Live aus dem Stadtwald - Indie-Künstler musizieren in rustikalem Ambiente

von Portrait von Marlon Kumar Marlon Kumar
Veröffentlicht am 30. Mai 2014

Es ist Samstagabend, 20.00 Uhr. In der Werkstatt Stadtwaldholz ist gerade hektischer Trubel angesagt. Wo normalerweise gesägt und gezimmert wird, ist in wenigen Minuten der musikalische Bär los. Gitarren werden gestimmt, Verstärker gepegelt - es ist Zeit für die zweite Runde der monatlich stattfindenden Kölner Konzertreihe Live aus dem Stadtwald. Hier können aufstrebende Indie-Künstler ihr Talent zeigen und dabei gleichzeitig noch fundamentale Live-Erfahrung sammeln.

"Live aus dem Stadtwald ist eine Art Konzertreihe mit Interviews. Also wir haben Künstler zu verschiedenen Themen zu Gast und die spielen dann ihre Songs und danach werden sie dazu interviewt. Im Anschluss gibts immer Lagerfeuer und DJ. Das Ganze findet regelmäßig statt und ist von Kultur küsst Köln organisiert."

erklärt Moderatorin Susan Zare, die wie schon beim letzten Mal souverän durch den Abend führen wird. Nachdem die ersten Gäste ohne Eintritt zahlen zu müssen in die rustikal gehaltene Holzwerkstatt eintrudeln, sich beim Vorbeigehen an der kleinen Verkaufstheke ein erfrischendes Hopfengebräu schnappen und auf den charmant umfunktionierten Getränkekisten Platz nehmen, stellt Susan auch schon das schlüpfrige Thema des Abends vor:

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"Wir haben heute das Motto "der Beat muss Liebe machen." Das Ganze dreht sich um elektronische Musik in anderen Genres. Inwiefern es die Musik beeinflusst und wo es das schon gibt, woher das kommt, wohin das geht und was das überhaupt ist."

Zu Gast sind die Bands Moglebaum, Lavender und Sender, die alle elektronische Elemente in ihrer Musik vereinen und sich zunächst schüchtern in der Ecke drängeln. Lavender ist zuerst an der Reihe. Die Band begeistert vor allem mit lautem Shoegaze und Indie-Elektro-Rock, der an große Bands wie the Shins erinnert. Die Schallwellen bringen die Holzbalken der Werkstatt zum Knarzen und vermitteln ein beschwingliches Gefühl von Garagen-Rock, bevor Lavender zu sanfter Melancholie wechselt und die allgemeine Stimmung ins Träumerische hebt.

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Als nächstes darf das deutsche Singer-/Songwriter Duo Sender seine musikalischen Qualitäten offenbaren - mit peppigem Pop-New Wave, kratzenden Gitarrenriffs, wuchtigen Drums und krakeelender Voice.

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Doch nur kurze Zeit später geschieht etwas, womit womöglich niemand der 100 Anwesenden noch gerechnet hätte. Zum Schluss wird die Atmosphäre kräftig durchgerüttelt und bis zum Siedepunkt erhitzt. Die Werkstatt verwandelt sich in eine vibrierende Diskothek, der schroffe Boden wird zur pulsierenden Tanzfläche. Es ist der große Auftritt der Düsseldorfer Künstler Moglebaum.

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Elektronisch-instrumentale Klänge treffen auf gesangliche Wucht und kreieren psychedelische Ekstase. Der Mix aus virtuosem Saxophon, lässigem Geigenspiel, deftigen DJ-Sets und der unbekannten kleinen Schwester Norah Jones versetzt die Menge in ein tanzwütiges Trauma. Aber Moment. Moglebaum? Da klingelt doch was!

"Wir haben uns benannt nach Mogelbaum, dem Pokemon, das in der roten Edition vorkommt - auf dem Gameboy. Und das ist auch etwas, das uns alle verbindet, weil wir alle so die 90er Generation sind. Uns verbindet die Liebe zu der Welt, in die man abtaucht. Und es steht für uns, weil wir elektronische Einflüsse in akustische Musik hineinmogeln."

verrät Moglebaum-Frontmann, DJ und Produzent Simon Ebener-Holscher schelmisch. Moglebaum trifft das Thema des Abends tatsächlich am besten, indem sie verschiedene Musikstile vereinen. Ob Jazz, Minimal, House, Elektropop oder Klassik, irgendwie ist alles dabei. Auch die Zuschauer können sich nicht mehr im Zaum halten - wie von Geisterhand fuchteln Arme und wippen Köpfe hin und her. Und wer bis dato noch die Puristenbrille trug, der legte sie spätestens jetzt ab. Denn Moglebaum ist am heutigen Abend der lebende Beweis dafür, wie gut akustische und elektronische Musik mit den richtigen Kalibrierungen harmonieren kann.

Auch die jungen Veranstalter Samuel Simon und Marcel Oelschläger von Kultur küsst Köln sind stolz auf ihr junges Projekt "Live aus dem Stadtwald". Es ist ein durchweg gelungener Abend.

"Wir versuchen ja wirklich, dass sich die Künstler nicht nur heute hier präsentieren, sondern das wird im Kölner Hochschulradio Kölncampus gesendet, es gibt qualitativ richtig geile Livemitschnitte, Videos, die auf YouTube laufen und das allein ist für uns schon megageiles Feedback."

Sie nennen vor allem den Benefiz-Charakter als persönliche Motivation, diese Art Veranstaltung auch in Zukunft zu betreiben.

"Wir machen das, um junge Künstler zu unterstützen - in einer Non-Profit Art und Weise, wobei wir an einem Punkt angekommen sind, wo es einfach kein Non-Profit, sondern einfach All-Profit ist."

konstatiert Simon stolz und mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht. Und das sind sie, die Beiden. Zufrieden. Denn Kultur küsst Köln sieht sich als Plattform, um jungen Musikern die Möglichkeit zu geben, ihre Klänge einem kunterbunten Publikum zu präsentieren, um einerseits den eigenen Bekanntheitsgrad zu steigern und andererseits Erfahrungen auf der Bühne zu sammeln. Dabei wird von niemandem Geld gefordert - weder von Künstlern noch von Besuchern. An dieser Stelle sei auch Schreinermeister Wilfried Nißing genannt, der seine renommierte Stadtwaldholzwerkstatt überhaupt erst kostenlos zur Verfügung stellt. Und das aus nur einem edlen, gemeinnützigen Grund: Um Künstler, Kultur und Musik zu fördern.

Und so blicken alle Beteiligten leicht benommen auf einen elektrisierenden Abend voller Euphorie und ohrenbetäubender Beats - in einer idyllischen Location mit besonderem Charme.

"Für mich selbst war das auch wunderschön, zu sehen, wie alle mitfiebern und alle die Musik in dem Moment fühlen und auch offen über die Gespräche im Interview reden, es hat sehr viel Spaß gemacht."

wispert Susan erschöpft, aber erleichtert und setzt sich ans flackernde Lagerfeuer, um in Gedanken an diesen einzigartigen Samstagabend zu schwelgen...

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Live aus dem Stadtwald geht am 28. Juni in die dritte Runde. Das Thema wird "Freiraum und Straßenmusik" sein.

[Dieser Artikel war am 28.05.14 auch als Beitrag beim Kölner Hochschulradio Kölncampus auf der 100,0 MHz zu hören.]