gegen Staatschef Wladimir Putin angeklagt und zu zwei Jahren Lagerarbeit verurteilt. Die Band hatte vor dem Altar der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale ihr „Punkgebet“ gefilmt und verbreitet. Nach starker internationaler und nationaler Kritik an dem Gerichtsverfahren wurde zumindest Samuzewitsch auf Bewährung aus der Haft entlassen. Seit August 2012 klagen die Musikerinnen vor dem Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte gegen Russland, da ihre Persönlichkeitsrechte verletzt worden seien, schreibt Welt.

Im Gegensatz zu den realen Abläufen in russischen Gerichtssälen, werden in Raus Darbietung Sachverhalte hinterfragt und verhandelt. Die realen Prozesse wirkten mit ihren absurden Dialogen, politischen Protesten und rechtlich fehlerhaften Urteilen theatralischer als es ein Theaterstück je könnte, schreibt Tagesspiegel. Die Zensur der Kunst in Russland und die unangemessenen Strafen wirken darin veraltet und erinnern an zaristische Strukturen, in denen Staat und Kirche jegliche Kritik und damit die Meinungsfreiheit unterdrückten.