„Russendisko“: Nicht viel Russe, noch weniger Disko

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 22. Oktober 2012

Berlin, 1990: im ersten Sommer der wiedervereinigten deutschen Stadt blüht eine Mischkultur, die es davor und danach nie gegeben hat; aus der Aufbruchsstimmung wurde die Goldrauschstimmung; an allen Ecken und in jedem freien Raum entsteht plötzlich etwas – eine Bar, ein Atelier, ein Ort, an dem Menschen verschiedenster Vergangenheit ungehemmt zusammen leben können. Ein leerstehendes Haus, das spontan besetzt wird, beherbergt praktisch über Nacht die Bar „Zapata“. Und dort findet sie statt – die erste Russendisko, initiiert von Wladimir Kaminer. Kaminer schrieb über jene Zeit einen Roman. Und Oliver Ziegenbalg machte daraus einen Film – mit Matthias Schweighöfer in der Hauptrolle. Wer den Roman nicht gelesen hat, sollte von dem Film aber nicht zu viel erwarten.

Wladimir (Mathias Schweighöfer), Mischa (Friedrich Mücke) und Andrej (Christian Friedel) verlassen auf Geheiß der Eltern Moskau und versuchen ihr Glück in Ost-Berlin. Die Mauer ist grade gefallen, die DDR liegt in den letzten Zügen. Während Mischa versucht, mit seiner Gitarre Geld zu verdienen und Andrej trotz typisch russischem Schwermuts den Geist des Kapitalismus in Form von Dosenbier entdeckt, streift Wladimir noch ziellos durch die Welt – er hat kein Ziel, weiß noch nicht, was er mit seinem Leben anfangen soll. Aber als er die Tänzerin Olga (Peri Baumeister) kennenlernt, scheint plötzlich alles Sinn zu ergeben. Oder doch nicht?

Sieht man den Trailer, erfährt man nicht, was der Konflikt in „Russendisko“ ist. Das liegt daran, dass es nicht wirklich einen Konflikt gibt. Für den Helden des Films, Wladimir, läuft alles gut – er hat mit seinen Freunden eine tolle Zeit in Berlin, lernt eine hübsche Frau kennen und feiert ständig. Ihm legen sich keine Steine in den Weg, wie man es von praktisch allen anderen Filmhelden gewöhnt ist. Er hat keine Probleme, die Frau seiner Träume zu bekommen; er hat keine Probleme, sich selbst zu finden – er sucht nämlich auch gar nicht. Stattdessen tingelt Wladimir, traumtänzerisch in seiner grenzenlosen guten Laune, durch die explodierende Kultur Ost-Berlins. Das alles ist zwar nett anzusehen und die Stimmung der Zeit ist perfekt eingefangen, aber vielen wird das nicht reichen.

„Russendisko“: Nicht viel Russe, noch weniger Disko

„Russendisko“ ist unter anderem eine Komödie über die Freundschaft dreier junge Männer, am ehesten aber ist der Film eine Momentaufnahme von Berlin im Sommer 1990. Und in diese Momentaufnahme wurden ein paar sympathische Figuren geworfen, die man knapp 90 Minuten lang begleitet, mit ihnen Spaß hat, liebt und leidet, deren Probleme aber auf Dauer trotzdem zu wenig fesselnd sind. Auf die titelgebende Tanzveranstaltung muss man bis zum Ende des Films warten; denn auch um den Aufbau einer Art kulturellen Institution wie der Russendisko geht es in „Russendisko“ nicht. Russisch gesprochen wird in „Russendisko“ übrigens auch nicht - stattdessen unterhält man sich auch in Moskau offenbar in bestem Deutsch.

„Russendisko“ ist „Eis am Stiel“ mit kommunistischem Überzug – in einer Zeit, die den Roaring 20‘s in nichts nachstand. Mehr als einen Partyfilm sollte aber niemand erwarten.

Die DVD bietet viele kleine Features über Dreharbeiten und Schauspieler, die aber offensichtlich alle für Werbezwecke produziert wurden. Richtige Hintergrundinformationen erhält man aus den jeweils nur etwa zwei Minuten langen Clips nicht, dabei wäre ein Interview mit Wladimir Kaminer oder ein Regiekommentar sicherlich interessant gewesen. Auch ein Wendecover sucht man vergebens.

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