Maischberger-Talk: Wie die Hell's Angels sich vermarkten

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 6. März 2013

Sind Rockerbanden wie die Hell's Angels gefährlich, oder nicht? Um diese Frage ging es gestern Abend bei „Menschen bei Maischberger“. Eingeladen waren neben Journalisten und Gesetzesvertretern auch ein Opfer der Hell's Angels und natürlich zwei Vertreter des Clubs selbst - der Pressesprecher Rudolf Triller und Lutz Schelhorn, der Präsident des Stuttgarter Clubs. Die beiden nutzten die Runde, um sich als Opfer von Justizirrtümern und Polizeischikane darzustellen und ein bisschen raue Motorrad-Romantik zu propagieren. Die Kernfrage, die sich stellte, war bald nicht mehr, ob die Hell's Angels gefährlich sind, sondern ob man sie nicht zum Kaffee einladen sollte.

Ein Schuss in den Ofen war es. Während die Hell's Angels als bekanntester Motorad-Club der Welt in Deutschland seine zweitgrößte Anhängerschaft hat und hierzulande immer wieder durch Waffenbesitz, Erpressung, Drogenhandel und andere Scherereien auffällt, konnten die Abgesandten bei Maischberger punkten. Sie berichteten, dass die Straftaten einzelner Mitglieder nicht mit dem Club in Zusammenhang stehen würden, die Polizei praktisch täglich unnötige Kontrollen durchführe und man überhaupt, wenn alle so garstig wären, wie es in den Zeitungen heißt, ja ständig Beweise auftauchen müssten, in Form von bspw. YouTube-Videos. In der Tat scheint es kaum Leute zu geben, die vermeintliche Übergriffe durch die Rocker filmisch festhalten. Liegt es daran, dass die Rocker potenzielle Zeugen einschüchtern? Wohl kaum - wer heimlich gefilmt wird, weiß ja nicht, dass er gefilmt wird und kann somit auch niemanden einschüchtern.

Auch viele Halbwahrheiten wussten Lutz Schelhorn, der Präsident der Stuttgarter Hell's Angels, und Rudolf Triller, der Pressesprecher des Vereins auszumerzen. Dabei wirkten sie - trotz Kutten, Tätowierungen und allgemein eher rüdem Äußeren - oft so überzeugend, dass der Zuschauer sich fragen musste, ob diesen Vereinen nicht Unrecht getan würde. Nur wer genau hinsah, durchschaute die Scharade. Etwa als Schelhorn, der nicht vorbestraft ist und als Fotograf mehrere Fotobände herausgegeben hat, verkündet, dass manche eben schon in der Schule und im Kindergarten „ein bisschen anders gewesen sind“ und sich danach in die Rebellen-Richtung entwickelt haben, während andere - und damit meint er den neben ihm sitzenden Innenminister Baden-Württembergs, Reinhold Gall - sich anders entwickelt hätten. Klare Rollenverteilung: Es gibt Wölfe und es gibt Schafe; Opfer und andere. Wenn dann Triller, der sich selbst Django nennt, seine dreijährige Haftstrafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge abstreitet („Ich war nur in Untersuchungshaft!“) und zur Subkultur erhebt, erkennt man mit kritischem Blick, dass die Sendung vielleicht gar keine gute Idee war. Den Hell's Angels eine Plattform zu bieten, auf der sie sich gekonnt als unscheinbare Rebellen mit großen Herzen inszenieren können, während Maischberger fast schon hilflos zusehen muss, wie die Vorstellung von Zivilisation und einer friedlichen Gesellschaft dekonstruiert wird, war definitiv nicht der cleverste Zug. Immerhin wehren sich die anderen Gäste vehement. Eine Wirtin zum Beispiel, die von den Rockern erpresst wurde und dann Insolvenz anmelden musste, erzählt, wie ihr das Auto und das Haus in Brand gesteckt wurde. Aber da prescht dann wieder Django nach vorn: Die Wirtin wäre überall hoch verschuldet, die Insolvenz also nicht Schuld der Rocker. Und Jürgen Roth, ein Journalist, der in Hell's-Angels-Kreisen recherchierte und Experte für organisiertes Verbrechen ist, wird von Django kurzerhand zum Bildschirm-Gucker deklariert, der wahrscheinlich „nie mit einem von uns geredet“ hat.

Was soll man nun von den harten Jungs halten, die Waffenschieberei und Erpressung weit von sich weisen und erfreut sind, dass von den über 1000 Mitgliedern des Clubs regelmäßig nur 20 bis 30 im Gefängnis sitzen? Und was soll man von der arg einseitigen Berichterstattung halten - denn die Sendung „Menschen bei Maischberger“ war kaum mehr, als ein An-den-Pranger-stellen der anwesenden Hell's Angels. Sicher ist, dass die Hell's Angels trotz ihrer weltweit zweitgrößten Anhängerschaft in Deutschland, praktisch kein Problem sind und es sich bei den medial zum Reißer gepushten „Rockerkriegen“, bei denen bestenfalls mal ein Schuss fällt oder ein Rocker getötet wird, um kaum nennenswerte Zwischenfällt handelt. Ein Anarchie verbreitendes Gesindel, das unser „System“ gefährdet, sind die Hell's Angels jedenfalls keineswegs. Brennpunkte wie Duisburg, in denen es zu Übergriffen kommt, hatten immer schon mit Kriminalität zu kämpfen. In der Statistik sind die Rockerbanden, auch wenn man sie nicht gern als Nachbar haben möchte, jedenfalls keine größere Nummer, als andere Minderheiten.