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Kurzgeschichte (9) - New York, New York

von Portrait von Natalie Huberto Natalie Huberto
Veröffentlicht am 26. Dezember 2016

Die drei jungen Frauen kannten sich schon ihr Leben lang. So verschieden und doch so gleich. Sie waren zusammen erwachsen geworden und genau das wollten sie jetzt feiern. Eine Reise, einfach mal raus aus dem alltäglichen Trott. Sie hatten Geld zusammengespart um sich endlich einen ihrer Träume erfüllen zu können. Silvester in New York. Die Tickets hatten sie bereits vor Monaten gebucht und morgen ging es los. Die Koffer waren gepackt, die Geldbeutel gefüllt und die Herzen vor Freude und Aufregung fast am Zerplatzen. Um kurz vor zwölf hatten sie sich alle nervös auf die aneinandergereihten Matratzen gelegt und versucht ein wenig zu schlafen, bis sie in den frühen Morgenstunden von einem schwarzen Audi abgeholt wurden, der sie zum Flughafen brachte.

Der Flug dauerte lange, mehrere Stunden beobachteten sie gemeinsam die Wolken, die an ihrem Fenster des Flugzeugs immer wieder vorbeizogen. Irgendwann schliefen sie erschöpft ein, bis eine krächzende Lautsprecheranlage sie unsanft weckte und darauf aufmerksam machte, dass sie bald in der „City of Dreams“ landen würde. Sie reckten und streckten sich, ein wenig Schlaf hier und ein bisschen Erschöpfung dort, doch als sie den ersten gemeinsamen Schritt aus dem Flieger und in die erfrischende New Yorker Luft machten, waren alle Strapazen der kurzen Nacht und der letzten Stunden vergessen. „Ich kann nicht glauben, dass wir wirklich hier sind.“, Flüsterte Mila leise und wischte sich die salzigen Tränen aus den Augen. Chloe legte ihren Arm um sie und drückte sie an sich. „Das werden die besten Tage, die wir je hatten.“ Grace, die dritte im Bunde griff nach der Hand ihrer Freundin und die drei torkelten ein wenig durch den schmalen Tunnel ins Flughafengebäude.

Mit Koffer und Taschen hatten die drei es ohne Zwischenfälle in ein Taxi geschafft, dass alle drei in ihr gebuchtes Hotel bringen sollte. Die Straßen waren hektisch, ein stetiges Durchkommen so gut wie unmöglich. Doch das wussten sie und es störte sie nicht. Stattdessen fiel es ihnen schwer ein rekordverdächtiges Grinsen zu unterbinden und irgendwann gaben sie es auf. Am Hotel angekommen eilten die beiden aus dem gelben Wagen und platzten aufgeregt durch die große Schwingtür. „Hi, wir haben ein Zimmer für drei Personen gebucht.“ Erklärte Grace aufgeregt. Der ältere Mann an der beeindruckenden Rezeption lächelte sie freundlich an und tippte etwas in seinen Computer. Er griff hinter sich und hielt ihr wenig später zwei silberne Schüssel vor die Nase. Nachdem die drei allen notwendigen Papierkram erledigt und unterschrieben hatten bedankten sie sich. „Ich wünsche ihnen einen schönen Aufenthalt. Wenn sie Interesse haben, auch dieses Jahr findet unsere legendäre New Years Eve Party im großen Saal statt. Sie sind herzlich eingeladen.“ Erklärte der ältere Herr und ließ sie danach ziehen.

„Das Zimmer ist ja gigantisch. Zu sparen hat sich echt gelohnt Mädels.“  Eine der jungen Frauen sprang aufs Bett und hüpfte ein paar Mal auf und ab. Das breite Bett würden die drei sich teilen, für ein zweites dieser Zimmer hatte das Geld nicht gereicht, aber an solchen Dingen störten sie sich nicht. Sie wollten einfach nur feiern und glücklich sein.

