Von einem Vater, einem Sohn und wie Rock 'n' Roll sie gerettet hat

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 3. August 2012

J.K. Simmons ist ein Schauspieler, den man vielleicht als cholerischen Verlagsleiter aus Sam Raimis „Spider-Man“-Filmen kennt, oder als Vater in „Juno“. Aber wirklich überragende Filmrollen hat der 57-Jährige nie gespielt. Seine Karriere beschränkt sich hauptsächlich auf Serien und kleinere Nebenrollen. Das liegt daran, dass seine Rollen nie anspruchsvoll genug waren, um wirklich zu zeigen, was in Simmons alles steckt. „The Music Never Stopped“ zeigt es aber. Und wir mochten, was wir sahen.

1968: nach einem Streit über seine berufliche Zukunft verlässt der 17-jährige Familienspross Gabriel (Lou Taylor Pucci) für immer das Elternhaus. 20 Jahre später: Seine Eltern Henry und Helen (J.K. Simmons und Cara Seymour) bekommen einen Anruf - Gabriel hat einen Hirntumor. Obwohl er erfolgreich entfernt wurde, kann er keine neuen Erinnerungen speichern und auch nicht auf alte Erinnerungen zugreifen. Als die Musiktherapeutin Dianne Daley (Julia Ormond) hinzugezogen wird, entdeckt sie, dass der Schlüssel zu Gabriels Erinnerungen jene Songs sind, die er in den späten 60ern gegen des Willen seines Vaters gehört hat - die Beatles, Bob Dylan und vor allem Grateful Dead. Sein Vater Henry muss jetzt handeln - entweder er sieht ein, dass er - auch musikalisch - auf seinen Sohn eingehen muss, oder er wird den lange abgebrochenen Kontakt nie wieder herstellen können. Schweren Herzens tauscht er seine Count Basie-Platten gegen die Stones und Grateful Dead. Zusammen mit seinem Sohn erforscht er die gemeinsame Vergangenheit...

„The Music Never Stopped“ ist kein filmisches Wunder, kein innovatives Meisterwerk mit ultimativem Aha-Effekt. Es ist ein kleiner Film, mit wenig bekannten Darstellern, gradliniger Story und einfacher Botschaft: Musik ist Leidenschaft, Musik verbindet, Musik ist mehr als Noten auf dem Papier. Aber die eigentliche Botschaft ist natürlich nicht der Klangteppich des Films, sonder der behutsam, wenn auch hier und etwas lückenhaft, ausgearbeitete Vater-Sohn-Konflikt. Das Gefühl, diese Geschichte schon zu kennen, und nur einen von vielen Filmen gesehen zu haben, würde man am Ende des Filmes recht deutlich haben, wenn ein unbegabter Regisseur am Werk gewesen wäre (und man nicht diesen gewaltigen Kloß im Hals hätte). Aber Jim Kohlberg hat mit seiner allerersten Regiearbeit voll ins Schwarze getroffen. Er will aus dem Film nicht mehr machen, als er ist. Sinnlos schmückendes Beiwerk findet sich nicht. (Dafür war ein überengagierter Produktionsdesigner am Werk, der jedem Raum im Film ein überdeutliches Farbthema verpasste.) „The Music Never Stopped“ ist einfach nur eine Geschichte über Musik und die ihr innewohnende Kraft - mit viel Emotion und auch Humor.

Ganz großer kleiner Film: The Music Never Stopped

J.K. Simmons liefert die bisher beste Leistung seiner Karriere ab. Schon oft hatte er in diese Richtung geschauspielert; für „The Music Never Stopped“ ist er einen Schritt weiter gegangen und macht aus Henry, obwohl er als Vaterfigur einige Schnitzer hat, einen verletzlichen, subtil gebrochen wirkenden Mann, der seinen Sohn wegen einer banalen Streitigkeit fast verloren hat. Der schauspielerische Klimax kommt, als Henry nach all den Jahren einsieht, dass er das Frage-Antwort-Spiel zu den klassischen Stücken der 50er, das er in Gabriels Kindheit mit ihm gespielt hat (Von wem ist dieser Song, aus welchem Jahr ist er und wann habe ich ihn zum ersten Mal gehört?), nicht mehr spielen kann - Gabriel mochte diese Musik vielleicht als Kind; als Jugendlicher aber liebte er eine andere Musik, eine Musik, die zu ihm sprach und die nichts mit der des Vaters zu tun hat. 20 Jahre nach seinem Verschwinden erinnert sich Gabriel wieder an diese Stücke der Beatles oder Byrds und in diesem Moment tauschen Vater und Sohn die Rollen - 1986 ist es Gabriel, der seinem Vater erzählt, welcher Song da grade läuft und wann er ihn zum ersten Mal gehört hat.

„The Music Never Stopped“ ist einer der rührendsten Filme des Jahres. Nicht nur Liebhaber der „Grateful Dead“ werden den Film lieben, sondern auch jene, die den Geist der 60ern nicht vergessen haben. Man könnte der Geschichte zwar vorwerfen, dass sie zu simpel und einseitig gehalten ist, aber Regisseur Jim Kohlberg wollte in sein Erstlingswerk nicht mehr quetschen, als da auch reingehört. Und das ist auch gut so.

„The Music Never Stopped“ kommt am 3. August 2012 in die Verkaufsregale. Als Bonusmaterial gibt es drei Interviews, fünf deutsche Trailer (inklusive dem zum Film) und geschnittene Szenen. Sehr erfreulich: das deutsch untertitelte Filmkommentar vom Regisseur und das Wendecover.

Stadtmagazin.com verlost zweimal die DVD „The Music Never Stopped“. Einfach bis zum 26. August 2012 unter dem Stichwort „The Music Never Stopped“ folgende Fragen per Mail an gewinnspiel@stadtmagazin.com beantworten: Eines der Gründungsmitglieder von „Greateful Dead“ starb 1973 an einer Mageblutung. Wie hieß er?

Einsendeschluss ist der 26. August 2012. Teilname ab 18 Jahren. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.