Roma-Frage bei Maischberger: Stigmatisierung, die EU und überforderte Talk-Gäste

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 27. Februar 2013

Über 30 Minuten lang hatte CSU-Mann Wilfried Scharnagel geschwiegen, während ein Immigrant aus dem Kosovo, ein SPD-Politiker und ein „altlinker“ Soziologe bei „Menschen bei Maischberger“ diskutierten, wie man auf die inzwischen problematisch hohe Zuwanderung von Roma aus Bulgarien und Rumänien reagieren sollte. Neben Scharnagel saß ein junger Kosovo-Flüchtling, Hamze Bytyci, der 1990 nach Deutschland kam und jetzt unter anderem als Sozialarbeiter in einem Förderverein arbeitet. Die beiden einzuladen entpuppte sich für Sandra Maischberger jedoch als kleiner Alptraum, denn in den wenigen Situationen, in denen der verstimmte CSU-Politiker etwas zu sagen hatte fiel ihm nahezu permanent Bytyci ins Wort, was Scharnagel zusehends in Rage brachte. Nach nicht einmal zwei Minuten Teilnahme am Gespräch, schlug er vor, die Diskussion zu beenden, sollte ihn Bytyci nicht endlich ausreden lassen.

Nach einer langen Pause, in der die Gesprächsrunde erörterte, ob es pauschal möglich sei, zugewanderte aus bildungsfernen Schichten zu integrieren und für Deutschland „funktionsfähig“ zu machen, äußerte sich Scharnagel erneut und beteuerte wie schon bei seinem ersten Beitrag, dass die Situation die Schuld der EU sei, „Brüssel“ habe Sand in die Augen der EU-Mitglieder gestreut und die Aufnahme von Bulgarien und Rumänien in die EU sei voreilig und wider besseren Wissens geschehen und jetzt ist das Problem, dass viele Zuwanderer einzig aus dem Grund nach Deutschland kommen, um Sozialleistungen abzugreifen, was sich Deutschland aber nicht leisten kann. Wesentlich weiter gingen Scharnagels Äußerung nicht. Allerdings ließ sich auch Bytyci kaum zu gewinnbringenden Aussagen hinreißen. Er betonte immer wieder, dass die Ausländer, die jetzt nach Deutschland einwandern, auch in den Herkunftsländern keine Zukunft hätten und seit Jahrhunderten stigmatisiert worden seien. Besonders bitter für Scharnagel: Bytycis Aussage, dass Deutschland eine historische Verantwortung gegenüber den Roma hätte. Scharnagel konnte in den letzten Minuten der Sendung nur noch schwer verbergen, dass er von Bytycis Äußerungen nicht viel halte. Er rang mit den Händen, sah auf die Uhr und warf ihm abschätzige Blicke zu.

Moderatorin Sandra Maischberger war mit der Situation an diesem Abend mehrfach überfordert. Auch Guntram Schneider, Integrationsminister von Nordrhein-Westfahlen, bekam sich mit Scharnagel in die Haare und streifte die Grenze zur Unprofessionalität. Nur die Journalistin Özlem Gezer, die eine Reportage über die zuwandernden Roma verfasst hatte, und Michael Willhardt, der die Duisburger Bürgerinitiative „Zukunftsstadtteil“ gegründet hatte, konnten ihr Gesicht während der Sendung wahren. Der sechste Gast der Runde war Ex-„No Angels“-Mitglied Lucy Diakovska, die als 18-Jährige nach Deutschland gekommen war. Sie war auch die einzige, die zur im Zentrum der Diskussion stehenden Volksgruppen beitragen konnte, denn es war sonst weder ein Rumäne, noch ein Bulgare, geschweige denn ein Sprecher der Roma anwesend. Warum, bleibt offen. Fest steht aber, dass es nicht förderlich ist, aus Mangel an Alternativen Gäste einzuladen, die zum Thema entweder nichts beizutragen haben, sich nicht an die Konventionen einer gesitteten Diskussion halten, oder nur die Schuldfrage hin und herwälzen wollen. Da ist man von „Menschen bei Maischberger“ Besseres gewohnt.