Arrangierte Ehen im deutschen Fernsehen: TV-Trash oder gehaltvolles Format?

von Portrait von Lisa Siewert Lisa Siewert
Veröffentlicht am 28. Oktober 2013

Droht dem deutschen Fernsehen bald schon die nächste Pleite in Form einer weiteren Trash-Show, oder hat sich die ProSiebenSat.1-Gruppe diesmal die Rechte an einem intelligenten Format gesichert? In der neuen Sendung soll es um nichts Geringeres als die Liebe fürs Leben gehen (Mal wieder). Den richtigen Partner finden – das ist heutzutage so schwer und gleichzeitig einfach wie nie. Das Internet bietet uns tausende Kontakte zu potentiellen Partnern auf zahlreichen Flirt-Portalen an. Gleichzeitig leben in Deutschland so viele Singles wie nie zuvor (Jeder Fünfte lebt allein). Das ursprünglich aus Dänemark stammende TV-Format "Gift ved første blick" wurde von Red Arrow zum internationalen Show-Konzept „Married at first Sight“ überarbeitet und auch an die deutsche Sendergruppe verkauft. Während die meisten Verkupplungsshows eine Traumhochzeit zum höchstmöglichsten Ziel erheben, beginnt diese Show direkt mit einer solchen und zeigt die Protagonisten dann als Versuchskaninchen der arrangierten Liebe.

Die große Liebe erleben, wer wünscht sich das nicht. Zahlreiche Bauern, übergewichtige Menschen, Models, Machos, Promis, Dschungelcamp-Bewohner und natürlich Millionäre: Sie alle haben unsere Nerven mit ihren mal mehr oder weniger verzweifelten und zweifelwürdigen Liebesgesuchen im TV strapaziert. Braucht dieses Land eine weitere Sendung, in welcher Menschen vorgeführt werden?

Auf jeden Fall dachte man sich das wohl bei ProSiebenSat.1. Und so wird der Sender die dänische Sendung "Gift ved første blick" in der deutschen Version präsentieren. Konzept der Show: Zwei wildfremde Menschen werden von Experten (Geistlichen, Pychologen und Paartherapeuten) füreinander auserkoren. Sie begegnen sich das erste Mal am Traualtar. Danach werden sie zu vier Wochen Zwangsehe verdonnert, inklusive Flitterwochen und leidigen Ikea-Besuchen. Die Show sprengte alle Quotenerwartungen in Dänemark.

Die Überraschung: In Dänemark ist dabei keineswegs eine Trash-Show mit mental-verwirrten oder oberflächlichen Teilnehmern entstanden, auf deren Kosten die Zuschauer etwas zu lachen haben. Nein, viel mehr war es eine interessante und besonders gewagte TV-Dokumentation, die uns einiges lehren kann über Kompromisse in der Liebe und das einem der perfekte Partner eben nicht auf dem Elite-Partner-Silbertablett präsentiert wird. Eine gute Beziehung bedarf zwar Liebe, aber vor allem auch harter Arbeit. Drei Paare nahmen an der ersten Staffel in Dänemark teil. Nach vier überstandenen Wochen samt Höhen und Tiefen, durften sie sich für eine Scheidung oder eine Fortsetzung ihrer Ehe entscheiden. Und tatsächlich: Eines der Paare wollte es weiter wagen und ist Monate später noch verheiratet. Selbstkritisch geben sie aber auch zu: Liebe auf den ersten Blick war es nicht, Gefühle kamen erst mit der Zeit.

Arrangierte Ehen im deutschen Fernsehen: TV-Trash oder gehaltvolles Format?

Nun fallen einem hierzulande dazu Narumol und Josef ein, ein Paarprodukt von der bereits erwähnten und derzeit in der neunten Staffel laufenden Show „Bauer sucht Frau“. Beide leben auch noch zusammen, sind verheiratet und haben sogar Nachwuchs. Auch andere Paare der Sendungen gibt es noch. Trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, dieses Format als intelligente Sendung mit tieferer Botschaft zu bezeichnen. Die deutsche Fernsehlandschaft ist ein bisschen wie ein Kriegsfeld – jeder glaubt die große Quotenbombe zünden zu müssen und hinterlässt einen noch tiefer beschämenden Krater als die Vorläufer.

Die Idee aus Dänemark ist dagegen leiser und kritischer. Das mit der Liebe, es ist nicht so einfach zeigt "Gift ved første blick". Und bringt uns ein Lebensmodell näher, dass zwar in Europa so gut wie ausgestorben ist, aber besonders in Asien und dem Nahen Osten noch sehr verbreitet ist: Die arrangierte Ehe. Arrangierte Ehen enden aber nicht zwangsläufig unglücklich, wie Forschungen ergeben haben. Der Wissenschaftler Robert Epstein will sogar herausgefunden haben, dass arrangierte Ehepartner nach fünf Jahren glücklicher waren als solche, die aus Liebe geheiratet haben. Und auch das dänische TV-Ehepaar scheint diese These zu bestätigen.

Was natürlich nicht heißen soll, die freie Partnerwahl sei schlechter. Auf keinen Fall! Trotzdem: Diese persönliche Freiheit und das anscheinend unersättliche Angebot an Partnern verunsichert viele Menschen und macht die Wahl nicht wirklich leichter. Natürlich ist ein TV-Format keine Lösung und auch in Dänemark hagelte es Kritik für die Sendung.

Doch hat ProSiebenSat.1 nur Interesse an dem Konzept der Show oder auch an der Message? Wird die Sendung mit fragwürdigen und nervigen Kandidaten besetzt oder mit ganz normalen Leuten? Und nach welchen Kriterien werden diese in Deutschland zusammengeführt? Wird der Fokus auf Streitereien und Eigenheiten der Teilnehmer liegen oder auf dem Beziehungsprozess?

Auch in andern Ländern werden eigene Ausgaben von "Gift ved første blick" folgen. Ob auch nur eine Version davon das erfolgreiche und durchaus gelobte Original zum Vorbild nimmt, bleibt fraglich. Und auch das deutsche Fernsehen könnte einmal mehr sein Unvermögen beweisen. Aber es ist ebenfalls die Chance, aus dem bisherigen Muster auszubrechen. Doch einfach wird dies nicht, schließlich sind neben den Redakteuren auch die Zuschauer an den Trash im Fernsehen gewöhnt.

Wir dürfen gespannt sein auf die Szenen einer Ehe im TV.