Das Gelegenheits-Drama zum Montagabend: Jenny Elvers' RTL-Beichte

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 5. Februar 2013

Gestern Abend um 21.15 Uhr strahlte RTL das groß angekündigte Jenny-Elvers-Special-Interview aus, die TV-Beichte des Jahres, die wirklich wahre Wahrheit, ganz ungeschönt und direkt drauf gehalten. Damit jedenfalls wurde der Zuschauer im Vorfeld geködert. Tatsächlich gegeben hat es am Ende nur die weichgespülte RTL-Version eines Promi-Dramas, das eigentlich gar keines ist. Viele Themen wurden angeschnitten, tiefschürfende Einblicke jedoch gab es nicht. Kein Wunder, denn Jenny Elvers-Elbertzhagen hat nicht mehr zu erzählen, als die durchschnittliche Alkoholiker-Geschichte - sie will nur Buße tun und sich reinwaschen. Aber RTL macht aus den eigentlich nur reumütigen Interviews lieber eine unnötig große Sache voller vermeintlichem Heldentum.

Es erinnert gar zu sehr an die schlechten Scripted Reality-Serien mit der RTL seit einigen Jahren seine Zuschauer nervt: Da sitzt Jenny Elvers, zum ersten Mal in der Öffentlichkeit seit ihrem Auftritt bei „DAS!“ im vergangenen September. Auf dem Tisch steht, wie zufällig, ein Glas gut ausgeleuchteter Orangensaft - ein Wink mit dem Zaunpfahl. Jenny Elvers' Trinkernase wurde so gut es ging überschminkt und die Haare sind voluminös in Szene gesetzt - gesund soll sie aussehen, die Jenny. Dass sie das nicht ist, sagt sie im Interview mehrfach, spricht von „Suchtphasen“ und davon, dass sie „ganz viele Fehler gemacht“ hat. Und der Zuschauer lässt sich bereitwillig einlullen und freut sich gönnerhaft, dass „die Jenny so offen damit umgeht“. In der Tat ist es erfreulich, dass sie sich wieder an die Öffentlichkeit wendet, trotz des offensichtlichen Schamgefühls, mit dem Elvers das alles erzählt - es ist eben eine „Beichte“. Sie begründet sogar, warum sie sich an die Öffentlichkeit wendet: Der Absturz war öffentlich, die Rekonvaleszenz soll es auch sein. Außerdem hilft es vielleicht jemandem, zu sehen, wie Alkohol zerstören kann. Das klingt selbstlos. Allerdings wird, wer Alkoholiker ist, um die verheerende Wirkung wissen und sich nicht von einem geschminkten Schönheitsköniginnen-Gesicht beratschlagen lassen. So bleibt die Beichte also, was sie ist - eine ernst gemeinte, öffentliche Buße und ein erhofftes Sprungbrett zurück ins Rampenlicht. („Ich will Filme drehen!“)

Über die Sendung ist die Erzählstimme von Frauke Ludowig gelegt, sie spricht zum Zuschauer wie ein Therapeut zu seinem Patienten. Nach einer Stunde ist die Sitzung vorbei. Gelernt hat man aber nichts. Ja, die einstige Heide-Königin hat Whiskey-Flaschen mit Tee aufgefüllt und sich morgens Champagner-Frühstück für zwei bestellt, obwohl sie allein im Hotel war. Das alles sind Dinge, die dieses Schicksal irgendwie anschaulich machen sollen, kleine Details, die reißerisch kaschieren, dass Jenny Elvers-Elbertzhagen einfach nur dieselben Probleme hat, wie jeder andere dahergelaufenen Alkoholiker. Immerhin stellt sie sich nicht als etwas Besonderes dar. Sie erklärt einfach nur, was damals geschehen ist, sagt, dass sie beim NDR-Auftritt „picke-packe-voll“ war und erzählt, wie sie unmittelbar vor der Abreise zur Entzugsklinik in den Keller ging und sich eine Flasche Sekt einverleibte. Sie leistet einfach nur Buße, in der leisen Hoffnung auf eine Absolution. Allerdings verdreht RTL den devoten Unterton und muss die Geschichte so lange aufbauschen, bis sie einen großen Teil der Glaubwürdigkeit eingebüßt hat: Die semi-dramatische Klimpermusik, die da immer ertönt, wenn Jenny Elvers-Elbertzhagen für die Kamera bedeutungsschwanger aus einem Fenster blickt, ihr elfjähriger Sohn Paul, der für den dramatischen Effekt mal kurz gezeigt und dann wieder in die Kulissen geschubst wird, „Gala“-Chef Christian Krug, der selbstherrlich verkündet, dass er beim Fotoshooting mit der „kranken Frau“ an einem Tag nur die Hälfte dessen schafft, was er mit einem normalen Model geschafft hätte - das alles ist ein ganzes Stück zu sehr Effekthascherei.

Als Zuschauer freut man sich natürlich, dass eine so bekannte Persönlichkeit wie Jenny Elvers-Elbertzhagen den öffentlichen und damit selbstbewussteren Weg wählt, um ihre Krankheit zu verarbeiten, aber weil die Sendung nur an der Oberfläche kratzt, geht einem das Ganze nicht so nahe, wie es hätte sein sollen - es ist nur beiläufige Unterhaltung, das Gelegenheits-Drama am Montagabend. Da wird zum Beispiel mehrfach gesagt, dass Alkoholismus auf tiefen psychologischen Problemen beruht, die oft schon lange vor der Abhängigkeit liegen. „Sag' bloß!“, will es einem da sarkastisch entfahren. Und wenn dann mit Schnellschuss-Diagnosen wie „Jenny hatte immer Angst nicht gut genug zu sein.“ versucht wird, ein psychologisches Klischee-Gutachten zu erstellen (ohne Beispiele für jene Angst zu nennen) ist man dann kurz davor, dieses pseudo-tiefsinnige Beleuchten einer verkrachten Existenz abzuschalten. Was Jenny Elvers-Elbertzhagen sagt, ist sicherlich alles wahr und aufrichtig und integer. Aber vielleicht hätte sie nicht ausgerechnet einem Trash-Sender wie RTL ihre Beichte erzählen sollen.