Der nächste Tag verging wie im Flug. Sie erkundeten die Stadt auf eigene Faust, machten Fotos und aßen Hot Dogs an einer Straßenecke. Alle drei bezweifelten, dass sie jemals zuvor so glücklich gewesen sind. Als es langsam dunkel wurde, machten sie sich zu Fuß auf den Weg zurück ins Hotel. Die Entfernung hatten sie dabei ein wenig unterschätzt, sodass jeder einzelnen die Füße wie verdammt brannten, als sie im Hotel ankamen. Doch nichts konnte ihrer guten Stimmung einen Abbruch tun. Es hätte ein Meteor in die Eingangshalle einschlagen können und trotzdem hätten die drei noch irgendetwas Positives an der Situation gefunden. Nach einem ausgiebigen Abendessen und zwei Gläsern Sekt vielen sie erschöpft ins Bett. Der lange Tag und der Jet Leg hatte ihnen zugesetzt, sodass sie nicht lange brauchten, bis sie tief und fest eingeschlafen waren.

Der nächste Morgen ging recht schnell in Mittag über. Sie schliefen lange, wälzten sich umher, als das helle Licht von draußen mitten in ihre Gesichter schien. „Es ist Silvester.“ Murmelte Grace irgendwann leise und ganz plötzlich, Schritt für Schritt war alle Müdigkeit vergessen. Der Tag auf den sie solange hingefiebert hatten, war endlich da. Sie würden Silvester in ihren drei Glitzerkleidchen in New York verbringen, gemeinsam. „Wo gehen wir heute Abend überhaupt hin?“ Fragte Chloe ganz aufgeregt, als sie sich mit ihren Händen durch die wirren Haare fuhr. „Ich würde sagen die New Years Eve Party hier im Hotel. Wir müssen kein Geld ausgeben, wir haben es morgen früh nicht weit bis ins Zimmer und es ist warm.“ Die anderen beiden nickten. „Ich kann es mir in meinem Kleid sowieso nicht leisten länger, als fünf Minuten draußen zu stehen, sonst sind mir die Beine abgefroren.“ Erwiderte Mila und die drei brachen in Gelächter aus.

Am späten Nachmittag fingen alle an sich wie wild zu stylen und fertig zu machen. Der gesamte Zimmerboden war bedeckt mit Schminkpinseln, Schuhen und Klamotten. Hätte man es nicht besser gewusst, hätte man denken können, dass eine Bombe eingeschlagen war. „Kannst du mir kurz mit dem Reißverschluss helfen?“ Wenig später war das silberne Glitzerkleid verschlossen und Chloe wirbelte sich ein paar Mal im Kreis, sodass der Schoß ihres Kleides immer wieder nach oben flog. Ein paar Stunden später hatten sie es unverletzt und angezogen in den großen Saal des Hotels geschafft, wo sie als erstes gemeinsam aßen. Eine Grundlage war an Silvester schließlich Pflicht und vor allem von großer Notwendigkeit.

Die darauffolgenden Stunden lachten und tanzten sie. Sie fühlten sich befreit, wie auf Wolken laufend, angekommen im Paradies. In einem Tag würden sie diese wundervolle Stadt wieder verlassen und sie wollten jede einzelne Sekunde, die ihnen noch blieb so gut es ging nutzen und genießen.

Alle hatten sich auf dem großen Balkon des Saales versammelt und blickten gespannt zum Himmel hinauf. Wenig später begann jemand von zehn auf eins hinunter zu zählen und die drei jungen Frauen schreckten kurz zusammen, als die ersten Raketen den dunklen Himmel in bunte Farben tunkten. Vor ihnen spiegelte sich das wahrscheinlich schönste Feuerwerk wider das sie jemals gesehen hatten. Selbst wenn die drei Freundinnen sich das breite Grinsen aus dem Gesicht hätten wegwischen wollen, wären sie wahrscheinlich erfolglos geblieben. „Das ist das Wunderschönste was ich je gesehen habe.“ Murmelte Chloe und ließ ihre Augen voller Bewunderung über den Horizont gleiten. „Und wir sind alle gemeinsam hier. Ich werde diese Reise niemals vergessen. Niemals.“ Erwiderte Mila und dir drei Freundinnen fielen sich mit Tränen in den Augen glücklich um den Hals.