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Flugzeug-Knigge oder ein Flug von Frankfurt nach München – der ganz normale Wahnsinn?

von Portrait von Tobias Müller Tobias Müller
Veröffentlicht am 22. April 2014

Ferienzeit ist Reisezeit und in einer Zeit, wo Flugtickets stetig günstiger werden, können sich immer mehr Leute eine Flugreise leisten. Ich fliege des öfteren, man kann sagen ich bin quasi so etwas wie ein Vielflieger. Was ich dabei so erleben darf, verschlägt mir immer wieder die Sprache. Hier beschreibe ich den ganz normalen Wahnsinn, den ich auf einem Flug von Frankfurt nach München erlebt habe:

Das Wetter an diesem Tag ist durchwachsen, es ist windig, eine Landebahn des Flughafens muss geschlossen werden. Man kann sich vorstellen, dass es an einem Flughafen nicht anders zugeht als im Straßenverkehr, wenn eine Straße gesperrt werden muss, dann staut sich der Verkehr. Nicht anders ist es auch hier, es kommt unweigerlich zu Verspätungen bei Ankunft und Abflug.

Auch mein Flug ist verspätet.

Irgendwann rollt das Flugzeug, welches mich nach München bringen soll, auf die Parkposition und die Fluggastbrücke wird angefahren. Die Flugzeugtür öffnet sich und die Passagiere des vorherigen Fluges steigen aus.

Es sind noch nicht alle Passagiere ausgestiegen, da beobachte ich, wie ein Herr im Anzug auf die junge Frau am Abflugschalter zugeht und sie fragt wann es denn endlich losgehe. Sie antwortet ihm freundlich, dass das Flugzeug verspätet aus Paris eingetroffen sei. Es würde gereinigt und bekäme eine neue Mahlzeitenbeladung. Außerdem findet ein Besatzungswechsel statt, die Crew, die uns nach München fliegt sei schon auf dem Weg zum Flieger. Die Verkehrszentrale der Fluggesellschaft habe den Flug etwa 15 Minuten verspätet. Man beeile sich aber so gut es ginge.

Das sei ja wieder typisch, raunte der Herr. „Pünktlich können Sie wohl nicht“. Die Mitarbeiterin entgegnet ihm freundlich, man bemühe sich und tue was man könne. Ich erlebe sie äußerst professionell und gelassen, denn der Herr im Anzug war nicht der einzige, der sich bei der jungen Frau über die Verspätung ausließ.

Keine zehn Minuten später tönt es aus den Lautsprechern am Flugsteig, dass der Flug nach München nun zum Einsteigen bereit sei. Ich frage mich gerade, wie es möglich sein kann, ein Flugzeug in so kurzer Zeit zu beladen und zu reinigen. Anstatt sich über die Verspätung aufzuregen, denke ich mir: „Hut ab, hier wird alles getan, damit es so schnell wie möglich weitergehen kann.“

Per Ansage werden zuerst die Passagiere mit Fensterplätzen in den hinteren Reihen gebeten, sich zum Ausgang zu begeben. Wenn zunächst die hinteren Reihen einsteigen, kommt es nicht zum großen Stau beim Einsteigen. Sehr clever, doch leider, und das ist nicht nur an diesem Tag so, funktioniert das nie, denn es gibt immer ganz wichtige Leute, die direkt Gewehr bei Fuß stehen, sobald die Bodenmitarbeiterin den Ausgang zum Flugzeug öffnet.

In der Fluggastbrücke kommt es also zum ersten Stau aber ich nähere mich bald der Tür des Flugzeugs. Ich sehe zwei charmante Flugbegleiterinnen, die die Passagiere begrüßen und ihnen behilflich sind ihre Plätze zu finden.

