BBC-Journalist wegen Nordkorea-Reportage im Kreuzfeuer

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 15. April 2013

John Sweeney ist als investigativer Journalist bekannt - er versteckte sich vor zehn Jahren in einem Kofferraum, um mit dem Oppositionsführer in Simbabwe sprechen zu können; für seine Recherchen bezüglich dreier unschuldig wegen Kindsmordes verurteilter Frauen erhielt er den Paul-Foot-Award. Ende März reiste er mit einer Studentengruppe durch Nordkorea, um Filmmaterial aus dem abgeschotteten Land beschaffen zu können. Dafür erhielt er aber (noch) keinen Preis, sondern erntete Misskredit. Der Grund: Er habe sich zwar nicht in die Reisegruppe eingeschlichen, wohl aber die Studenten in große Gefahr gebracht und sie darüber nicht aufgeklärt. Die London School Of Economics, an der die Studenten eingeschrieben sind, forderte eine Entschuldigung und ein Ausstrahlungsverbot für die Reportage. Sweeney und auch die BBC sind sich indes keiner Schuld bewusst. Die Reportage soll heute Abend im angesehenen Polit-Magazin „Panorama“ ausgestrahlt werden.

John Sweeney hatte Nordkorea zusammen mit seiner Frau und einem Kameramann bereist und die Studenten der Reisegruppe als Alibi „missbraucht“. Die nordkoreanischen Touristenführer hielten ihn für einen Professor. Üblicherweise dürfen Journalisten nicht nach Nordkorea einreisen. Die London School Of Economics wirft Sweeney vor, die Studenten im Unklaren gelassen zu haben, welcher Gefahr sie sich aussetzen. Spiegel Online schreibt:

Ein Mitreisender versichert, er selbst sei davon ausgegangen, dass eben nur eine Person als Journalist mitreise, der dann nachher eine "Geschichte schreiben" wolle. Zu keinem Zeitpunkt sei erwähnt worden, dass es um eine filmische Dokumentation ging. [...] Zu keinem Zeitpunkt vor der Reise wurde den Studenten klar gemacht, dass ein dreiköpfiges Team der BBC geplant hatte, die Reisegruppe als Tarnung für eine große Dokumentation zu nutzen.

Angeblich, so die BBC anfangs, sei die Irreführung zum Schutz der Studenten geschehen - im Falle einer Verhaftung wäre es für die Mitreisenden besser gewesen, so wenig wie möglich zu wissen. Das bezieht sich aber offenbar nur auf den Namen „BBC“ und das Vorhaben, die Reportage im bekannten Nachrichtenformat „Panorama“ zu senden. Denn: Ceri Thomas, Chef der BBC-Nachrichtensparte, verteidigte Sweeneys Vorgehen gegenüber den Vorwürfen:

„Es waren zehn Studierende. Wir haben ihnen gesagt, dass ein Journalist mitreisen würde und dass, wenn dieser Journalist entdeckt würde, sie festgehalten und verhaftet werden könnten.“

Offenbar waren die Studenten also doch von Vornherein aufgeklärt worden. Drei der zehn Mitreisenden haben sogar darum gebeten, dass ihre Gesichter und Stimmen unkenntlich gemacht werden. In welchem Umfang John Sweeney die Studenten nun genau aufgeklärt hat (und in welchem Umfang die Studenten das womöglich eher implizierte Gefahrenpotenzial verinnerlicht haben), ist nicht ganz klar. Offensichtlich war sich ja zumindest ein Teil der Studenten der Gefahr bewusst; die Universität sieht aber trotzdem ihren Ruf in Gefahr.

Im Grunde ist es viel Lärm um nichts - denn die Reportage konnte ja nur das filmisch festhalten, was die Touristenführer den Reisenden aufzunehmen gestatteten. Von einer großen investigativen Reportage, die ungeahnte Missstände aufdeckt, kann also sicherlich nicht die Rede sein.