„Operation Zucker“: Welche ist die beste Zeit für Kindesmissbrauch?

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 17. Januar 2013

Harte Kost zum Mittwochabend gab es gestern zur besten Sendezeit auf dem Ersten. Da gab es Kindesprostitution, Menschenhandel, gebrochene Seelen, lüsterne Widerlinge und einen aussichtslosen Kampf gegen die Oberen, die sich selbst nur allzu gern ein kleines Mädchen liefern lassen. Daran ist nichts schön; es ist alles eher abstoßend. ARD beweist Mut, ein solches Thema um 20.15 Uhr zu präsentieren. Oder?

Wer den Film um 20.15 Uhr gesehen hat, kennt das Ende nicht. Die ungeschnittene Fassung wurde erst zwanzig Minuten nach Mitternacht ausgestrahlt, als sicherlich kaum noch jemand zugeschaut hat. Dass die kleine Fee (Paraschiva Dragus), die aus Rumänien nach Deutschland verschleppt, zur Prostitution gezwungen, von beherzten Gesetzesvertreter gerettet und in ein Landhaus in Sicherheit gebracht wurde, eigentlich gar nicht in Sicherheit ist, sondern die zum Schutz abgestellte LKA-Beamtin von einem der Kinderhändler überwältigt wird und dann hilflos mit ansehen muss, wie die Kleine in eine dunkle Limousine gesetzt wird und wieder in den Fängen des Kinderhändlerringes landet, bleibt den meisten Zuschauern also verborgen. Warum die letzte Szene herausgeschnitten wurde und „Operation Zucker“ so einen Teil des anklagenden Tones einbüßt, leuchtet nicht wirklich ein. Die FSK begründete ihre Entscheidung damit, dass jemand, der jünger als 16 Jahre ist, mit dem hoffnungslosen Ende der Geschichte nicht klar kommen könnte; dass das Schicksal von Fee die jüngeren Zuschauer emotional überfordern könnte. Allerdings war „Operation Zucker“ schon in den 90 Minuten zuvor äußerst schwer verdauliche Kost - da übergibt sich einer der Fahrer des Kinderhändlerrings vor Scham, als er Fee nach Deutschland schmuggelt; er weiß genau, was mit ihr geschehen wird. Da liegt das Mädchen in dem roten Kleid auf einem Bett, das schon Spielberg in „Schindler's Liste“ zum Kleidchen der Unschuld erklärte, und wartet darauf, dass ihr Peiniger seine niedrigsten Triebe an ihr befriedigt. Nach all dem harten Tobak der Geschichte um Fee, macht die Schlussszene den Kohl auch nicht fett. Sie unterbindet nur das wohlig-warme Kuschelgefühl, dass die Guten immer gewinnen und der Kampf gegen das Böse irgendwann endet. Aber die Drehbuchautoren Rolf Basedow und Philip Koch wollten keine Heuchelei in ihrer Geschichte. Wenn man so ein Thema anpackt, dann sollte man auch nichts schönreden.

Man könnte meinen, dass die alten Krimi-Tage vorbei sind, in denen Schimanski und die nackte Nastassja Kinski noch für Wirbel sorgten, aber wer mit dem Programm von ARD und ZDF ehrlich ist, erkennt durchaus eine gewisse Betulichkeit - seit Jahren schon. Da ist es erfreulich, dass auch Themen mit Ecken und Kanten es jetzt ins Abendprogramm schaffen und ein Budget von schätzungsweise zwei oder drei Millionen Euro zur Verfügung gestellt bekommen. Für irgendetwas muss der neue GEZ-Pauschalbeitrag ja gut sein.