Porträt des neuen FC-Bayern Trainers – Wie ist Pep Guardiola eigentlich?

von Portrait von Marlon Kumar Marlon Kumar
Veröffentlicht am 25. Juni 2013

Mit einem hörenswerten deutschen Vokabular und einem milden Repertoire an hiesigem Humor läutete Pep Guardiola, flankiert von Bayern-Chefs Rummenigge und Hoeneß, gestern Abend auf seiner ersten Pressekonferenz für den FC Bayern in München seine Amtszeit ein. Viel wurde im Vorfeld spekuliert. Viel diskutiert und polarisiert. Heynckes wäre der optimale Mann, Guardiola könne nur verlieren. Was wolle er denn mehr gewinnen als das Triple? Holt er den mittlerweile obsoleten und nervtötenden Tiki-Taka Fußball nach Deutschland? Hoffentlich ändere er nichts an Heynckes System, die Bayern seien doch damit die Spitze Europas geworden.

Mit gewaltiger Skepsis und stürmischem Medienrummel konfrontiert, gab sich der 42-jährige Spanier, der mit dem FC Barcelona 14 Titel in 4 Jahren einheimste, gelassen und versprühte einen charismatischen, verbalen Duft: "Guten Tag und Grüß' Gott, meine Damen und Herren!" Pep macht seinem ehrgeizigen Ruf alle Ehre und spricht besser Deutsch als mancher ausländischer Spieler, der seit Jahren in der Bundesliga kickt. Diese verdienen zwar nicht ganz 15 Millionen Euro im Jahr und haben auch nicht unbedingt einen Ruf zu verlieren, aber was zählt ist doch der Wille dahinter. Denn es zeugt von erheblichem Respekt und Höflichkeit, in einer fremden Nation die Landessprache zu sprechen. Das wissen nicht nur die Franzosen zu schätzen. Aber woher kommt der Wille überhaupt? Wie entstand der Drang, den momentan wahrscheinlich besten Verein der Welt zu trainieren? Ist es der Druck in die Fußstapfen eines überragenden Jupp Heynckes zu treten und dabei seinen Ruf hier in München zu verlieren, der ihn antreibt? Also was ist seine Geschichte, seine Motivation? Will er seinen Namen endgültig in Stein meißeln?

Mit 13 Jahren wurde Pep in der Jugendakademie des FC Barcelona La Masia elitär ausgebildet. Daraufhin spielte er elf Jahre für die Katalanen als defensiver Mittelfeldspieler. Parallel studierte er ein Jahr lang Jura, nachdem er die Schule beendet hatte. Er war eiserner Bestandteil des Dreamteams, das 1992 den Europapokal der Landesmeister gewann und von Johann Cruyff trainiert wurde. Im ersten Meisterschaftsjahr lief er nur viermal auf, aber schon bald begann die prosperiende Zeit des Pep und er gehörte in den anderen Meisterjahren zu den am häufigsten eingesetzten Spielern. Seine Trainer lobten ihn vor allem wegen seiner hohen Spielintelligenz, einer starken Führungspersönlichkeit und der effizienten Passgenauigkeit. Nach seiner Spielerlaufbahn formte Guardiola seine wertvollen, persönlichen Attribute zu einem taktischen System und pflanzte es dem FC Barcelona als Tiki-Taka Fußball ein. Seine Devise lautet Offensive: "Ich liebe es, anzugreifen." sagte Pep. Was für ein Kosmopolit und weltoffener Mensch Guardiola ist, wird auch durch seinen Wechsel ins Ausland (zu dem italienischen Verein Brescia Calcio, später AS Rom, dann nach Katar und Mexiko) verdeutlicht. Eigenen Aussagen zu Folge wollte er fremde Kulturen und neue Länder besser kennenlernen. Dass er aber mit dem Wechsel ins Fettnäpfchen trat und wegen Dopingvorwürfen von der FIFA suspendiert wurde - damit hatte er nicht gerechnet. Das mag wohl der einzige Schandfleck auf seiner ansonsten reinen Weste sein. Er ist also ein vielseitiger, unberechenbarer Mann. Die Vorwürfe Pep könne die Mentalität des FC Bayern maßgeblich negativ beeinflussen und ein neues Format einführen, dementierte der Trainer gleich: "Der Fußball gehorcht den Spielern, ich muss mich zu 100 Prozent anpassen. Die Spieler bei Barcelona sind anders als die Spieler bei den Bayern. Das System ist egal." Damit sollte Kritikern bewusst sein, dass Pep höchstwahrscheinlich nicht so naiv sein wird, eine Kopie des katalanischen Erfolgsfußballs zu schaffen und mit Mario Götze ein Messi-Imitat zu kreieren. Nein, der dreifache Familienvater Pep ist sich dieser neuen Konstellation durchaus bewusst. Warum hat er wohl deutsch gelernt? Selbstverständlich um auf die Spieler persönlich eingehen zu können, um Vertrauen aufzubauen, um zu zeigen, dass er sich bemüht. Die Spieler werden ihn also nicht nur aufgrund seines Lebenslaufs respektieren. Pep ist eher der freundschaftliche Typ, möglicherweise ein spanischer Jürgen Klopp, mit dem man schnell sympathisiert. Er soll seinen Spielern im Champions-League-Finale 2009 sogar den Song "Viva la Vida" von seiner Lieblingsband Coldplay als Motivator vorgespielt haben.

