Sind wir Smartphone abhängig? Kritisches YouTube-Video: "I Forgot My Phone"

von Portrait von Marlon Kumar Marlon Kumar
Veröffentlicht am 2. September 2013

Stören sie euch nicht auch? Diese Smartphone-süchtigen Zombies, die einem überall in der Stadt begegnen, ob auf der Arbeit, im Cafe oder - Dauerszenario - in der Straßenbahn. Und das sind noch nicht einmal Fremde! Die eigenen Freunde, ja vielleicht sogar die Freundin nehmen dich nicht mehr wahr, sobald das Handy vibriert, klingelt oder einfach nur erleuchtet. Das nervt so unglaublich, man fühlt sich als sei man unwichtig, nur ein Statist. Woher kommt der Drang bzw. diese Dringlichkeit, immer erreichbar zu sein und sofort zu antworten, als stünde das Leben auf dem Spiel. Ich sehe wie Menschen hibbelig das Bein wippen, von einem Fuß auf den anderen treten, weil sie auf Antwort warten oder Anerkennung und die Aufmerksamkeit eines geteilten Beitrags im sozialen Netzwerk verfolgen. Dabei sind das alles nur Lappalien, Nonsense, weniger als Smalltalk, Unzulänglichkeiten, die ausgetauscht werden. Man könnte sagen es ist lyrischer Müll, mit dem wir unsere Zeit vergeuden.

Fühlt ihr euch angesprochen? Kennt ihr diese Personen? Seht ihr euch selbst darin? Da kommt das YouTube-Video "I Forgot My Phone" ins Spiel. Charlene deGuzman hatte die Idee für ein gesellschaftskritisches Video, dass uns einen Spiegel vor die Nase hält. Sie zeigt auf erschreckende und bedrückende Weise, was alles auf der Strecke bleibt, wenn man die Außenwelt nur noch durch das Smartphone erblickt. Die Idee hatte sie schon länger, dann nach einem Konzertbesuch wurde das Projekt endlich umgesetzt:

"Die Leute, die vor mir standen, hielten die ganze Zeit ihre Telefone in die Luft. Sie filmten, nahmen Fotos auf und posteten sie auf Facebook und Instagram",

Sind wir Smartphone abhängig? Kritisches YouTube-Video: "I Forgot My Phone"

schreibt sie in ihrem Blog. Auch ich erwische Freunde dabei, wie sie aus Langeweile ihre Facebook Startseite aktualisieren, nur um sehen zu können, wie jemand auf Hawaii surft und ein 'ach-so-tolles' Leben führt, um sich dann noch mieser zu fühlen. Oder wie sie bei elektrisierenden Konzerten das Smartphone herauskramen, Fotos knipsen oder Videos aufzeichnen, sie bei Facebook hochladen, damit alle sehen, was für ein cooler Typ man doch ist und wieviel Spaß man hat. Sollte man nicht lieber den Moment köstlicher Live-Musik genießen und in sich einsaugen? Oder du gehst mit jemandem essen, beginnst eine tiefsinnige Konversation, doch die Person ist irgendjemandem anscheinend eine WhatsApp-Antwort-Rechenschaft schuldig und klebt am Display.

Das erinnert mich spontan an eine herrliche, aber leider auch traurig wahre Szene aus der Kult-Serie Californication mit Protagonist David Duchovny alias Hank Moody:

"Radio-Moderator: 'Was ist ihr neustes Lieblings-Thema?' Hank: 'Das die Leute offensichtlich immer dümmer und dümmer werden. [...] Das Internet sollte uns Freiheit bringen und Demokratie, aber es hat uns nur Howard Deans abgebrochene Kandidatur beschert und rund um die Uhr Zugriff auf Kinderpornos. Und die meisten Menschen, die schreiben nicht mehr, die bloggen. Statt zu reden chatten sie. Ohne Grammatik. Ohne Punkt und Komma. LOL hier, LMFAO da. Auf mich wirkt das als würden ein paar blöde Menschen mit ein paar anderen blöden Menschen mit Hilfe eines sprachlichen Prototypen kommunizieren, der eher an Höhlenmenschen erinnert als an das, was über die Jahrtausende kultiviert wurde.'"

Aus Boykott und Revolte, aber auch aus Wut will ich schon gar nicht mehr antworten. Ich bin ein freier Mensch und niemandem eine WhatsApp-Antwort schuldig. Wenn jemand sich dann aufregt, ich hätte ihm erst zu spät oder gar nicht geantwortet - sorry, ich führe ein non digitales Leben in der realen Welt. Zumindest versuche ich es, der Dienst ist ja dennoch praktisch. Ich bin immer noch der Meinung, dass nicht die Smartphones für die chronische Abwesenheit verantwortlich sind, sondern jedes Individuum selbst. Und es sagt viel über eine Person aus, ob sie ständig am Handy und sozialen Netzwerken verharrt oder dir tief in die Augen blickt und an deinen Lippen klebt.