Die Damen begrüßen mich sehr freundlich und bieten mir eine Tüte mit Salzgebäck an, die ich dankend annehme. Ich muss sagen, das hat sich gemacht. Vor einigen Jahren noch gab es auf diesen kurzen Flügen nichts als ein Getränk während des Fluges. Da freue ich mich über eine kleine Knabberei. Der Herr hinter mir hält es nicht für nötig die Tageszeit zu sagen und ignoriert die Begrüßung des Flugpersonals. Alles was er für die Stewardessen übrig hat ist ein: „Haben Sie nichts anderes?“ Mir hätte das mit Sicherheit die Sprache verschlagen, mit so etwas hätte ich wohl nicht gerechnet, aber die Kabinenchefin bietet dem Mann einen Schokoriegel von einem vorherigen Flug an. Auch diesen lehnt er unbeeindruckt ab.

Ich frage mich, welche Laus ihm über die Leber gelaufen sein muss, dass er die Bemühungen weder erkennt, noch zu schätzen weiß. Man kann sich nur wundern.

Ich sitze etwa im hinteren Drittel der Maschine und habe meinen Platz irgendwann erreicht. Da ich stets mit leichtem Gepäck reise, ist dies schnell unter dem Vordersitz verstaut und ich nehme meinen Platz ein. Ich sehe, wie weitere Passagiere vor mir und hinter mir mit Handgepäck an Bord kommen, das viel Ähnlichkeit mit dem Koffer hat, den ich auf Reisen am Gepäckschalter abgebe. Ich bin mir sicher, dass es Beschränkungen gibt, was die Größe und das Gewicht von Handgepäck angeht, aber möglicherweise haben diese Leute davon noch nichts gehört. Ich wundere mich also abermals und denke mir meinen Teil.
Den Vogel schießt allerdings ein Passagier ab, welcher die Stewardess auffordert seinen Koffer, der kaum ins Gepäckfach passt, für ihn zu verstauen. Ein gestandener Mann von 1,95m und geschätzt 100kg erwartet, dass das zierliche Fräulein von 1,75m und Pi mal Daumen 65kg seinen 20kg schweren Koffer für ihn verstaut? Entschuldigung, aber hier läuft doch was gehörig schief. Abgesehen davon, dass ich das nicht sehr gentlemanlike finde, stelle ich mir vor, wie es der Wirbelsäule der Mitarbeiterin gehen mag, wenn dies am Tag noch 10 oder 20 weitere Passagiere von ihr einfordern.

Die Stewardess antwortet ihm freundlich, dass er sein Gepäck gerne in einem vorderen Staufach platzieren kann und für den Fall, dass es nicht passt, könne sie ihm den Platz unter dem Vordersitz anbieten. Sie würde ihm gern weiter behilflich sein, aber es gehöre nicht zu ihren Aufgaben das Handgepäck zu verstauen. Ich bin beeindruckt wie freundlich und sachlich die junge Frau bleibt, mir wäre bei einer solchen Unverschämtheit gewiss ein kecker Spruch über die Lippen gekommen.

Später erfahre ich, dass es wirklich nicht zu den Aufgaben des Flugpersonals gehört Handgepäck der Passagiere zu verstauen oder durch die Kabine zu tragen. Im Hinblick auf Arbeitsschutz darf dies von den Stewardessen und Stewards nicht verlangt werden, des weiteren besteht kein Versicherungsschutz durch die Berufsgenossenschaft, für den Fall dass sich die Flugbegleiterin beim Heben des Gepäcks verletzt, weil es eben nicht zu ihren Aufgaben gehört. Leuchtet ein.

Wir sind etwa 20 Minuten später dran als geplant, die Flugzeugtür ist bereits geschlossen, der Kapitän hat uns begrüßt und die Chefstewardess beginnt die Sicherheitsinstruktionen über die Lautsprecher durchzusagen. Danach gehen die Flugbegleiterinnen durch den Gang und überprüfen, ob alle angeschnallt sind.

Dann setzt sich das Flugzeug in Bewegung und kurze Zeit später sind wir schon in der Luft. Die Flugzeit beläuft sich heute auf etwa 40 Minuten. Nach etwa zehn Minuten erlöschen die Anschnallzeichen und einige weitere Minuten später beginnen die Damen mit dem Service. Zieht man von den 40 Minuten Flugzeit zehn Minuten Steigflug und 15 für den Sinkflug ab, bleiben den drei Stewardessen gut 15 Minuten um rund 120 Passagieren ein Getränk zu servieren.

