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Kurzgeschichte (10) - Leben

von Portrait von Natalie Huberto Natalie Huberto
Veröffentlicht am 2. Januar 2017

Schau sie dir an. Mit ihren kurzen Beinen und den schmalen Schultern. Was fällt dir auf? Ihre Stirn, die einfach zu groß zu sein scheint. Oder die kleinen Augen, die ab und an zu Boden schauen, wenn sie durch die Straßen der großen und lauten Stadt läuft. Ihre Haare sind zu kurz und die Nase zu krumm, ihr Bauch nicht flach genug und die Hüfte zu breit. Ihre Beine sind zu dick, die Haut nicht rein genug. Doch was soll sie tun? Sie besitzt nicht die Mittel, um sich eine winzige Stupsnase zaubern zu lassen, die Kinnlangen Haare gefallen ihr gut. Aufs Essen verzichtet hat sie bereits, dass will sie nicht noch einmal. Sie will sich dem Druck der Gesellschaft nicht beugen. Dem perfekten Bild der jungen Frau, die mit großen Augen und langen Beinen. Den Mund förmlich mit Tape verklebt, sodass bloß kein falsches Wort heraus kommt. Sie will nicht nur hübsch aussehen, sich den heutigen Erwartungen neigen. Sie will für etwas stehen, fürs anders sein und keine Angst haben. Die schwierigste Aufgabe die ihr das Leben jedoch gestellt hat, ist sich selbst zu akzeptieren. Niemand scheint ihre Gedanken zu verstehen, den schrecklichen Wunsch nach Perfektion der ihr inneres gefangen genommen hat. Das ständige hin und her, von A nach B. Ein junges Ding das sich noch nicht recht wiedergefunden hat in dieser schnellen Welt. Dem Ende schon nah und doch wieder aufgetaucht, zum Glück. Schritt für Schritt in Richtung Unabhängigkeit, immer zu zweit, die verwirrten Gedanken immer im Schlepptau. Manchmal sind die Worte selbst für sie unverständlich, obwohl sie ihr eigenes Ich doch eigentlich am besten verstehen müsste. Doch was soll sie machen? Ob es wohl für immer so bleiben wird?

Wenn sie raus schaut, sieht sie Regen und Sonne im Kampf um ihr Herz, obwohl ihr Herz so viel Liebe trägt, dass es für beide reichen würde. Es ist nicht so einfach, wie alle denken. Man hat alles aber eigentlich nichts. Sie liegt da, schaut zur Decke und wischt dir Tränen weg. Ganz einfach. Das macht sie schon seit Jahren so. Zu Lachen fällt nicht schwer, wie auf Knopfdruck. Es gibt so viele die fühlen gleich. Doch niemand weiß davon, zu schwer, zu unangenehm. Sie wollen alle frei sein, wie Vögel im Süden und Schmetterlinge im Sommer, doch die Gesellschaft lässt frei sein nicht zu. Zumindest nicht ohne alles zu haben was man zu geben hat. Man rennt im Kreis, jeden Tag. Macht alles was man nicht will, aber muss und nichts von dem was man will. Klein und zerbrechlich, doch die Zukunft ist klar. Wunderschön muss man sein, wenn man nur Gedanken zu bieten hat, ist man kaum zu gebrauchen, richtig? Außer in der dunklen Kammer, die keine Fenster hat. Wir sollen zerbrechlich sein, uns schlecht fühlen. Doch das wollen wir nicht mehr, haben die grausigen Methoden durchschaut. Wir entschuldigen uns nicht mehr für das was wir sind, für das was wir wollen. Wir leben!