Kein Wunder, dass ihn Spieler wie Ibrahimovic sarkastisch als Philosoph bezeichnen. Aber 'Ibra' ist ja ohnehin ein Inbegriff männlichen Pseudo-Egos - und ein eigenartiger, wenn auch fußballerisch brillianter Kauz, der auf größerer Entfernung mit einem Habicht verwechselt werden könnte. Nein, natürlich ist Pep nicht ein Quälgeist wie Felix Magath, der mit feudalen Foltermethoden und konservativen Parolen einhergeht und keine einfühlsame Psychologie und notwendige Emotionalität anwendet, sondern hartnäckige physische Konditionierung bevorzugt. Solche Trainer handeln rational: Der Druck für die Spieler und damit die Gefahr des Versagens und der mentalen Überlastung steigt. Seit Äonen ist bekannt, dass jeder Spieler anders ist und anders behandelt werden muss. Sensible Trainer wie Jürgen Klopp und Guardiola wissen um den modernen Fußball und die goldene junge Generation in Deutschland. Auch der FC Bayern scheint zu glauben, dass die schimmernde Zeit des Alpha-Tier Trainers vorbei ist. Diese jungen Spieler haben eine andere Erziehung genossen - nicht nur fußballerisch. Sie bevorzugen den freundschaftlichen Umgang, dürfen aber nicht aufhören den Trainer zu respektieren. Einzig und allein die Gefahr des Weichwerdens besteht. Es ist eine Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche, die den erfolgreichen Unterschied macht. Präsident Hoeneß erklärte, warum er Guardiola für den Richtigen hält: "Jetzt sind wir ganz oben - aber oben zu sein ist das eine, oben zu bleiben das andere. Und deswegen bin ich überzeugt, dass Pep Guardiola der richtige Mann ist, dies zu schaffen. Wer, wenn nicht er".

So ganz kann man Hoeneß diese blumigen Floskeln aber nicht abkaufen, denn schon im Vorfeld konstatierte er, Guardiola müsse jedes Spiel gewinnen, um den Erwartungen gerecht zu werden. Man muss kein Experte sein, um zu begreifen, dass diese Wunschvorstellung sehr optimistisch, nahezu unrealistisch ist. Aber das spielt kaum eine Rolle. 15 Millionen Euro Jahresgehalt für den Trainer, kostspielige Transfers – der FC BUYern verstand sich immer schon im prunkvollen Verhandeln. Und falls Guardiola scheitert, wird der FC BUYern eben einen neuen Trainer verpflichten und mit einer satten Summe belohnen. Das soll nicht ironisch klingen, denn die Münchner können es sich, im Gegensatz zu Öl-Magnaten und anderen Sponsoren, erlauben so genannt zu werden, ohne dabei belächelt zu werden. Denn gewirtschaftet haben die Münchener immer wie der Musterschüler in der ersten Reihe und jetzt wo das Stadion abgezahlt ist, werden die Moneten erst richtig fließen und für volle Kassen sorgen. Der FC Bayern hat in den nächsten Jahren das Potenzial, als eine unverdrängbare Instanz an der Weltspitze zu stehen und eine weitere florierende Ära zu ergreifen. Und es obliegt Pep Guardiola, diese Gelegenheit beim Schopfe zu packen.

Trotzdem muss man zu Guardiola sagen, dass er bisher das Privileg hatte, nur die besten Mannschaften zu trainieren. Ich will nicht leugnen, dass es keine Riesen-Herausforderung ist, diese Vereine an der Spitze zu halten, aber ist denn nicht das wahre Kabinettstückchen einen mittelständischen Verein über Jahre hinweg eine Seele einzuhauchen und dann zum Erfolg zu führen? Das konnte Guardiola bisher nicht beweisen, aber wen schert es. Dafür gibt es andere talentierte Trainer. Guardiola ist der Mann für die Extravaganz, die Elite, die Creme de la Creme. Jeder Job sucht seinen Meister. Heynckes war soetwas wie der Dalai-Lama Münchens, Pep könnte ewig im Schatten stehen und sein Mönch bleiben oder erneut das Feuer entfachen. Dieser Gefahr ist er sich aber bewusst: "Diese Herausforderung nehme ich an, die Vergleiche muss ich akzeptieren."