Als die Flugbegleiterin mit ihrem Servierwagen in der Reihe vor mir ankommt, staune ich erneut nicht schlecht. Der Herr, der vor mir sitzt bestellt einen Kaffee, ein Wasser, einen Tomatensaft und eine Cola light. Letztere aber bitte mit Eis UND Zitrone. Ich frage mich, ob der Mann unsagbar durstig sein muss oder ob er glaubt, dass er allein in diesem Flugzeug sitzt. Würde jeder Passagier eine solche Bestellung aufgeben, würde sicher nicht jeder ein Getränk bekommen können in der Kürze der Zeit. Da ich mit kurz zuvor noch eine kleine Flasche Wasser am Flughafen gekauft hatte, verzichte ich auf mein Getränk an Bord. Auch ein wenig aus Mitleid mit der Stewardess.

Dann gehen auch schon die Anschnallzeichen an und wie vermutet kann der Service nicht zu Ende geführt werden. Aus den Lautsprechern ertönen die Ansagen zur Landung und eine Entschuldigung der Kabinenchefin, dass man es bedaure, dass aufgrund der kurzen Flugzeit heute nicht jeder ein Getränk bekommen habe. Naja, ob es allein an der Flugzeit lag, wage ich zu bezweifeln. Der in meinen Augen etwas gierige Herr vor mir, macht nicht den Anschein, als sei er sich einer Schuld bewusst.

Beim Aussteigen bedanke ich mich bei den Damen für die nette Betreuung, für den ein oder anderen vor und hinter mir gleich mit, denn auch hier muss ich erleben, dass einigen kein „Auf Wiedersehen“ über die Lippen kommt. Man hätte meinen können, die zehnminütige Verspätung, die dann am Ende herauskommt, sei der Besatzung anzukreiden und nicht dem Wetter.

Ich ziehe meinen Hut vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fluggesellschaft für ihre Freundlichkeit, ihre Geduld und ihre Professionalität.

Das Benehmen mancher Leute an Bord von Flugzeugen überrascht mich immer wieder. Es ist, als gäben sie ihren gesunden Menschenverstand beim Einsteigen an der Tür ab.

Es kann nicht so schwer sein, sich an ein paar Benimmregeln zu halten:

1. Sagen Sie „Guten Tag“, „Auf Wiedersehen“ und gern auch „Bitte“ und „Danke“. Das Flugpersonal begrüßt täglich um die tausend Passagiere und verabschiedet sie auch wieder.

2. Überlegen Sie sich auf einem 30 Minuten Flug, ob Sie wirklich drei oder vier Getränke brauchen. Sie werden nicht verdursten!

3. Müssen Sie sich den Stress geben mit einem Monster-Handgepäck zu fliegen? Wenn Sie nicht drum herumkommen, kümmern sie sich selbst um ihr Gepäck und belästigen sie nicht die Stewardess. Wenn Ihr Gepäck nicht ins Fach passt, legen Sie es unter den Vordersitz. Schließlich ist es ihr Gepäck und wenn Sie darauf bestehen es mit sich zu führen, dann können Sie auch in den sauren Apfel beißen, auch wenns dann vielleicht unbequemer ist mit einem Koffer zwischen den Beinen.

4. Lassen Sie Ihren Unmut bezüglich was auch immer NICHT am Personal der Fluggesellschaft aus. Die Mitarbeiter können in den meisten Fällen am wenigsten dafür.

5. Wenn Ihnen die Stewardess sagt, sie mögen sich bitte anschnallen, ihr Gepäck verstauen oder die Rückenlehne in die Aufrechte bringen, dann tun Sie es. Die Flugbegleiterin macht das nicht zum Spaß, sie ist in erster Linie für Ihre Sicherheit verantwortlich.

6. Denken Sie immer daran: Sie sitzen in einem Flugzeug und nicht in einem an ein Cockpit angrenzendes Restaurant.